wohnglueck zuJochen Ebmeiers Realien aus derStandard.at, 26. März 2021 Neues Modell lässt winzige Wurmlöcher weniger exotisch erscheinen als bisherige Theorien.
In vielen Science-Fiction-Geschichten sind sie fixer Bestandteil des Universums und liefern häufig auch eine Möglichkeit, die gigantischen Distanzen zwischen den Sternen abzukürzen. In unserer Physik sind Wurmlöcher in der Raumzeit bislang allerdings nur rein hypotheti-sche Gebilde. Ein internationales Forscherteam präsentierte dazu nun ein neues theoreti-sches Modell, in dem mikroskopisch kleine Wurmlöcher eine bedeutende Rolle spielen – und womöglich leichter zu öffnen sind als bisher gedacht.
Gummituch und Tunnel
Bisher sind Wurmlöcher
ausschließlich in den Gleichungen der allgemeinen Relativitätsthe-orie
aufgetaucht, die Albert Einstein 1916 veröffentlichte. Eine wichtige
Annahme der The-orie ist, dass das Universum vier Dimensionen hat
– drei Raumdimensionen und die Zeit als vierte Dimension bilden
zusammen die sogenannte Raumzeit. Sie wird durch schwere Objekte wie
Sterne gekrümmt, ähnlich wie ein Gummituch, auf dem eine Metallkugel
ein-sinkt. Die Krümmung der Raumzeit bestimmt, wie sich Objekte wie
Raumschiffe und Planeten, aber auch Licht bewegen.
"Theoretisch könnte die Raumzeit auch ohne schwere Objekte verbogen
und gekrümmt werden", meint Jose Luis Blázquez-Salcedo von der
Universität Oldenburg, der inzwischen an die spanische Universidad
Complutense de Madrid gewechselt ist. Ein Wurmloch wäre demnach ein
extrem stark gekrümmter Bereich der Raumzeit, der zwei miteinander
verbundenen Trichtern ähnelt und zwei weit entfernte Orte wie ein Tunnel
verbindet. "Mathematisch gesehen ist so eine Abkürzung möglich, jedoch
hat noch nie jemand ein echtes Wurmloch beobachtet", so der Forscher.
Verwandlung in ein Schwarzes Loch
Ein solches Wurmloch
wäre außerdem instabil: Würde beispielsweise ein Raumschiff
hineinfliegen, so würde es sofort zu einem Schwarzen Loch kollabieren,
also einem Objekt, in dem Materie auf Nimmerwiedersehen verschwindet.
Die Verbindung zu anderen Orten des Universums wäre gekappt. Um das
Wurmloch offen zu halten, benötigen bisherige Modelle eine exotische,
nur theoretisch denkbare Form der Materie, die eine negative Masse hat –
die also vereinfacht gesagt weniger wiegt als nichts.
Blázquez-Salcedo und seine Kollegen Christian Knoll von der Universität Oldenburg und Eugen Radu von der Universidade de Aveiro in Portugal zeigen nun jedoch in ihrer Studie, dass Wurmlöcher auch ohne diese Annahme passierbar sein können. Die Forscher wählten dafür einen vergleichsweise einfachen, "semiklassischen" Ansatz, wie sie in den "Physical Review Letters" schreiben: Sie verbanden Elemente der Relativitätstheorie mit Elementen der Quantentheorie und der klassischen Theorie der Elektrodynamik.
Die Dirac-Gleichung macht's möglich
Als Materie, die das
Wurmloch durchqueren soll, betrachteten sie bestimmte Elementarteilchen
wie beispielsweise Elektronen mitsamt ihrer elektrischen Ladung. Als
mathematische Beschreibung wählten sie die Dirac-Gleichung,
eine Formel, die die Aufenthaltswahrscheinlichkeit eines Teilchens
gemäß der Quantentheorie und der Relativitätstheorie als sogenanntes
Dirac-Feld beschreibt.
Wie die Physiker in ihrer Studie berichten, ist es die
Berücksichtigung des Dirac-Felds, das in ihrem Modell die Existenz eines
für Materie durchquerbaren Wurmlochs erlaubt. Die Voraussetzung ist,
dass das Verhältnis zwischen der elektrischen Ladung und der Masse des
Wurmlochs einen bestimmten Grenzwert überschreitet. Neben Materie
könnten auch Signale – etwa elektromagnetische Wellen – die winzigen
Tunnel in der Raumzeit durchqueren.
Zu klein für die Reise
Für interstellare Reisen
wären die mikroskopisch kleinen Wurmlöcher, die sich das Team
vorstellt, wohl nicht geeignet. Zudem müsste das Modell noch weiter
verfeinert werden, um herauszufinden, ob es die eigenartigen Gebilde
tatsächlich geben könnte. "Wir vermuten, dass die Wurmlöcher auch in
einem vollständigen Modell existieren können", sagt Blázquez-Salcedo.
(red.)