Mittwoch, 13. Mai 2020

Einbildungskraft ist Bestimmen in der Schwebe.

 

Auf diesem Suchbild ist ein Frosch zu erkennen                                              aus Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik

... es ist wie mit dem Denken des unendlichen Raumes. Hierbei ist die Schwierigkeit: Wie soll ich zur Erkennt-nis der Form kommen, wenn ich sie nicht in etwas Bestimmten schon realisiert gefunden habe? (Gewöhnlich hebt man von bloßer Abstraktion an in der gewöhn-lichen Formularphilosophie.) Wie ist Abstraktion möglich ohne vorausgegengenes Konkre-te[s]? - 

Dies wird angewandt aufs Selbstbestimmen - gerade dadurch ists möglich, dass die Selbst-bestimmung durch die das unendliche Mannigfaltige auffassende Einbildungskraft hindurch erblickt wird, welche hier die Vermittelnde ist; so werfe ich beim Linienziehen die Linie durch die unendlichen Punkte hindurch. 

Wie uns zumute ist, wenn wir zweifeln oder wählen, ist jedem bekannt; also der Begriff vom Vermögen, zu wollen, liegt drin, es wird aber nicht gewollt; aber wie wird denn nun ein Be-griff der Art möglich? Dadurch, dass man / sich in der Deliberation nicht auf eins beschränkt; dies muss man nur transzendental verstehen, die Vorstellung soll nicht als vorausgesetzt an-genommen werden. Es ist allenthalben in der ganzen Sphäre, in der die Einbildungskraft läuft, ein quasi Bestimmen, das immer von einem zum anderen übergehet; es ist eine Be-stimmtheit und Unbestimmtheit vereinigt. Hier sehen wir, wie der Begriff der Bestimmtheit überhaupt erst entsteht.
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J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 198 2, S. 204f.

 

Nota I. - Im sich-selbst-Bestimmen kreist die Einbildungskraft gewissermaßen um sich selbst: Sie schwebt. Nichts anderes als dieses Schweben ist das 'Ich'.
27. 6. 15 

Nota II. - Bei Nota I war ich noch neu im philologischen Geschäft und erlaubte mir, beim Verstehen stürmischer vorzugehen als F. beim Darstellen. Mein Satz war ganz richtig, aber noch ein bisschen früh. Denn ein Wirkliches 'ist' das Ich nicht und wird es nicht. 'Das Ich' ist ein Noumenon, eine bloße Denkfigur, um der lebenden Person, die allein wirklich ist, einen intelligiblen Sinn beizumessen. Das Tätigkeitsmerkmal dieser Denkfigur - denn dass sie tätig ist, ist Voraussetzung von Allem - ist Einbildung; als wirkliche aufgefasst: Vorstel-lung. 

Die wirklich lebenden und handelnden Personen entwickeln Vorstellungen, die sie - so ist es wirklich, man kann es beobachten, und von diesem Faktum geht die Wissenschaftslehre aus - forstschreitend bestimmen: davon berichtet die Wissenschaftslehre.

Zurück zu Nota I: Wer sich das noumenale Ich vorzustellen versucht, findet es allerdings... schwebend. 

Das Ich 'bildet sich ein': Es schwebt. Das Ich bildet sich etwas ein: Es bestimmt.
JE, 13. 5. 20


 

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