Sonntag, 17. November 2019

Töne hören und Töne unterscheiden.

aus spektrum.de, 13. 11. 2019                                                                                                   zu Jochen Ebmeiers Realien

Weißes Rauschen
Warum ein bestimmtes Geräusch unser Gehör schärft
Forscher haben untersucht, wie unser Gehirn zwischen wichtigen und weniger wichtigen Tönen unterscheidet. Dabei fanden sie heraus, dass ein konstantes Geräusch das Hören verbessert.

von Karin Schlott

Wer nicht gut hört, merkt das vor allem dann, wenn er oder sie sich unter vielen Menschen befindet. Es gibt ein Stimmengewirr, vielleicht läuft noch Musik im Hintergrund und das Gehör, genauer gesagt das Gehirn, kann die verschiedenen Töne nicht mehr auseinanderhalten. Doch nicht jede Art von Hintergrundgeräusch hat offenbar diesen Effekt. Wie Biomediziner um Tania Rinaldi Barkat von der Universität Basel beschrei- ben, bewirkt das so genannte weiße Rauschen, ein gleich bleibender Geräuschton, dass das Gehirn Töne präziser wahrnehmen kann (Hier gibt es ein Hörbeispiel von weißem Rauschen).

Dazu untersuchten die Forscher mit Hilfe der Optogenetik die Aktivitäten im Gehirn von Mäusen. Sie wollten wissen, wie insbesondere im Hirnareal des auditiven Kortex Töne wahrgenommen und unterschie- den werden. Bekannt ist bereits, dass Töne auf ähnlichen Frequenzen vom Gehirn nur schlecht differen- ziert werden können. Als die Forscher nun ein weißes Rauschen hinzuschalteten, kehrte sich dieser Effekt jedoch ins Gegenteil um. Das Mäusegehör war in der Lage, Töne besser zu unterscheiden. Dazu verhalf aber offenbar nicht eine erhöhte Aktivität der Nervenzellen, sondern das genaue Gegenteil:

Das weiße Rauschen unterdrückte neuronale Aktivitäten im auditiven Kortex. »Wir haben festgestellt, dass es bei zwei getrennten Tondarstellungen zu weniger Überschneidungen zwischen den verschiedenen Neuro- nenpopulationen kommt«, erklärt die Biomedizinerin Tania Rinaldi Barkat. »Daher führte die allgemeine Reduktion der neuronalen Aktivität zu einer deutlicheren Tondarstellung.« Ihre Ergebnisse haben die Basler Forscher in einer Studie in »Cell Reports« veröffentlicht.

Die Effekte des weißen Rauschens werden schon länger erforscht. So fanden Pharmakologen heraus, dass sich Menschen mit ADHS besser konzentrieren können, wenn sie weißem Rauschen lauschen.


Nota. - Es handelt sich ja wohl um eine Variante des Figur-Grund-Prinzips: Dieses ist das andere des An- dern.

Beim Hören analoger Vinylplatten bemerkt man oft erst in den Pausen das Rauschen, das hinter der Musik gar nicht zu hören war. Gehört hat man tatsächlich die ganze Gestalt. Auf digitalen CD-Aufnahmen im Studio gibt es kein Rauschen mehr, es wurde hinweggesäubert. Zuerst waren wir alle hingerissen von der plötzlichen Durchhörbarkeit der Musik (Ich bin Brahms-Schwärmer), aber inzwischen kommt Vinyl wieder zu Ehren, weil es einem vorkommt, dass digital 'was fehlt'. Das wird wenigstens zum Teil das Hintergrund- rauschen sein, aus dem die Musik hervor tritt. Denn in der Wirklichkeit kommt es nie vor, dass irgendwas ohne Hintergrund hörbar ist; auch nicht - oder schon gar nicht - im Konzertsaal.

Genausowenig, wie irgend eine Figur ohne ihren Grund sichtbar ist; und das lässt sich auch digital nicht erkünsteln, denn wenn schon keine Farbe, so hat jede Fläche doch wenigstens diesen oder jenen Hellig- keitswert. 

So kann nur wahrgenommen werden, was sich aus einer Fülle von gleich-Gültigem als dessen Störung er- hebt; was in einem Meer von Selbstverständlichkeit einer Erklärung bedarf, weil es zwischen all dem an- dern fragwürdig ist. 
JE



 

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