
...nur als unumgängliche Fiktion?
Das Absolute ist ein ästhetisches Ding.
Unum, verum, bonum, pulchrum: Das
Eine Absolute ist keine logische, es ist keine ethische, es ist eine
ästhetische Idee. Es ist sogar die ästhetische Idee schlechthin. Was
sollte denn, jenseits von seiner brauchbaren Richtigkeit, am Wahren
besser sein als das Unwahre? Was sollte, jen-seits von seinen
gesellschaftlichen Vorteilen, am Guten besser sein als das Böse? Es ist
genau das, was am Schö-nen schön ist: daß es ohne Interesse gefällt.
im Mai 2009
Die ästhetische Idee schlechthin.
Der Gedanke eines Wahren, Absoluten, das an sich, vor jedweder Bestimmung in Raum und Zeit, gilt (immer schon gegolten hat), ist eine ästhetische Idee.* Es
ist, recht besehen, die ästhetische Idee schlechthin, die in alle
kommenden Bestimmungen in Raum und Zeit vorgängig hineingreift und von
der ich erst durch eine Anstrengung des reflektierenden Verstandes
abstrahieren kann.
Ich kann sie aber erst "herauslesen", weil ich sie vorab hineingedacht habe.
Sie ist nicht ge-geben, sondern gemacht (wenn ich auch nichts mehr davon
weiß). Sie ist das einzig wahre Apriori, von welchem die
transzendentalen, nämlich qualifizierenden Handlungen meines
Denkens lediglich historische Modifikationen sind: Möglichkeit,
Wirklichkeit, Notwendig-keit; Kausalität (die Vorstellung des Bewirkens);
auch die Anschauungsformen Raum und Zeit. Der Beweis: Sie lassen sich
weder messen noch demonstrieren. Wer nicht weiß, was gemeint ist, dem kann man sie nicht erklären.
Aber wie das 'Ich', ist das
Absolute immer nur in dem und durch den Akt (des Urteilens) - weder
vorher noch nachher; aber durch den Akt das eine nicht ohne das andere:
der Urtei-lende nicht ohne den Grund.
aus e. Notizbuch, Anf. Sept. 03
*) eine, die keinem Zweck dient, sondern sich selber Zweck ist.
Was ohne Bedingung gilt.
Wenn ich Etwas wissen will, muss ich Es als mir vorausgesetzt denken. In meinem Wissen kann ergo nichts Wahres vorkommen: Was immer ich weiß, ist bedingt – durch etwas, das nicht ich ist.
Das ist ein Salto.
19. 5. 13
'Wahr' bezieht sich nicht auf Seins-Aussagen. Sage ich: Dies ist ein Baum, dann ist diese Aussage nur richtig. Denn sie bezieht sich lediglich auf diejenigen Eigenschaften, die 'er' mit allen andern Pflanzen teilt, die ich ebenso nenne. Wahr wäre lediglich eine Aussage, die sich auf ;alle seine Eigenschaften bezöge. Aber die könnte ich nicht aussagen, weil ihre Menge sich nicht bestimmen lässt. (Er 'hat' nur solche 'Eigenschaften', die ich an ihm finden kann; finden könnte, wenn ich ewig suchen könnte. Und vor Ablauf der Ewigkeit dürfte ich keine Aussage machen.)...
'Wahr' ist keine Kategorie des empirischen Urteilens. Empirische Urteile sind nur richtig oder falsch.
'Wahrsein' ist eine logische Qualität eines Urteils. Wahr kann ein Urteil sein, welches gilt. Wahr ist ein Urteil, wenn es unter allen möglichen, allen denk möglichen Umständen gilt.
Die Frage "Unter welchen Umständen ist ein Urteil wahr?" ist widersinnig. Es muss unter allen Umständen wahr sein. Darum lässt sich nach Wahrheit nicht fragen. Oder vielmehr anders: Wahrheit 'gibt es' nur, sofern man nach ihr fragt: als Problem.
aus e. Notizbuch, Jan. 08
Ist das Absolute nur eine Flause?

Dass dem Absoluten wie dem Wahren überall mit Skepsis begegnet wird und man es vor-sorglich, um ihm ja nicht auf den Leim zu gehen, mit Hohn und Spott überzieht, ist wohl verständlich, es hat schon zuviel Schaden angerichtet. Doch verdankt sich die heilige Scheu ebendemselben metaphysischen Pferdefuß wie die vormalige Vergötzung.
Es liegt doch auf der Hand, dass das Absolute (wie das Wahre) nur ein Gedankending sein kann, das auf Wirklichkeit keinen Anspruch erhebt. Wirklich sind Dinge in Raum und Zeit, sie sind erfahrbar, denn sie leisten meinen Absichten ganz eigensinnige Widerstände. Das tun Gedankendinge nicht. Weder sind sie erfahrbar noch leisten sie Widerstand. Nur darum, ganz allein darum können sie absolut sein und nicht nur relativ: nicht in einen Begriff ge-fasst werden – denn das hieße, sie zu andern Begriffen ins Verhältnis setzen.
Gedankendinge können nicht sein, sondern lediglich gedacht werden. Ob, wann und in wel-cher Hinsicht sie gedacht werden sollen, zeigen sie selber nicht an, es ist kein 'Merkmal' an ihnen. Es ist immer eine Sache eines Urteils, und das ist in jedem Fall wirklich, aber es ist wahr oder unwahr, und das ist wiederum Sache eines Urteils, und so weiter. Aus dem Den-ken kommen wir so nie heraus und in die Wirklichkeit hinein. Das geschieht immer erst, wenn ich meinem Urteil gemäß zu handeln beginne, denn das geschieht nur in der Wirk-lichkeit. Oder auch: Nur Handeln ist wirklich. Gedankendinge werden nur vorgestellt, und das ist unabhängig davon, ob ich mir mir einen Begriff davon machen kann.
Man kann daher sagen, das Wahre und das Absolute (das Wahre ist das absolut Geltende) seien begriffslose Phantasiegebilde. Doch liegen sie als Vorstellung einem jeden Urteil zu Grunde, denn es wäre keins, wenn es nicht Anspruch auf Wahrheit und Teilhabe am absolut Geltenden erhöbe. Wer darüber lacht, lacht über sich und die ganze Welt. Denn Eure nur relativen Wahrheiten sind relativ zur ganzen Wahrheit, und ohne dies wären sie gar nicht.
1. 2. 16
Da es außer ihm nichts gibt, kann es mit nichts in eine Verhältnis stehen - außer mit sich selbst.Wenn es mit sich im Verhältnis steht, ist es aber nicht mehr selbst. Vorstellbar - aber ehrlich gesagt: denkbar nicht - ist allenfalls, dass es mit sich selbst in Gegensatz gerät und sich in sich differenziert. Dazu muss ich es aber als a priori tätig auffassen. Quod erat de-monstrandum.
Das Absolute ist Stoff an sich.
Gegenstand der intellektuellen Anschauung ist das Absolute.
Das Absolute ist das Schema des Vollkommenen. Vollkommenheit ist eine ästhetische Kategorie; die Vorstellung von Etwas, das ohne Makel ist; was ohne Einschränkung gilt. Doch in der Vorstellung eines Absoluten wird nun auch von dieser Bestimmtheit noch abstrahiert: "Etwas", welches als ein solches bestimmbar wäre. Im Absolu- ten entfällt alle Bestimmtheit. Oder anders: es ist negativ bestimmt als das, was schlechterdings nicht bestimm- bar ist, weil es aller Bestimmung selber zu Grunde liegt. Das Absolute ist kein Begriff, sondern eine Idee. Es wird angeschaut, aber nicht mit den Sinnen, sondern allein mit der Einbildungskraft.
aus e. Notizbuch, im Juli 2009
Das Absolute ist der allgemeinste Urteilsgrund. Es ist der Stoff des Geltens; das heißt, der Stoff schlechthin. Es ist Qualitas qualitatium.
Das bipolar Absolute und das, was wirklich ist.
Das Absolute ist nicht bestimmt; denn bestimmt sein könnte es nur durch sein Verhältnis zu Anderem.
Das Absolute ist nicht Eins, denn dann stünde es in einem Verhältnis zu Mannigfaltigem.
Das Absolute ist kein Seiendes, denn was ist, ist im Raum und in der Zeit; ist bestimmt durch seine Stelle im Raum oder in der Zeit, nämlich unterschieden von allen andern Stellen in Raum und in der Zeit. Was ist, ist mannigfaltig.
Ein Absolutes kann als ein solches nur gelten. Es reguliert das Vorstellen, es ist nicht wirklich, sondern logisch. Was absolut gilt, kann wiederum nicht bestimmt sein. Es ist entweder unbestimmt oder bestimmend. Doch als ein absolut Bestimmendes ist selber nicht bestimmt; bestimmt ist es allenfalls als ein Un bestimmtes. Das Absolute ist zweifach denkbar - als ein Bestimmendes und als ein Unbestimmtes.
Was ist, ist mannigfaltig und ist bestimmt; es ist bestimmt durch sein Verhältnis zum Unbestimmten auf der einen, und zum Bestimmenden auf der anderen Seite. Das bestimmte mannigfaltige Wirkliche schwebt zwischen zwei Absoluten - als ein zu-Bestimmendes zwischen einem absolut Bestimmenden und einem absolut, nämlich unendlich Unbestimmten.
Wenn aber das Absolute - siehe oben - nicht Eins sein kann, kann es schon gar nicht zwei sein. Es kann sich daher nur um zwei Weisen handeln, sich ein Absolutes vorzustellen. Doch zum Vorstellen gehört wesentlich eine anschauliche Seite. Anschauen lässt sich eines, das absolut ist, schlichtweg nicht. Wären es also doch zwei Weisen, sich ein Absolutes zu denken? Denken heißt, in Begriffe fassen. Ließe es sich aber begreifen, wäre es nicht absolut. Dann wäre es nach Kant wohl eine ästhetische Idee: "diejenige Vorstellung der Einbildungskraft, die viel zu denken veranlaßt, ohne daß ihr doch irgend ein bestimmter Gedanke, i.e. Begriff, adäquat sein kann, die folglich keine Sprache völlig erreicht und verständlich machen kann".
Das Absolute; a quo und ad quem.
Am Anfang steht die Freiheit; absolut. Ihre Tätigkeit ist übergehen vom Bestimmbaren zum Bestimmten. Das ist unendlich fortschreitende Einschränkung der Freiheit. Unendlich, weil, wenn sie irgendwann erschöpft sein könnte, sie niemals Freiheit gewesen wäre. Doch ist am Ende das Absolute so absolut wie am, d. h. vor dem Anfang. Die Bestimmungen sind immer quantitativ, sie ziehen Quanta vom Absoluten ab. Doch wenn es ab- solut war, wird es nicht weniger.
In der späteren WL will Fichte ein Absolutes, das "niemals Objekt wird"; natürlich, denn dann hörte es auf, absolut zu sein. Dann kann es aber auch nicht real werden - und schon gar nicht ex ante gewesen sein.
Das Absolute ist ein bloßes Gedankending. Als Anfang wird es aufgefunden, als Fluchtpunkt wird es postuliert.
29. 4. 17
Das Absolute ist Anfang und Ende.

Das Absolute braucht die Transzendentalphilosophie doppelt: zuerst als Ausgangs-, dann als Fluchtpunkt der Vernunft. Dazwischen liegt immer nur Bestimmen; am Anfang die absolute Freiheit, am ewig offenen Ende der absolute Zweck.
19. 7. 17
Das Wirkliche kann nicht absolut sein, denn dann wäre, weil es zugleich ein Mannigfaltiges ist, zwischen ihm kein Leben möglich, und das ist Veränderung. Veränderungen können nur zwischen Relativen geschehen.
Andererseits ist
Relatives nur im Verhältnis zu Absolutem möglich. Und soll die
Verände-rung eine Richtung haben, zwischen zwei Absoluten: hin zu dem
einen, fort von dem an-dern. Eins immer nur in Rücksicht auf das andere.
Wie auch anders? Vorstellen - wahrnehmen, denken, erfahren - ist bestimmen.
Bestimmen hat nur eine Richtung. Doch geschieht sie immer nur durch
Entgegensetzung. Ich kann nichts Relatives denken, ohne ein Absolutes
vorauszusetzen. (Wenn ich zwei Absolute denke, dürfen sie selber zu
einander in keinem Verhältnis stehen und sich nicht bedingen, sonst
wären sie nicht absolut. Aber die Relativen müssen in Bezug zu Absoluten
stehen, sonst wären sie nicht relativ.) Anfang und Ende bedingen
einander nicht. Doch was immer relativ ist - leben - hat einen Anfang und ein Ende, sonst wäre es absolut.
*
Man könnte nun meinen, Leben sei absolut, ewig sei nur die Veränderung und das Behar-rende (der Begriff) sei nur Schein. Dann wäre Veränderung unveränderlich und eigentlich wäre alles nur Wiederholung. Dann allerdings gäbe es keine Richtung.
Denn es käme zu keiner Bestimmung und alles bliebe ohne Sinn.
Was immer real ist, ist endlich und füllt zu einem bestimmten Zeitpunkt einen bestimmten Raum. Ein Absolutes kann nicht real sein - und nicht werden, denn dann bliebe es nicht absolut, sondern würde bestimmt. Real ist das Bestimmen selbst.
5. 2. 20
Die zwei Ansichten des Absoluten.
Das Absolute sei der Vereinigungpunkt von meiner Welt und unserer Welt, habe ich ge-schrieben. Allerdings hat das Absolute zwei Pole, zwischen denen es sich abspielt: schwebt und übergeht; nämlich Ich und Welt. Ich mag beginnen, wo ich will - stets werde ich auf die andere Seite fortgetrieben - es sei denn, ich könnte... mit dem Vorstellen irgendwo haltma-chen.
Wie das Ich zum einen Person und zum andern Glied der Reihe vernünftiger Wesen ist, ist die Welt zum einen meine und zum andern unsere. In der Sache sind sie dasselbe, nämlich absolut. Doch von der einen Seite her kommen ihr diese, von der andern Seite her kommen ihr jene Bestimmungen zu. Ließen sich beide zu einer festen Größe addieren, dann wäre das Absolute bestimmt und nicht länger absolut. Doch das Bestimmen geht auf der einen Seite so unendlich fort wie auf der andern. So weit ich mit dem Bestimmen hier wie dort voran-gekommen bin, so unendlich bleibt immer der noch bestimmbare Rest.
Das ist, wie Sie richtig bemerken, keine Begriffsbestimmung, sondern ein Bild.
9. 3. 2022
*
Das Ich als Idee ist eines, das ausschließlich in die intelligible Welt gehört; eine Idee eben, die der Zweckbegriff der Handlungen des empirischen Individuums sein soll - und als sol-che sich nicht fassen
lässt. Es ist eine Aufgabe, die aber nie erfüllt sein wird; das
'Bestim-men' der Idee geht ins Unendliche fort. 'Unendliche
Annäherung' ist aber kein treffender Ausdruck; solange sie unendlich
ist,
ist sie keine Annäherung, denn die Entfernung bleibt stets dieselbe:
unendlich. Unendlich minus X ist Unfug.
Allerdings wäre das Ich als Idee (und der Gedanke eines Absoluten überhaupt) der Ge-sichtspunkt, unter dem meine Welt und unsere Welt vereinigt sind. Mein Handeln in dem einen wie in dem andern Bereich verfolgt idealiter denselben unendlichen Endzweck.
5. 2. 18
aus Nach-gedacht
Es ist mir nicht entgangen, dass ich mich mit meinem Kommentar zum gestrigen Eintrag in einen Widerspruch mit mir selbst gesetzt habe. Ist das Ich als Idee der gemeinsame und ver-bindende Zweckbegriff sowohl meiner als auch unserer Welt, kann ich nicht aufrecht halten, dass Vernunft (und Recht) ihren Platz in unserer Welt haben, während Moralität eine Sache meiner Welt ist.
Zuerst ist zu
spezifizieren: Wenn der unendliche Endzweck auch derselbe ist - so
urteilt Vernunft doch aus Gründen und Schlüssen, während Moralität ihr
Urteil aus einem "Af-fekt des Herzens" alias
aus ästhetischer Anschauung trifft. Argumente und diskusive
De-monstrationen kommen als moralische Vorhaltungen nicht in Betracht.
Was an der Ver-nunft Verstand ist, ist in moralischer Betrachtung nicht am Platz.
Aber zweitens ist im 'absoluten' Zweckbegriff zu differenzieren, was a priori ein Unding ist.
Während das moralische Urteil das Ich als dieses, als empirisches
Individuum im Blick hat und allein nach der Moralität seiner Handlung
fragt, geht es bei den vernünftigen Urteilen in 'unserer' Welt allein um
die Folgen dieser
Handlung, und der Richtstuhl ist nicht das Ich als Individuum, sondern
das Ich als Teil der intelligiblen Welt alias 'Reihe vernünftiger
We-sen'. Umgagssprachlich unterschieden in 'Gesinnungsethik' und 'Verantwortungsethik'.
6. 2. 18
*
Es ist immer nur die Frage, auf welcher Seite die Vorstellung beginnt: Beginnt sie bei dem Mannigfaltigen, aus dem die Welt sich zusammensetzt - mit meiner Individualität darin? Dann endet sie, nachdem sie analytisch dem 'Ich, das sich setzt, indem es sich ein/em Nichtich entgegesetzt', begegnet ist, beim Reinen Wollen.
Das Absolute ist der Vereinigungspunkt beider Welten.
Neu gewonnene Gewissheit.
Lothar Sauer
Das Absolute als Idee ist ein Reflexionsprodukt. Es kommt zustande, 'weil anders gar nichts gelten könnte'. Es ist eine Konstruktion a tergo. Oder, mit Fichte zu reden, eine proiectio per hiatum irrationlem. (Er hat den Jacobi besser verstanden als der sich selbst. Dafür hat der ihn besser verstanden als er sich selbst.)
aus e. Notizbuch, Mai 2007
Das Absolute ist die Wiederherstellung der Selbstverständlichkeit, die uns mit dem Verlassen unserer Urwaldnische verloren gegangen ist, mit andern Mitteln. Während die Gründe der Selbstverständlichkeit dem Tier als seine Umwelt gewissermaßen im Rücken liegen, haben wir die Bürgschaft allen Geltens erst noch vor Augen, und in ganz weiter Ferne.
Ich kann nichts Bedingtes annehmen, ohne ein Absolutes vorauszusetzen.
Die größte Fabelei ist die von der Erkenntnis. Man möchte wissen, wie die Dinge an sich beschaffen sind: aber siehe da, es gibt keine Dinge an sich! Gesetzt aber sogar, es gäbe ein An-sich, ein Unbedingtes, so könnte es eben darum nicht erkannt werden! Etwas Unbe-dingtes kann nicht erkannt werden: sonst wäre es eben nicht unbedingt! Erkennen
ist aber immer »sich irgendwozu in Bedingung setzen« – –; ein solch
Erkennender will, daß das, was er erkennen will, ihn nichts angeht und
daß dasselbe Etwas überhaupt niemanden nichts an-geht: wobei erstlich ein
Widerspruch gegeben ist im Erkennen-wollen und dem Verlangen,
daß es ihn nichts angehen soll (wozu doch dann Erkennen?), und zweitens,
weil etwas, das niemanden nichts angeht, gar nicht ist, also
auch gar nicht erkannt werden kann. –
Erkennen heißt »sich in Bedingung
setzen zu etwas«: sich durch etwas bedingt fühlen und ebenso es selbst
uns- rerseits bedingen – – es ist also unter allen Umständen ein Feststellen, Bezeichnen, Bewußtmachen von Bedingungen (nicht ein Ergründen von Wesen, Dingen, »An-sichs«). [555]
________________________________
Nietzsche, Aus dem Nachlass (XII)
Ich kann nichts Bedingtes annehmen, ohne ein Absolutes vorauszusetzen. Das wäre eine Fiktion? Allerdings. Logik beruht auf einer Fiktion.
Das Reich der Logik ist das Reich der Geltungen. Eines gilt nur für (mindestens) eines – ein anderes. Geltung ist ein Verhältnis. Ein Verhältnis ist nicht unbedingt, sondern bedingt durch zwei, die im Verhältnis stehen. Was ist, kann nicht für etwas sein. Es kann für ein anderes nur 'als seiend gelten'. Ein Verhältnis, das unbedingt ist, ist kein Verhältnis, sondern selber ein Seiendes. Ein Seiendes, das ohne das Sein eines anderen nicht ist, ist nicht: Lediglich das Zusammen-Sein beider ist. Ein reeller Wirkungszusammenhang ist.
Wo sollten Husserls noemai
als elementare, irreduzible un-bedingte Geltungseinheiten 'sein'? In
Raum und Zeit? Dort wären sie entweder notwendig oder kontingent. Sind
sie notwendig, so sind sie bedingt durch das, was sie notwendig macht;
nicht elementar, nicht irreduzibel. Sind sie an-sich, können sie nur
kontingent sein. Aber dann treten sie nicht in ein Verhältnis. Sie
können nur an-sich gelten, aber nicht für eines.
Sind sie außerhalb von Raum und Zeit, so ist nicht zu verstehen, wie sie innerhalb von Raum und Zeit für eines werden können. Sie sind nicht von dieser Welt, und damit gut.
Sein und Gelten sind ihrerseits Geltungen. Sie 'sind' – gelten als seiend – nur für eines. Alles, was gilt, gilt bedingt.
*) Es ist historisch-bedingt durch den Urknall. Aber der ist seinerseits un-bedingt, sonst wäre er nicht Ur knall.
•Juni 26, 2010
Nachtrag. Nur "ein reeller Wirkungszusammenhang ist" - darauf läuft es hinaus. Es ist das Ergebnis der Reflexion, das man ihr logisch als ihren Sinn voraussetzen muss. Real ist nur wirken - erst in der Reflexion treten ein Wirkendes und ein Objekt auseinander: weil wir-ken in seiner Verlaufsform nicht denk bar ist - nicht Gegenstand der Reflexion werden, sondern nur angeschaut werden kann -, aber als bloße Anschauung nicht mitteilbar ist.
In der Wirklichkeit nehmen wir nichts als 'Objekt' wahr, sondern ein jedes geltend entweder als Dieses oder als Jenes; und wenn nicht, dann gilt es als unbestimmt. Wenn es nicht einmal als das gilt, dann... ist es nicht wahrgenommen worden und hätte ebensogut gar nicht da sein können.
25. 1. 19
Vernunft ist eine Wette, die man verlieren kann.
Wenn Vernunft sein soll, dann muss es Wahrheit (Ansich, e. Absolutes) geben. Anders: Wenn nicht ein Absolutes konstruierbar ist, dann muss man auf Vernunft verzichten.
Unterschied zu aller dogmatischen Philosophie: dass der 'Grund' nicht dem Wissen voraus gesetzt ist, sondern im Wissensakt selbst konstituiert wird; das Wissen sich seinen Grund 'als' ihm vorausgesetzt 'setzt': terminus a quo, nicht terminus ad quem; setzt 'als' zu-Realisierendes.
aus e. Notizbuch, 3. 9. 03
Nachtrag: Denken Sie bei 'konstruieren' nicht an Zirkel und Lineal, sondern mehr an ein Kartenhaus!
9. 2. 15
Das
ist Unfug. Was konstruierbar ist - erster Schritt, zweiter Schritt,
dritter Schritt -, ist nicht absolut. So zum Beispiel Fichtes
Vernunftgott aus Grund unseres Glaubens; da
bedingt eines das andere, und was bedingt ist, ist problematisch - es
hängt von etwas Anderm ab. Ein Kartenhaus fällt mit einem Mal zusammen,
aber gebaut wird es Zug um Zug, und ganz vorsichtig.
Wörtlich genommen, wird das Absolute nicht einmal projiziert. Es wird als ewig gegeben vorausgesetzt, als Grund allen Geltens. Denn was gilt, muss begründet sein - in einem letzten Grund, der unbedingt ist. Wenn ich den nicht voraussetze, ist Alles nur Zufall und Willkür.
Ob ich ihn voraussetze, ist bedingt, nämlich in meiner Freiheit. Wenn ich es unterlasse, kann ich in nichts einen Sinn finden - und nicht einmal nach einem suchen. Und noch, wenn ich so lebe, als ob es einen Sinn gäbe, muss ich ihn als mir vorausgesetzt annehmen. Als absolut.
Wenn ich mein Leben so führe, als ob es einen Sinn hätte, dann wird mein Leben einen Sinn gehabt haben.
Eine Fiktion ist keine Hypothese. Die könnte widerlegt werden, das kann eine Fiktion nicht. Allerdings kann der Fingierer sich eine blutige Nase holen.
JE 11. 3. 22
Apriorische Synthesis.
'Das Absolute' und das transzendentale Ich sind die beiden Ansichten desselben ursprüngli-chen Akts: "Tathandlung".
Aus e. Notizbuch, 19. 1. 04
Ursprung und Fluchtpunkt.
- Das absolute, nämlich transzendentale Ich ist nicht "das Absolute". Denn es ist bestimmt: als Ich. Das schlechthin Absolute ist nicht bestimmt; un bestimmt; bestimmbar; bestimmt als zu-bestimmend, aber das absolut: unendlich.
Diese beiden Bestimmungen sind ideal: nur für die Reflexion daseiend .
20. 10. 20
Als ob sie ewig gälten.
Hamburg, Schauspielhaus
Jedesmal, wenn ich urteile, handle ich so, als ob die Gründe für mein Urteil schon da gewesen wären, bevor ich sie in Anspruch genommen habe. Und wenn ich sie denken will, kann ich sie gar nicht anders denken. Gelten-an-sich, außerhalb von Raum und Zeit, lässt sich nur denken. Es ist ein reiner Denkakt, sonst nichts.
Quatsch. Sie lassen sich nicht denken; ich denke lediglich, dass... . Aber sie selber denke ich nicht.
aus e. Notizbuch, 17. 9. 03
Das Absolute ist bloß fingiert.
Das Absolute ist bloß fingiert. Aber es ist als absolut fingiert. Mehr ist nicht zu haben, und weniger bräuchte man nicht zu fingieren.
aus e. Notizbuch, 30. 8. 03
Hypothese und Fiktion.

Was ist denn nun das Absolute? – Es ist mein Maß, mehr ist darüber nicht zu sagen; denn wäre es durch Merkmale zu beschreiben, wäre es nicht absolut, sondern bedingt.
Schon 'mein' Maß ist zuviel gesagt, ich müsste mein in Klammern setzen: Es ist (mein) Maß. Da ist ein Un-gleichgewicht, das Gemessene kann hier nicht sein ohne das Maß, wohl aber das Maß ohne zu Messendes. Ich bin ich nur, sofern ich vernünftig bin. Wir gehören enger zusammen als Schuh und Absatz.
Der persische Sufi Mansur al-Halladsch wurde 922 in Bagdad wegen seiner Ketzereien gekreuzigt; darunter die berühmteste, der Satz: Anâ l-haqq, 'Ich bin Wahrheit.' Das war anmaßend, doch skandalös wurde es, weil al-haqq einer der Namen – der einundfünfzigste – Gottes ist; seinen wahren Namen, den sozusagen absoluten, dürfen Muslime wie Juden nicht aussprechen.
Sagbar ist so etwas nur im Moment mystischer Entrückung; die aber steht unter Meister Eckharts Anweisung: Halt nach dir selber Ausschau, und wo du dich findest, da lass von dir ab.
Mit theoretischer Philosophie hat das nichts zu tun. Die muss beim Absoluten Halt machen. Bis hinein kommt sie ebensowenig wie die Kosmologie in den Urknall. Doch während jener eine Hypothese ist und noch nicht alle Hoffnung vergebens, ist dieses eine Fiktion.
27. 11. 15
Rück-Versicherung.
Das Absolute, das Unbedingte, das Vollkommene – ist das, was so ist, wie es sein soll.
Für das naive Bewusstsein ist alles "so, wie es sein soll".
Das ursprüngliche Bewusstsein der Menschen – nämlich als sie überhaupt zu Bewusstsein kamen – ist nicht naiv. Denn es ist geprägt von der Fraglichkeit von allem, was begegnet. Die Frage 'ist es so, wie es sein soll', geht auf in der Frage, was es ist. Weil die Selbstverständlichkeit der Urwaldnische verloren ging.
Die
Idee vom Vollkommenen, Unbedingten, Absoluten, das "so ist, wie es sein
soll", ist der Wunsch, die Selbstverständlichkeit der Urwaldnische
wiederzufinden.
aus e. Notizbuch, 30. 8. 10
Ja, das ist nichts anderes als im gestrigen Eintrag. Manch neuer Einfall ist so elementar, dass man ihn ein paarmal haben muss, bis er sitzt.
17. 2. 18
Das Paradox der Geltung.
Tatsächlich
liegt das Mysterium der Vernunft in der Urteilskraft. Im Urteil richte
ich über die Gültigkeit der Gründe (Werte...); aber Grund des Urteils
ist eben...
"Geltung" ist ein Paradox: 'Ich' stellt sich über die Geltung, macht sich zu ihrem Maßstab, indem es Geltungen vergleicht. Andererseits muss es die Geltungen als unabhängig von ihm denken: "Entweder gibt es gar keinen Wert, oder es gibt einen notwendigen Wert."*
Das Ich 'macht' sich seine Gründe selber, aber so, als ob sie absolut wären. Mit andern Worten, die "absolute" Geltung ist immer nur eine Behauptung
*) Fr. Schlegel, in Materialen zu Kants Kritik der Urteilskraft, Ffm. 1974, S. 198
aus e. Notizbuch, 11. 7. 03
Jedem sein eignes Absolutes.
Göbekli Tepe
Ein Absolutes, auf das man sich einigen konnte, erweist sich ipso facto als ein Relatives.
aus e. Notizbuch, 8. 9. 03
Ich und das Absolute.
Den gestrigen Eintrag würde ich so umformulieren wollen:
Vernünftig ist ein freier Wille, der als Maß für sich nichts Geringeres gelten lässt als das Absolute.
Das Absolute ist das Maß der Vernünftigkeit. Vernünftigkeit ist eine Sache der Selbstach-tung.
Dagegen
sind zwei Einwände möglich: 1) Ein Absolutes gibt es nicht. 2) Der
Wille ist nicht frei. Praktisch bedeuten sie beide dasselbe: Es gibt
keine Vernunft.
26. 11. 15
Das absolute Postulat.

Was tu ich, indem ich philosophiere? Ich denke über einen Grund nach, dem Philosophie-ren liegt also ein Streben nach dem Denken eines Grundes zu Grunde. Grund ist aber nicht Ursache im eigentlichen Sinne, sondern innere Beschaffenheit – Zusammenhang mit dem Ganzen. Alles Philosophieren muss also bei einem absoluten Grunde endigen.
Wenn dieser nun nicht gegeben wäre, wenn dieser Begriff eine Unmöglichkeit enthielte, so wäre der Trieb zu philosophieren eine unendliche Tätigkeit und darum ohne Ende, weil ein ewiges Bedürfnis nach einem absoluten Grunde vorhanden wäre, was doch nur relativ ge-stillt werden könnte – und darum nie aufhören würde.
Durch das freiwillige Entsagen des Absoluten entsteht die unendliche freie Tätigkeit in uns – das einzig mögliche Absolute, was uns gegeben werden kann und das wir durch unsre Unvermögenheit, ein Absolutes zu erreichen und zu erkennen, finden. Dies uns gegebene Absolute lässt sich nur negativ erkennen, indem wir handeln und finden, dass durch kein Handeln das erreicht wird, was wir suchen.
Das ließe sich ein absolutes Postulat nennen.
____________________________________________________________________
Novalis, Fichte-Studien, in: Gesammelte Werke, Herrliberg-Zürich 1945, Bd. 2, S. 172
Ein erster, letzter Grund; oder Der schöne Schein des Wahren
aus Die Wendeltreppe, oder Philosophische Propädeutik.
Nichts trügt weniger als der Schein.
Max Liebermann
Ursprung und Angelpunkt des abendländischen Denkens war die Frage nach dem Wahren. In der Sinnenwelt ist alles Trug. Sie scheint mal so, mal so, je nach Standort. Alles, was wird, wird vergehen. Wahr ist, was währt, das ewige Sein; doch es liegt unterm Werden verhüllt. Nur dem Denken ist es kenntlich, "denn dasselbe ist Denken und Sein", sagt Parmenides. Die Frage nach dem wahren Sein ist die Frage, wonach sich mein Leben in der Mannigfal-tigkeit trügerischer Erscheinungen richten soll.
Man
erkennt es beim Vergleich mit Heraklit, gegen den Parmenides angetreten
war: Nicht zweimal könne man in einen Fluss steigen; der Fluss sei ein
anderer geworden und der Mensch auch. Hinter dem Werden ist Nichts, wahr
ist der Schein: Das möchte man einen heroischen Nihilismus nennen; ein
aristokratisches Leben auf eigne Faust, das sich nicht jeder leisten
kann. Die Vermutung, daß der Sinn der Welt zwar verborgen, aber
jedenfalls in ihr liegt, macht dagegen auch kleinen Leuten Mut. Nicht
anders konnte die Arbeitsgesell-schaft siegen, nicht anders konnte Europa
die Welt erobern.
Der ebenbürtige Zeitgenosse von Heraklit
und Parmenides war Aischylos – der als erster die Schuld der Menschen
zum Thema gemacht hat; nämlich dass sie ihre Wege selber wäh-len. Es
wurde zum Thema der westlichen Kultur. Man mag auch meinen, es sei die
Con-ditio humana selbst. Nur wurde sie nicht überall ihrer bewusst.
Das
Wahre, das Ansich-Seiende, das Absolute; Wert, Bedeutung, Geltung, Sinn
– das alles sind verschiedene Worte für ein Problem. Nämlich dies, dass
der Mensch sich nicht mit dem Leben begnügen kann, sondern immer sein
Leben führen muss. Führen wo hin, wo lang? Er muss sich
orientieren. Das, woran er sich orientiert hat, um dessentwillen er
ge-lebt hat, nennt er, rückblickend, 'das Wahre’, 'das Absolute', den 'Sinn'. Das Erkennen ist zirkulär.
Warum?
Es kommt a posteriori. Denn gesetzt wird der Sinn immer 'in actu', hier
und jetzt, an jedem Wegkreuz neu. Dem (nachträglichen) Erkennen
erscheint es darum als a priori. 'Das Wahre', 'das Absolute', der 'Sinn'
ist – reell wie ideell – eben keine Sache, son-dern ein Problem. Es ist
aber keins, worauf die Menschen ebenso gut verzichten könnten. Sie waren
tätig, bevor sie erkennend wurden. Aber sie müssen erkennend sein, um
selbst-tätig zu werden.
Nur weil der
Mensch ein Leben führt, dessen Sinn weit über seine bloße Erhaltung
hin-aus reicht (wenn er es will), hat er das Problem der Freiheit. Ob
er es will, ist damit noch nicht entschieden. Wenn einer sagt: Die
Befriedigung meiner Bedürfnisse ist mir genug – wie kann ich ihm
widersprechen? Es gibt noch viele, die sich mehr gar nicht leisten
kön-nen.
Aber eine Kultur, wo verknappter Luxus
schon wie Not erscheint, lebt im Überfluss. Die-ses ist eine
Sinnbehauptung: Es sollte eine Welt des Reichtums entstehen, damit
Men-schen in die Lage kommen, ihre Freiheit bestimmen zu können. Nur
darum gibt es die Frage nach der Wahrheit. Aber die ist ein Paradox.
Was ich tun soll, ist eine Frage von
Bedeutungen. Ist Sache eines Urteils. Und dafür brau-che ich Gründe, die
gelten. Deren Geltung muss ihrerseits begründet sein, und so fort.
Machen wir’s kurz: Wenn überhaupt etwas gelten soll, muss es irgendwo
einen Grund ge-ben, der schlechterdings gilt und in letzter Instanz, ohne
alle Bedingung – die Bedingun-gen von Ort und Zeit zumal. In der Welt,
die 'der Fall ist', wird man ihn nicht antreffen. Er ist "nicht von
dieser Welt", ich muss ihn mir hinzu denken .
Dass
der menschliche Geist "notwendig etwas Absolutes außer sich setzen muss
und dennoch von der andern Seite anerkennen muss, dass dasselbe für ihn da sei,
ist derjenige Zirkel, den er ins Unendliche erwei-tern, aus welchem er
aber nicht heraustreten kann. Es ist nur da, inwie-fern man es nicht hat,
und entflieht, sobald man es auffassen will", schrieb Johann Gottlieb
Fichte. Es "kann nur eine Idee sein; ein bloßer Gedanke in uns, von
welchem gar nicht vorgegeben wird, dass ihm in der wirklichen Welt außer
uns etwas entspreche. Ideen können unmittelbar nicht gedacht werden.
Sie sind Aufgaben eines Denkens, und nur, inwie-fern wenigstens die
Aufgabe begriffen werden kann, kommen sie in un-serm Bewusstsein vor."
Eine Aufgabe nannten die Griechen ein Problem. Aber dieses Pro-blem ist
so gestellt, dass es schlechterdings nicht lösbar ist: Die Freiheit soll
sich ihren Be-stimmungsgrund außer sich suchen! Es ist ein Paradox.
Das ist nicht bloß eine Idee. Das ist
eine ästhetische Idee. Es ist, recht besehen, die ästheti-sche Idee
schlechthin, die in alle tatsächlich vorkommenden Bestimmungen nach Ort
und Zeit vorgängig hineingreift, die all die Qualitäten vereint, die ich
an den Dingen "wertneh-me", bevor ich sie wahrnehme, und von der ich
erst durch eine besondere Anstrengung des reflektierenden Verstandes
wieder abstrahieren kann.
Es "ist" nicht so. Aber so muss ich es
mir vorstellen, wenn ich mir überhaupt Etwas vorstel-len will. Das Wissen
kann seinen eignen Grund nicht erkennen. Es muss ihn sich einbilden.
Der höchste Akt der Vernunft sei ein ästhetischer, hieß es im 'Ältesten
Systemprogramm des deutschen Idealismus'. Ob er wirklich stattgefunden
hat, ist nicht entscheidend. Es scheint uns so, als ob er stattgefunden
hätte. Er ist so wahr wie ein Mythos sein kann. Will sagen, er muss sich
bewähren.
Bewähren in Sonderheit in meinem täglichen Tun und Lassen – als Sittlichkeit. "Die
Ethik ist transzendental", schrieb Ludwig Wittgenstein, um gleich hinzu
zu fügen: "Ethik und Ästhetik sind eins." Und es sei klar, dass sie
sich als solche "nicht aussprechen" lassen.
In den Wörtern unserer Welt lassen sie sich nicht aussprechen. Denn sie gehören zu meiner
Welt. Den andern kann ich sie allenfalls zeigen – in den Bildern der
Kunst. In Wörtern lässt sich das Problem immer nur so formulieren: Der
Sinn des Lebens ist, dass du nach ihm fragst. Eben ein heroischer
Nihilismus oder, wenn man will, "Artisten-Metaphysik". Auf jeden Fall
ist es eine romantische Anschauung der Welt, und eine fröhliche.
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