Montag, 2. Mai 2022

Jan Vijlbrief, eine echte Entdeckung.

 
Jan Vijlbrief, Boot am Ufer, 1894/95                                                                                                                            
aus Gandalfs Gallery
 
Vijlbrief's farmyard scene is exquisite evidence that the Neo-Impressionist influence also extended to Holland, where its most productive period was the early 1890s. In this landscape Vijlbrief expands the standard Neo-Impressionist palette, adding unusual shades of mauve, grey, magenta, and ochre. The setting has an unreal quality, suggesting that naturalism has been replaced by the exploration of colour effects and decorative patterns. The lacy foliage and sinuous branches create elegant arabesques that hint at the curvilinear shapes of Art Nouveau and suit the exoticism of Vijlbrief's colour scheme.
 
ders., Waldlichtung, 1894/95 
 

ders., Landschaft mit Heuschober, 1893

Neute kann ich Ihnen eine echte Eigenentdeckung vorstellen - so eigen, dass Sie im Inter-net grad mal ein paar dürre Zeilen finden; und gerade recht, um meinen gestrigen Eintrag zu kommentieren: Welche immer auch die künstlerische Doktrin sei, die eine Kunstrich-tung auf ihre Fahne schreibt, kann eine malerische Inspiration doch immer was Ansehnli-ches draus machen. 

Pointillismus, ja was denn sonst. Vijlbrief hat ihn 1889 in Amsterdam kennengelernt. Heute sagt man verlegen lieber Postimpressionismus, das geht immer und macht vergessen, dass der Erfinder Seurat allen Ernstes einen wissenschaftlichen an die Stelle des herrschenden 'romantischen' Impressionismus setzen und mit pedantischer Akribie geltend machen woll-te. Pissarro hat es das Geschmacksurteil verdorben und Signac hat vorsichtig dem Maleri-schen wieder ein wenig Platz geschaffen.

Doch bei meiner heutigen Entdeckung darf man sicher sein, dass er der doktrinären Spin-nerei zum Trotz einiges Neuland bestellt haben würde, wenn er nur etwas länger am Leben hätte bleiben mögen.


Sonntag, 1. Mai 2022

Helen Frankenthaler in Krems (und später im Folkwang).

 
Kunsthalle Krems zeigt Frankenthaler-Retrospektive
Malerische Konstellationen in der Kunsthalle Krems 

Die Kunsthalle Krems präsentiert Arbeiten der US-amerikanischen Künstlerin Helen Frankenthaler (1928-2011), die als eine der wesentlichen Vertreterinnen des abstrakten Expressionismus gilt. Zu sehen sind mehr als 70 Werke auf Papier und eine Auswahl an Gemälden. Florian Steininger, Kurator und künstlerischer Leiter der Kunsthalle: "Die Ausstellung ist die erste monografische Schau der Künstlerin in Österreich."

"Es gibt keine Regeln. So entsteht Kunst, so geschehen Durchbrüche. Verstoße gegen die Regeln oder ignoriere sie. Darum geht es bei Erfindungen." Im Sinne dieses Credos betrachtete und praktizierte Frankenthaler das Malen als Experimentierfeld. Mit ihren verfließenden "Soak Stain"-Bildern erregte sie bereits um 1952 Aufmerksamkeit. Auf gegossene Farbfelder in minimalisierter Bildstruktur folgen weitere stilistische Entwicklungsschübe, wobei Improvisation und gestisches Agieren im Vordergrund stehen.

Helen Frankenthaler, Grotto Azura, 1963 (© 2021 Helen Frankenthaler Foundation, Inc. / VG Bild-Kunst, Bonn)Grotto azzurra, 1962


"Bei meiner Arbeit geht es mir nicht darum, ob das Bild eine Landschaft ist oder ob es pastoral ist oder ob jemand einen Sonnenuntergang darin sieht. Worum es mir geht, ist: Habe ich ein schönes Bild gemacht", unterstrich Frankenthaler einmal ihren ästhetischen Anspruch. Dennoch wurden ihre Bilder oft mit Landschaften assoziiert, auch mit dem Ozeanischen, Maritimen. Ein besonders einprägsamer Blickfang: "Salome" (1978), eine Leihgabe des Museums Moderner Kunst Wien, Stiftung Ludwig.

Die Ausstellung, die sich über fünf Schaffensjahrzehnte erstreckt, entstand in Kooperation mit dem Museum Folkwang in Essen (Deutschland), das von 2. Dezember 2022 bis 5. März 2023 die beinahe idente Werkauswahl zeigen wird. Als Hauptleihgeberin fungiert die Helen Frankenthaler Foundation (New York). Frankenthalers Werk ist in europäischen Sammlungen und Museen kaum vertreten, ihre Arbeiten auf Papier waren auch in den USA zuletzt 2003 zu sehen.

1989

aus orf.at, 28. 4. 2022                                                                                                                    

Die Kunst der Helen Frankenthaler
Mit Helen Frankenthaler widmet sich die Kunsthalle Krems einer der wichtigsten Vertreterinnen des abstrakten Expressionismus. Die New Yorker Künstlerin war vor allem für ihre Soak-Stain-Bilder und die Kunst der Farbfeldmalerei bekannt.

Strahlende Farben, großformatige Malereien, Kunst auf Papier. In der neuen Ausstellung der Kunsthalle Krems dreht sich alles um die vielseitigen Werke der US-amerikanischen Künstlerin Helen Frankenthaler (1928 – 2011). Die Ausstellung, welche seit 23. April für Besucherinnen und Besucher zugänglich ist, trägt den Titel „Malerische Konstellationen“ und ist bis Ende Oktober diesen Jahres in der Kunsthalle Krems zu sehen. Im Fokus steht das Wechselverhältnis zwischen Arbeiten auf Papier und ausgewählten Gemälden auf Leinwänden, welche allesamt zwischen 1949 und 2002 entstanden sind.

Santa Fe XIII, 1990

„Die Hauptströmung der Malerei nach dem zweiten Weltkrieg war der abstrakte Expressionismus. In dieser männerdominierten Bewegung zählt Helen Frankenthaler zu den wichtigsten weiblichen Vertreterinnen. Sie hat den abstrakten Expressionismus maßgeblich beeinflusst“, erzählt Florian Steininger, Kurator der Ausstellung und Leiter der Kunsthalle Krems.

Chronologische Stilveränderungen erkennbar

Während ihres Schaffens als Künstlerin probierte die US-Amerikanerin mehrere Kunst- und Stilrichtungen aus. Zu Beginn ihrer Künstlerkarriere in den 1950er-Jahren entstanden Frankenthalers berühmte „Soak-Stain-Bilder“, inspiriert von Action-Painter Jackson Pollock. Dabei wurden Leinwände am Boden ausgebreitet, Farbe auf sie geschüttet und mit unterschiedlichen Werkzeugen verstrichen – darunter auch die Hände der Künstlerin. Die Leinwand hatte die Rolle eines Aktionsfeldes.

 
Aerie,
2009, Siebdruck

Ab 1960 legte Frankenthaler den Fokus ihrer Bilder wiederum auf die Farben und deren Wirkkraft. Dabei entstand die Kunst der Farbfeldmalerei, welche sich dadurch charakterisiert, dass einzelne Farben in abstrakten Zonen und Feldern zusammenfließen. Aus dieser Zeit stammt beispielsweise das Titelbild der Ausstellung mit dem Titel „Grotto Azura“. Inspiriert von der blauen Grotte der italienischen Insel Capri kann die abstrakte Naturdarstellung als Paradebeispiel für die Farbfeldmalerei angesehen werden.

Hôtel du Quai Voltaire 1956

Auch in den 1970er- und 1980er-Jahren entwickelte sich Frankenthalers Kunst weiter. Komplexe Farbkombinationen, abstrakte Naturbilder und eine hohe künstlerische Vielschichtigkeit rücken immer stärker in den Vordergrund und zeichnen die Malerin bis zu ihrem Lebensende aus.

Erste monografische Ausstellung in Österreich

„Die Kunst von Helen Frankenthaler ist in Europa bislang wenig bis gar nicht vertreten. Mit unserer neuen Ausstellung zeigen wir erstmals eine monografische, umfassende Schau der Künstlerin in Österreich“, freut sich Kurator Florian Steininger.

Helen-Frankenthaler umgeben von ihrer Malerei New York 1957

Auch seitens der „Helen Frankenthaler Foundation“, welche als Hauptleihgeber der Ausstellung fungiert, freut man sich über die Zusammenarbeit mit der Kunsthalle Krems. Elizabeth Smith, Executive Director der „Helen Frankenthaler Foundation“, ist für die offizielle Eröffnung aus New York angereist. „Dass sich jetzt auch eine Ausstellung in Österreich so detailreich mit der Kunst Helen Frankenthalers auseinandersetzt, ist für uns eine besondere Ehre. Frankenthalers Kunst zeichnet sich vor allem durch Bewegung, Atmosphäre und die Vielfalt der Techniken aus“, heißt es von Elizabeth Smith.

Ist das Universum mathematisch vorbestimmt?


aus derStandard.at, 1. 5. 2022                                                                  zuJochen Ebmeiers Realien, zu

Ist das Universum mathematisch vorbestimmt?
Ob es einen freien Willen gibt oder alles determiniert ist, wird seit Jahrhunderten diskutiert. Zwei Dämonen der Wissenschaftsgeschichte prägen die Debatte bis heute

Geister, Götter und Dämonen haben nichts mit Wissenschaft zu tun. So möchte man jedenfalls meinen. Ein Blick in die Wissenschaftsgeschichte zeigt aber, dass das Überna-türliche stets dann an- oder ausgerufen wurde, wenn Forschende an fundamentale Grenzen stießen. In der modernen Physik hat es Albert Einsteins "spukhafte Fernwirkung" zu eini-ger Berühmtheit gebracht: Er attestierte der quantenmechanischen Verschränkung geister-hafte Eigenschaften, wollte sie doch so gar nicht zu seinem Physikverständnis passen.

Die mexikanisch-amerikanische Wissenschaftshistorikerin Jimena Canales legte mit ihrem Buch "Bedeviled: A Shadow History of Demons in Science" (Princeton University Press, 2020) eine systematische Aufarbeitung des Geistertreibens in der Wissenschaft vor. Dabei zeigt sich, dass die Wissenschaft zwar seit jeher bemüht war, Aberglauben und Gespenster auszutreiben. Dennoch gab es immer wieder neuralgische Momente, in denen Wissenschaf-ter übernatürliche Wesen erschufen.

Die Geister, die ich rief

Mit deren Hilfe sollten Gedankenexperimente ausgeführt werden mit dem Ziel, die Grenze zwischen Wissen und Nichtwissen ein Stück weit zu verschieben. "Wenn das Universum sich nicht so verhält, wie es sollte, verdächtigen Wissenschafter sofort einen Betrüger", beschreibt Canales den Prozess, durch den Geister die Bühne der Wissenschaft betreten. "Dämonen anzurufen erwies sich als nützliche Strategie, um die Lücken im vorhandenen Wissen zu füllen."

 

 

Ein prominentes Beispiel dafür ist der Laplace’sche Dämon. Erschaffen vom französischen Mathematiker Pierre-Simon Laplace im Jahr 1814, sollte dieses Wesen dank Kenntnis sämt-licher Naturgesetze und Startbedingungen in der Lage sein, jeden vergangenen und zukünf-tigen Zustand aller Teilchen im Universum zu berechnen. Der Laplace’sche Dämon ist die Personifizierung der ultimativen Berechenbarkeit des Kosmos. Freie Willensentscheidun-gen wären ausgeschlossen, alles unterläge einem strengen Determinismus.

Ist alles vorbestimmt, oder gibt es doch Zufälle und Handlungsspielraum?

Determinismus oder freier Wille

Wie berechenbar, fundamental chaotisch oder zufällig die Welt ist, wird bis heute diskutiert. Auch der freie Wille ist eine wissenschaftliche Terra incognita. Mit dem Free Will Theorem legten die Mathematiker John Conway und Simon Kochen 2006 einen Vorschlag vor, wie sich die quantenmechanische Unbestimmtheit auf den freien Willen übertragen lässt. Erst vor wenigen Jahren legte Kochen mit einer noch detaillierteren Arbeit zum Thema nach. Ob es den freien Willen aber tatsächlich gibt und, falls ja, ob er quantenphysikalisch fassbar ist, bleibt umstritten.

Einen ebenbürtigen Gegenspieler fand der Laplace’sche Dämon jedenfalls in einem weite-ren Geisterwesen: dem Maxwell’schen Dämon. 1871 sah sich der schottische Physiker James Clerk Maxwell mit folgendem Dilemma konfrontiert: Man stelle sich einen Behälter gefüllt mit Luft vor, der durch eine Trennwand mit einer verschließbaren Öffnung geteilt wird. Zu-nächst herrscht überall dieselbe Temperatur, es gibt also in beiden Teilen gleich viele schnel-le wie langsame Moleküle. Ein übernatürliches Wesen, das die Molekülbewegungen sehen kann, könnte die schnellen Moleküle durch die Öffnung absondern – und schließlich auf-grund der Temperaturdifferenz eine Wärmekraftmaschine betreiben. Eine Energieerzeu-gung aus dem Nichts?

Während der Laplace’sche Dämon die ultimative Berechenbarkeit des Universums in den Mittelpunkt rückte, lenkte der Maxwell’sche Dämon die Aufmerksamkeit auf den inhärent statistischen Charakter des Mikrokosmos. In gewisser Weise scheint ihnen beiden ein Fun-ken Wahrheit innezuwohnen. Sie beide inspirieren die theoretische Physik bis heute – in diametral entgegengesetzter Weise predigen sie unbeirrbar ihre dämonische Agenda.