
Die
kosmische Hintergrundstrahlung ist mehr als 13 Milliarden Jahre alt und
damit die älteste Strahlung im Universum. Die winzigen
Temperaturunterschiede (rot und blau) lassen unter anderem Rückschlüsse
auf die Form des Universums zu.
aus nzz.ch, 13.11.2019 Ist das Universum doch geschlossen? Drei Astronomen behaupten das – und ecken damit an.
Flach
und unendlich ausgedehnt soll er sein, der Kosmos. Das stimme nicht,
behaupten nun drei Forscher und beschwören eine Krise der Kosmologie
herauf. Mit ihrer Meinung stehen sie allerdings ziemlich allein auf
weiter Flur.
Im
Grossen und Ganzen kommt das Standardmodell der Kosmologie bei diesem
Realitätstest gut weg. Zwar können sich Kosmologen keinen Reim darauf
machen, warum sich das heutige Universum schneller auszudehnen scheint,
als es präzise Messungen der kosmischen Hintergrundstrahlung nahelegen.
Abgesehen von diesem Krisensymptom steht das Modell jedoch mit ganz
verschiedenen kosmologischen Beobachtungen im Einklang. Jetzt behaupten drei Forscher allerdings,
die Krise der Kosmologie gehe viel tiefer und werde lediglich durch die
dem Standardmodell zugrunde liegende Annahme kaschiert, das Universum
sei flach. Tatsächlich spreche einiges dafür, dass das Universum
gekrümmt und in sich geschlossen sei wie die Oberfläche einer Kugel in
zwei Dimensionen.
Keime späterer Galaxien
Eleonora
di Valentino, Alessandro Melchiorri und Joseph Silk stützen sich bei
ihrer Analyse auf Messungen der kosmischen Hintergrundstrahlung mit dem
europäischen Planck-Satelliten. Diese Strahlung entstand, als das
Universum 380 000 Jahre alt war. Mit der Ausdehnung des Weltalls wurde
auch die Wellenlänge der Strahlung gedehnt, so dass sie heute als
Mikrowellenstrahlung wahrgenommen wird, die überall annähernd die
gleiche Temperatur hat. Schaut man jedoch ganz genau hin, so offenbaren
sich auf kleinen Skalen winzige Temperaturunterschiede. Sie rühren
daher, dass die Materie schon kurz nach dem Urknall kleinste
Dichteunterschiede aufwies, die sich später zu Galaxien und
Galaxienhaufen auswachsen sollten.
Misst
man die Stärke dieser Temperaturschwankungen in Abhängigkeit von ihrer
Ausdehnung, so lassen sich aus der Hintergrundstrahlung diverse
kosmologische Parameter ableiten. Einer davon ist die Krümmung des
Universums. Welche Geometrie der Kosmos als Ganzes hat, hängt von seiner
Materie- und Energiedichte ab. Ist diese grösser als eine kritische
Dichte, so ist das Universum gekrümmt und in sich geschlossen. Ist die
Materie- und Energiedichte hingegen gleich der kritischen Dichte, so
reicht die Gravitation der Materie nicht, den Raum zu krümmen. Er ist
flach und unendlich ausgedehnt wie ein Blatt Papier in zwei Dimensionen.

Aus
der Stärke und der Ausdehnung der Temperaturschwankungen in der
kosmischen Hintergrundstrahlung können Forscher ableiten, ob das
Universum offen (links), flach (Mitte) oder geschlossen (rechts) ist.
Aus
theoretischen Gründen favorisieren Kosmologen ein flaches Universum.
Doch schon der Planck-Arbeitsgruppe war vor einigen Jahren aufgefallen,
dass die Daten ihres Satelliten nicht völlig konsistent mit dieser
Annahme sind. Die Ablenkung, die die kosmische Hintergrundstrahlung im
Gravitationsfeld der Materie entlang ihres Weges erfährt, sprach
tendenziell dafür, dass das Universum überkritisch und mithin gekrümmt
ist. Diese leichte Präferenz für ein gekrümmtes Universum verschwindet
allerdings, wenn man die Planck-Daten mit anderen Beobachtungsdaten
kombiniert. Damit trug der Planck-Satellit dazu bei, dass sich das
gegenwärtige Standardmodell der Kosmologie etablieren konnte, in dem das
Universum als flach angenommen wird.
Die
drei Forscher halten das Vorgehen der Planck-Arbeitsgruppe allerdings
für falsch. Man dürfe verschiedene Datensätze nur dann kombinieren, wenn
sie konsistent miteinander seien, sagt Alessandro Melchiorri von der
Universität La Sapienza in Rom. Sonst verschleiere man die Widersprüche
zwischen verschiedenen kosmologischen Beobachtungen. Melchiorri ist
einer der drei Autoren. Pikanterweise ist er auch Mitglied der
Planck-Arbeitsgruppe.
In
ihrer Publikation haben die drei Forscher untersucht, welche
Konsequenzen es hat, wenn man die Präferenz für ein gekrümmtes Universum
ernst nimmt. Zunächst einmal zeigen sie, dass ein geschlossenes
Universum 41-mal wahrscheinlicher ist als ein flaches, wenn man sich
alleine auf die Planck-Daten stützt. In einer Arbeit, die bisher nur als Preprint vorliegt, kommt Will Handley von der Cambridge University zu einem ähnlichen Ergebnis.
Bestärkt
sehen sich die Forscher dadurch, dass die Annahme eines gekrümmten
Universums bekannte Widersprüche in den Planck-Daten zum Verschwinden
bringt. Geht man vom Modell eines flachen Universums aus, so liefert die
Analyse der Temperaturschwankungen auf kleinen und grossen Skalen
leicht unterschiedliche Werte für einige kosmologische Parameter. Das
ist nicht der Fall, wenn man das Standardmodell der Kosmologie erweitert
und eine Krümmung des Raumes zulässt.
Der Preis der Krümmung
Allerdings
hat die Annahme eines gekrümmten Universums einen Preis. Sie führt zum
Beispiel dazu, dass der aus den Planck-Daten abgeleitete Wert für die
Hubble-Konstante – diese gibt an, wie schnell sich das Universum heute
ausdehnt – kleiner wird. Dadurch würde die Diskrepanz mit der direkt
gemessenen Expansionsrate noch grösser, als sie es jetzt schon ist.
Zudem würden sich auch die Spannungen mit anderen kosmologischen
Beobachtungsdaten verschärfen. Melchiorri und seine Mitarbeiter ficht
das aber nicht an. Sie sehen darin ein Indiz, dass man die Probleme des
Standardmodells bisher unterschätzt hat und die Krise der Kosmologie
schwerwiegender ist als gedacht.
Martin
Kunz von der Universität Genf, wie Melchiorri ein Mitglied der
Planck-Arbeitsgruppe, teilt diese Ansicht nicht. An der Analyse von
Melchiorri und seinen Mitarbeitern hat er nichts auszusetzen. Was ihn
stört, ist die Interpretation der Planck-Daten. Dass es in diesen Daten
kleinere Unstimmigkeiten gebe, sei seit längerem bekannt. Andere
Mitglieder der Planck-Arbeitsgruppe hätten diese kürzlich ausführlich diskutiert.
Die in der Gruppe vorherrschende Meinung sei, dass die Unstimmigkeiten
auf moderate statistische Fluktuationen zurückzuführen seien. Deshalb
vom Modell eines flachen Universums abzurücken, sei nicht
gerechtfertigt, so Kunz. Dazu seien die Unstimmigkeiten nicht gravierend
genug.
Vor
allem aber stört sich Kunz daran, dass ein gekrümmtes und in sich
geschlossenes Universum das Problem mit der Hubble-Konstante verschärft.
Wenn die Situation nicht besser, sondern schlimmer werde, sei das ein
schlechtes Argument für eine Erweiterung des Standardmodells der
Kosmologie.
Das theoretische Modell ist dazu da, in einer Sache ihren Sinn freizulegen. Wenn man sieht, wie sie funktioniert und welche Resultate sie erbringt, wenn man Kontingenz ausscheidet und sie auf sich selbst reduziert, so mag man darin einen Zweck erkennen, der sich mit den Zwecken vergleichen lässt, die man selber verfolgt: Danach wird man die Sache bewerten.
Wenn dies nicht die Absicht ist, wenn man nicht bewerten und verwerten will, und sei es zu Erkenntniszwek- ken, kann man kein Modell entwerfen.
Merke: Ohne eine solche Absicht lässt sich eine Sache gar nicht als 'sie selbst' bestimmen; nicht unterscheiden, was dazu gehört und was kontingent ist.
26. 10. 16
Nota. - Das ist das erkenntnislogische Problem: Wer vom Kosmos ein stimmiges Modell darstellen, nämlich Alles "auf einen Nenner" bringen kann, scheint einen Zweck desselben aussagen zu wollen. Das ist auch nicht ganz falsch. Denn um eine sinnvolle Ordnung hineinzubringen, muss er sie beabsichtigen. Von alleine kommt sie nicht zustande. Doch nur dann müsste er sie nicht selber verantworten. Wenn es sich aber rechnerisch von ganz allein ergäbe, wär' er fein rus. Darum versuchen sie es immer und immer wieder.
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