aus derStandard.at, 28. 11. 2021 So könnte Issa, Spezies Australopithecus sediba, ausgesehen haben.
Neue Funde untermauern aufrechten Gang bei menschlichem Verwandten
Wirbelknochen, die
ältere Funde ergänzen, zeigen für Anthropologen: Diese
Australopithecus-Spezies "ging wie ein Mensch, aber kletterte wie ein
Affe"
Sie steht zwischen Mensch und Menschenaffe: So beschrieben Fachleute die Spezies Australopithecus sediba,
eine Vormenschenart, die 2008 durch den damals neunjährigen Sohn des
renommierten Anthropologen Lee Berger erstmals entdeckt und in den
Folgejahren wissenschaftlich dokumentiert wurde. Die bisher
aufgefundenen Skelette sind etwa zwei Millionen Jahre alt. Sie sind zwar
jeweils nicht vollständig – viele anthropologische Funde, die wichtige
Informationen über unsere Urgeschichte liefern, bestehen lediglich aus
einzelnen Knochen oder Fragmenten; quasi komplette Skelette sind sehr rar.
Aber man kann sich doch einen guten Eindruck von der Anatomie der
Sediba-Spezies verschaffen. Vor allem an Brustkorb und Armen werden
Ähnlichkeiten mit Menschenaffen deutlich, Becken und Beine wiederum sind
der Gattung Homo nahe.
Eine Sediba-Skelettrekonstruktion zwischen dem zierlichen Skelett
eines modernen Menschen (links) und dem eines Schimpansen (rechts).
Nun stehen durch einen weiteren Fund neue Puzzlestücke zur Verfügung:
Lee Berger von der Universität Witwatersrand und seinem Team gelang es
gemeinsam mit Forschenden der New York University, ein zuvor bereits
beschriebenes Individuum um zwei Wirbelknochen und ein paar Fragmente zu
ergänzen, wie sie im Open-Access-Journal "eLife" schreiben. Was nach
wenig klingt, dürfte gerade im Hinblick auf die
Fortbewegungsmöglichkeiten spannende Erkenntnisse liefern.
Codename MH2, revisited
Die
Forschungsgruppe nennt die Überreste, die auf eine weibliche
Australopithecine schließen lassen, Issa. Das bedeutet auf Swahili
Beschützerin. Unter Fachleuten ist sie auch unter dem Codenamen MH2
bekannt, der auf ihren Fundort verweist: "Malapa Hominin 2" wurde 2008
in der Malapa-Höhle, nordwestlich von Johannesburg in Südafrika, neben
dem ersten jugendlichen Australopithecus-sediba-Fund entdeckt.
Aber erst 2015 stieß man auf die nun analysierten Wirbel und
Wirbelreste, die in zementartigem Gestein (einer sogenannten Brekzie)
versteckt sind. Issas untere Wirbelsäule zählt nun zu den besterhaltenen
Fossilien dieses anatomischen Bereichs, die aus der Zeit der frühen
Hominiden stammen. Um den Fund nicht zu beschädigen, wurden die Knochen
nicht aus dem Gesteinsgemenge auspräpariert, sondern mit virtuellen
Methoden untersucht.
Aufschlussreicher Lendenbereich
Die Micro-CT-Scans zeigten,
dass die Wirbel perfekt zu den bereits vorhandenen Knochen des
Individuums Issa passen. Sie sind Teil der Lendenwirbelsäule, die, von
der Seite aus betrachtet, den unteren Schwung der quasi S-förmigen
Wirbelsäule mitbildet. Diese S-Form ist ein Charakteristikum des
modernen Menschen und eine Anpassung an den aufrechten Gang.
Menschenaffen etwa weisen im Gegensatz dazu eine einfache, C-förmige
Krümmung auf.
Die neu entdeckten Wirbel und Fragmente (im Micro-CT-Modell rechts
farbig markiert) gehören zu einem Skelett, das bereits beschrieben
wurde. Zum Schutz der Funde wurden die Knochen nicht komplett
auspräpariert und voneinander getrennt (siehe Foto in der Mitte),
sondern im Scan analysiert.
"Die Lendenregion ist entscheidend, um den zweibeinigen Gang bei
unseren frühesten Vorfahren zu verstehen – und wie gut sie daran
angepasst waren", sagt der Paläoanthropologe Scott Williams, Erstautor
der Studie. Wertvoll ist der Fund vor allem, weil er mehrere in Serie
zusammenhängende Wirbel beinhaltet, die noch dazu sehr gut erhalten
sind: "Das ist außerordentlich selten, aus dem frühen Afrika sind nur
drei vergleichbare untere Wirbelsäulen bekannt."
In früheren Studien hatten Forschende die Vermutung geäußert, dass
Australopithecus sediba eine relativ gerade untere Wirbelsäule hatte.
Eine Annahme, die Issa der aktuellen Forschungsarbeit zufolge
entkräftigt: Ihre Lendenwirbelsäule ist kurviger als die aller anderen
bisher entdeckten Australopithecinen. Nur ein 1,6 Millionen Jahre alter
Homo-erectus-Fund aus Kenia und einige Fossilien moderner Menschen aus
diesem Zeitraum haben eine stärkere Krümmung.
Der untere Rücken des Australopithecus sediba wirkt dem modernen
Menschen sehr ähnlich, der obere Torso hingegen zeigt eher die Nähe zu
Menschenaffen.
In Bäumen und am Boden
Gleichzeitig verdeutlichen andere
Skelettmerkmale Eigenschaften, die diese Spezies von modernen Menschen
unterscheidet. So finden sich an der Wirbelsäule auch Hinweise auf eine
kräftige Rumpfmuskulatur. "In Kombination mit anderen Teilen der
Torsoanatomie deutet dies darauf hin, dass Sediba klare Anpassungen an
das Klettern beibehalten hat", sagt der Anthropologe Shahed Nalla, der
ebenfalls an der Arbeit beteiligt war. Der Körper der
Australopithecinenfrau war also auch für das Klettern in Bäumen gut
geeignet. Lee Berger resümiert lapidar: "Issa ging ähnlich wie ein
Mensch, aber konnte klettern wie ein Affe."
Die "Zwischenform" zwischen Menschenaffe und Mensch kann also etwas
besser eingeordnet werden – obwohl freilich viele Fragen offen bleiben.
War Australopithecus sediba ein direkter Vorfahre der modernen Menschen?
Immerhin gibt es aus dieser Zeit auch etwa Funde aus Ostafrika, die
bereits der Gattung Homo zugeordnet werden. (sic.)
Ich finde etwas, aus
welchem ich mein Handeln zusammensetze; in diesem liege ich selbst, also
hier wird Tätigkeit gefunden. Diese Tätigkeit ist eine zurückgehaltene
Tätigkeit, und davon bekommt sie den Charakter des Seins. So etwas ist
aber ein Trieb, ein sich selbst produzierendes Streben, das im Innern
dessen, dem es zugehört, gegründet ist (vide com-pendio, p. 282),
es ist Tätigkeit, die kein Handeln ist, etwas Anhaltendes, die ideale
Tätigkeit Bestimmendes, eine innere fortdauernde Tendenz, den Widerstand
zu entfernen (wie die Tendenz einer gedrückten Feder). / Mit
dem Setzen eines Triebes muss notwendig etwas die Tätigkeit
Verhinderndes gesetzt werden. Denn im Triebe liegt die Notwendigkeit des
Handelns; da er aber kein Handeln wird, sondern ein Trieb bleibt, so
muss der Grund davon in einem andren liegen. Man kann sagen, der
Grund des Triebes liegt im Subjekte, inwiefern der Grund zu einer
Tätigkeit im Subjekte liegt. Aber er liegt nicht drin, in sofern er
nicht Tätigkeit, sondern Trieb ist, und dadurch, dass etwas
Verhinderndes da ist, wird eben die Tätigkeit aufge-hoben. Wir kommen
sonach aus diesem Wechselverhältnis nicht hinaus. _______________________________________________________________________J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo,S. 66f.
Nota. - Trieb hat hier keinerlei biologische Konnotation. Insbesondere hat er mit einem pp. Unbewussten nichts zu tun; er ist im Gegenteil eine nähere Bestimmung des reinen Wollens, das die gewissermaßen materiale Bedingung allen Bewusstseins und aller Vernunft ist.
JE
Nota - Das
obige Bild gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie
der Eigentümer sind und ihre Verwendung an dieser Stelle nicht
wünschen, bitte ich um Ihre Nachricht auf diesem Blog.JE
Es geht in der Philosophie nicht um Begriffeund deren handlichste Definition, sondern um das materiale Vorstellen selbst.
Dem Begriff nach kommt die Unbestimmtheit vor der Be-stimmung. Woher die
Bestimmung aber kommt, wird gar nicht gefragt. Doch die Intelli-genz, die
in einer Reihe vernünftiger Wesenzur Welt gekommen ist, trifft zuerst allent-halben auf schon (von Andern) Bestimmtes.
Unbestimmtheit ist das, was sie zuerst nicht kennt, darum erscheint sie
ihr, wo sie ihr be-gegnet, von vornherein als zu überwindender Mangel:
als ein zu-Bestimmendes. Als was sie zu bestimmen ist, weiß sie nicht, aber dass. Das Was schwebt ihr als Möglichkeit vor.
Kann ein künstliches System lernen, Musik zu interpretieren?
Der Linzer
Informatiker Gerhard Widmer widmet sich seit vielen Jahren dieser Frage.
Bei der Falling-Walls-Konferenz in Berlin wurde er dafür ausgezeichnet
von Alois Pumhösel
Musizieren lernen heißt üben. Fingerfertigkeit, Atemtechnik und
andere Fähigkeiten müssen möglichst perfekt koordiniert sein. Doch die
technische Meisterschaft ist letztendlich nur die Basis, auf der das
eigentlich erstaunliche Phänomen der Musik aufbaut: Die von Hand
organisierten Tonsignale treten in eine erstaunliche Verbindung mit der
Gefühlswelt eines Menschen.
Musik passt zu einer Stimmung oder kann sie verändern. Sie kann
motivierend oder euphorisierend wirken, sie kann aber auch zum
Resonanzraum für traurige oder schmerzvolle Stimmungen werden. Die
Kunstform ist ein einzigartiges Werkzeug der Menschen, Emotionen
auszudrücken und zu kommunizieren.
Das Geheimnis der Emotion
Musikwissenschafter und
Kognitionsforscher zerbrechen sich den Kopf darüber, wie das Gehirn
diese Kommunikation organisiert. Auch Gerhard Widmer möchte auf seine
Weise dem Geheimnis der Emotion in der Musik auf die Spur kommen. Der
Leiter des Instituts für Computational Perception der
Johannes-Kepler-Universität Linz arbeitet mit seinem Team daran,
Computern diese Fähigkeit zum musikalischen Ausdruck beizubringen.
Die Systeme sollen individuelle Interpretationen von Musikern
erkennen und auch selbst ausdrucksvoll spielen lernen – und damit jene
Tempoverläufe oder Betonungen, die nicht auf dem Notenblatt abgebildet
sind, berücksichtigen.
Letztendlich sollen jene Muster und Strukturen in der
Musikdarbietung, in der die transportierte Emotion kodiert ist,
entschlüsselt werden. "Die Frage, die ich bereits seit einigen
Jahrzehnten zu beantworten versuche, ist: Kann ein Computer lernen,
Musik zu interpretieren?", resümiert Widmer, der auch selbst ein
ausgezeichneter Pianist ist.
Klavierduett mit Computer
Die Forschungen von Widmer,
der bereits 2009 den Wittgensteinpreis von Wissenschaftsministerium und
Wissenschaftsfonds FWF verliehen bekam, wurden kürzlich bei der
Falling-Walls-Konferenz in Berlin zum "wissenschaftlichen Durchbruch des
Jahres 2021" gekürt.
Bei der Preisverleihung stellte er ein Ergebnis seiner Arbeit aus dem
ERC-Projekt "Con Espressione" vor: ein Computersystem, das gemeinsam
mit einem menschlichen Pianisten ein Stück von Johannes Brahms am
Klavier spielt – und sich dabei an das ausdrucksvolle Spiel des Menschen
anzupassen vermag, sich mit ihm synchronisiert.
Spielen Menschen gemeinsam Musik, läuft ein komplexer
Koordinationsvorgang ab. Körpersprache, Gehör und Erfahrungen aus
früherem Zusammenspiel helfen bei der Synchronisation des Ausdrucks. Dem
Computer fehlen diese Möglichkeiten. Er muss mit seinen Fähigkeiten, in
hoher Geschwindigkeit große Datenmengen zu analysieren, auskommen.
Verortung im Musikstück
"Die erste Schwierigkeit für das
System ist, immer zu wissen, wo man sich gerade im Notentext befindet –
auch wenn der menschliche Spieler Fehler macht. Für erfahrene
Musikerinnen scheint das einfach, aber algorithmisch sind solche
Unwägbarkeiten durchaus eine Herausforderung", sagt Widmer.
Funktioniert die Verortung im Musikstück, kann darauf das
ausdrucksvolle Spiel – und Zusammenspiel – aufsetzen. "Der Rechner muss
seine eigenen Interpretationsentscheidungen treffen – auf Basis eines
Interpretationsmodells, das ein Künstliche-Intelligenz-System (KI) durch
eine Vielzahl an Trainings gelernt hat", erklärt Widmer.
Ton für Ton-Analyse
Dieses Modell, das die Linzer
Informatiker nutzen, ist maßgeblich vom Musikstil eines Pianisten
geprägt – von Nikita Magaloff. Der mittlerweile verstorbene russische
Musiker hat bereits in den 1980ern die gesamten Klavierwerke Chopins auf
einem Computerflügel eingespielt. Auf Basis dieser Daten, die Widmer
und sein Team verwenden dürfen, konnte das KI-System jene Muster lernen,
die einem ausdrucksvollen Spiel zugrunde liegen.
Im Spiel mit einem menschlichen Partner analysiert das System Ton für
Ton die individuelle Spielart des Partners und entwickelt in Echtzeit
ein Prognosemodell, das sowohl auf dem Training anhand der
Magaloff-Daten als auch auf dem aktuellen Input fußt. Dessen Umsetzung
entspricht im besten Fall dann auch in Timing, Tempo und Betonungen
jenen des menschlichen Partners.
Widmer betont, dass ein System auf dieser Basis niemals "echtes
Zusammenspiel", wie es zwischen Menschen möglich ist, ersetzen kann. Ihm
geht es nicht darum, eine KI zum Konzertpianisten zu machen. Der
künstliche Duettpartner ist lediglich ein Demonstrationsbeispiel, die
seine Grundlagenforschung veranschaulicht.
330.000 Chopin-Noten
Das dahinterstehende
Interpretationsmodell auf Basis der Magaloff-Daten zu schaffen war eine
komplexe und langwierige Aufgabe, schildert Widmer. "In mühsamer
Kleinarbeit mussten 330.000 am Computerflügel eingespielte Noten im
Notentext identifiziert und mit der digitalen Version in Beziehung
gesetzt werden. Wir haben allein daran etwa zwei Jahre gearbeitet."
Dabei wurden übrigens auch alle Fehler, die der Pianist beim Einspielen
gemacht hat, registriert.
Das KI-Modell, das anhand dieser Daten trainiert wurde, kann nun auf
weitere Notentexte angewandt werden und zu diesen musikalische
Interpretationen generieren. Das Ergebnis klingt manchmal gut, manchmal
auch weniger, sagt Widmer: "Das System lernt grundlegend, wie man
Phrasen strukturieren muss. Wir sind glücklich, wenn es musikalisch
klingt und keine großen Schnitzer darin sind. Vom originalen Ausdruck
Magaloffs ist es natürlich weit entfernt." Doch immerhin: Bei bestimmten
ausgewählten Passagen konnte ein Auditorium nicht unterscheiden, ob das
Gebotene nun von einem Menschen oder einer KI stammt.
Ausdrucksvolle Darbietung
Die Interpretationsfähigkeiten der
KI-Systeme sollen in Zukunft noch maßgeblich verbessert werden. Die
Forschung von Widmer und Kollegen wird sich noch stärker auf jene
Strukturen richten, die für eine ausdrucksvolle Darbietung relevant
sind. "Menschen, die Musik spielen oder hören, konzentrieren sich
weniger auf einzelne Noten als auf Gruppierungen, musikalische Phrasen,
die in bestimmter Weise betont sind – ähnlich wie beim Verstehen eines
Textes, den man nicht nur als Ansammlung von Buchstaben versteht",
skizziert Widmer.
Diese Wahrnehmung zusammengehörender Abschnitte, die ein Musikstück
strukturieren, soll auch dem Computer beigebracht werden. Schafft man
es, diese Art einer "Grammatik der Musik" in Algorithmen abzubilden,
wäre man dem Ziel einer wahrhaft musikalischen KI einen großen Schritt
näher, ist Widmer überzeugt.
Wenn die Zeit zugleich vorwärts und rückwärts fließt
Physiker der Uni Wien zeigen: Quantensysteme können sich gleichzeitig entlang zweier entgegengesetzter Zeitpfeile entwickeln
Was für die makroskopischen Welt mit seinen klassischen physikalischen Gesetzten selbst-verständlich scheint, muss nicht automatisch auch in der Quantenwelt
gelten – etwa, dass die Zeit nur in eine Richtung fließt: Ein
Physikerteam der Universität Wien und hat nun gemeinsam mit Kollegen
gezeigt, dass sich Quantensysteme gleichzeitig entlang zweier
entgegengesetzter Zeitpfeile entwickeln können.
Die scheinbare
Gewissheit, dass sich die Zeit vorwärts bewegt, ergibt sich aus der
Tatsache, dass die meisten makroskopischen physikalischen Phänomene
immer nur in einer Richtung ablaufen können. Nehmen wir zum Beispiel die
Abfolge unserer morgendlichen Routine: Würde man uns zeigen, wie unsere
Zahnpasta von der Zahnbürste zurück in die Tube wandert, wüssten wir
zweifelsfrei, dass man uns gerade eine Aufzeichnung unseres Tages im
Rücklauf zeigt.
Unordnung und Zeitpfeil
In der Physik ist diese Neigung bestimmter Phänomene, sich nur in eine Richtung zu entwickeln, mit der Erzeugung von Entropie
verbunden, einer physikalischen Größe, die umgangssprachlich den Grad
der Unordnung in einem System definiert. In der Natur neigen Prozesse
dazu, sich spontan von Zuständen mit weniger Unordnung zu Zuständen mit
mehr Unordnung zu entwickeln. Diese Tendenz kann zur Identifizierung
eines Zeitpfeils verwendet werden. Wenn also ein Phänomen eine große
Menge an Entropie erzeugt, ist die Beobachtung seiner zeitlichen
Umkehrung so unwahrscheinlich, dass sie praktisch unmöglich ist.
Wenn die erzeugte Entropie jedoch klein genug ist, besteht eine nicht
zu vernachlässigende Wahrscheinlichkeit, dass die Zeitumkehr eines
Phänomens auf natürliche Weise erfolgt. Denken wir an das Beispiel mit
der Zahnpasta zurück: Wenn wir die Tube nur leicht zusammendrücken und
nur ein sehr kleiner Teil der Zahnpasta herauskommt, wäre es gar nicht
so unwahrscheinlich, dass diese durch die Dekompression der Tube wieder
in diese zurück gesaugt wird. Wird die Tube hingegen stärker
zusammengedrückt, breitet sich die Zahnpasta unumkehrbar aus, so dass
man sich sehr viel mehr anstrengen muss, um die gesamte Zahnpasta wieder
in die Tube zu bekommen.
Ein Gondoliere ist in einer Quantenüberlagerung von Zeitflüssen
gefangen. Eine aktuelle Studie zeigt, dass sich Quantensysteme simultan
in zwei – auch entgegengesetzte – Richtungen entwickeln können.
Wie Zeit im Quantenbereich fließt
Ein Team der Universität
Wien und des Instituts für Quantenoptik und Quanteninformation der
Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) unter Leitung von
Časlav Brukner sowie KollegInnen aus Bristol und den Balearen hat diese
Idee auf den Quantenbereich angewandt. Die Forschenden versuchten,
dadurch ein tieferes Verständnis dafür zu erlangen, wie Zeit in diesem
Regime fließt.
Eine der Besonderheiten der Quantenwelt ist das Prinzip der
Quantensuperposition, das besagt, dass, wenn zwei Zustände eines
Quantensystems möglich sind, dieses System auch in beiden Zuständen
zugleich sein kann. Blickt man auf das System zurück, das sich in die
eine oder andere zeitliche Richtung entwickelt (die Zahnpasta, die aus
der Tube kommt oder wieder in die Tube zurückwandert), so folgt daraus,
dass sich Quantensysteme auch zugleich in beide zeitliche Richtungen
entwickeln können.
Wahrscheinlichkeit
Obwohl dieser Gedanke in Bezug auf unsere
alltägliche Erfahrung eher unsinnig erscheint, beruhen die Gesetze des
Universums auf ihrer grundlegendsten Ebene auf quantenmechanischen
Prinzipien. Dies wirft die Frage auf, warum wir in der Natur nie auf
solche Überlagerungen von Zeitflüssen stoßen.
"In unserer Arbeit haben wir die Entropie quantifiziert, die von
einem System erzeugt wird, das sich in Quantensuperposition von
Prozessen mit entgegengesetzten Zeitpfeilen entwickelt", sagt Gonzalo
Manzano, Koautor der im Fachjournal "Communications Physics" erschienenen Studie.
"Wir fanden heraus, dass dies meist dazu führt, dass das System auf
eine genau definierte Zeitrichtung projiziert wird, die dem
wahrscheinlichsten Prozess der beiden Prozesse entspricht."
Komplexe Zeitgesetze
Und doch kann man, wenn Entropie nur in
geringem Ausmaß im Spiel ist, physikalisch beobachten, welche Folgen es
hat, wenn sich das System gleichzeitig in der Vorwärts- und in der
Rückwärtsrichtung der Zeit entwickelt. Wie Giulia Rubino, Hauptautorin
der Veröffentlichung, betont, "wird die Zeit zwar oft als kontinuierlich
zunehmender Parameter behandelt, doch unsere Studie zeigt, dass die
Gesetze, die den Zeitfluss in quantenmechanischen Zusammenhängen regeln,
viel komplexer sind." Dies könnte darauf hindeuten, dass man die Art
und Weise, wie diese Größe dort dargestellt wird, wo Quantengesetze eine
entscheidende Rolle spielen, überdenken müssen. (red.)
Nota. - Das ist ein semantischer Trick. Was ein lebender Mensch unter Zeit versteht, ist bestimmt von seiner Gewissheit, dass wir sterben werden. Erst danach ist Platz für ir-gendwelche Fragen.
Augustinus sagte, solange ihn keiner danach frage, wisse er genau, was die Zeit ist; doch wenn ers sagen solle, fände er keine Worte. Es ist nämlich so, dass die Zeit eine erlebte Selbstverständlichkeit ist. Ein Existenzial: Wenn dieses Wort irgendwo am Platz ist, dann hier.
Erleben ist ein Verb: ein Zeit wort. Diskurs ist ein Nomen: ein Begriff. Sobald ein Erlebtes in einen Diskurs gepasst wird, sind die kuriosesten Verwicklungen möglich. Denken Sie nur, was mit dem Lieben - ein anderes Existenzial - passieren kann, sobald einer es zu definieren beginnt!
Was im Mikrokosmos geschieht oder unter Laborbedingungen herbeigeführt wird, kann keiner erleben, es ist das Gegenteil von einem Existenzial, es ist ein Artificialissimum. Die Verwendung der Umgangsvokabel Zeit für den Ereignisverlauf zwischen Ordnung und Unordnung im Quantenbereich ist vom Standpunkt des gesunden Menschenverstands unerlaubt.
Der gesunde Menschenstand ist Vernunft im Alltagsformat. Vernunft im Format des wis-senschaftlichen Labors mögen die Forscher in Begriffe packen, die sie nennen mögen, wie es am besten passt. Die Wörter des Alltags passen manchmal ganz und gar nicht.
JE
Nota. Das
obige Bild gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie
der Eigentümer sind und seine Verwendung an dieser Stelle nicht
wünschen, bitte ich um Nachricht auf diesem Blog.JE
Wie ein Gesicht wirkt, liegt im Auge des Betrachters
Der
erste Eindruck, den ein Gesicht hinterlässt, fällt individuell äußerst
unterschiedlich aus. Die geografische Herkunft hat darauf nur wenig
Einfluss.
Beim
ersten Eindruck spielen die individuellen Eigenheiten der Betrachter
eine größere Rolle als ihre geografische Heimat. Das ergab eine Analyse
von Daten aus 57 Ländern, die ein Team um den Psychologen Neil Hester
von der McGill University in »Psychological Science« veröffentlicht hat.
Das Team
hatte Daten von mehr als 11 000 Menschen vorliegen – insgesamt
2,5 Millionen Urteile, die aus einer internationalen Zusammenarbeit von
117 Forschungslaboren stammten. Die mehrheitlich studentischen
Versuchspersonen kamen aus 45 Ländern unter anderem in Afrika und
Südostasien, Nord-, Süd- und Mittelamerika, West- und Osteuropa,
Großbritannien und Skandinavien. Alle bekamen 120 Porträtfotos vorgelegt
und sollten angeben, wie die Gesichter auf sie wirkten: attraktiv,
intelligent, vertrauenswürdig? 13 Eigenschaften gab es zu bewerten,
jedes Bild zweimal.
Im Mittel über alle Eigenschaften ließen sich
die Unterschiede in den Urteilen zu knapp 20 Prozent allein auf
individuelle Unterschiede zwischen den Betrachtern zurückführen.
16 Prozent gingen auf das Konto der objektiven Merkmale des Gesichts.
Dazu gab es Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Einflüssen. Der
Einfluss von Heimatland und -region (wie Westeuropa) machten zusammen
nur rund 3 Prozent aus. Ob auf den Bildern Männer oder Frauen, Schwarze
oder Weiße, Latinos oder Asiaten zu sehen waren, änderte nichts: Auch
für Urteile über Gesichter von Subgruppen spielten Herkunftsland oder
-region keine große Rolle.
Eine weitere Erhebung mit rund 7000 Probandinnen und
Probanden aus 41 Ländern bestätigte das Ergebnis. Diesmal waren
100 Gesichter zu bewerten, teils zu den genannten Merkmalen, teils zu
anderen wie Freundlichkeit und Wärme. Die Urteile hingen hier noch
deutlicher von den Betrachtern ab, während Einflüsse des Herkunftslandes
wiederum weniger als fünf Prozent ausmachten.
Die
Versuchspersonen waren zwar überwiegend Studierende; deshalb habe die
Stichprobe womöglich Teile der kulturellen Unterschiede nicht
abgebildet, räumen die Autoren ein. Sie halten es dennoch für
unwahrscheinlich, dass auf diese Weise größere kulturelle Effekte
überdeckt wurden. Was die Studie allerdings nicht erfasst habe, seien
regionale Unterschiede innerhalb eines Landes sowie kulturelle Merkmale,
die sich nicht in der Nationalität spiegelten.