Montag, 11. Mai 2020

Rembrandts Spätstil.


 Staalmeesters, die Vorsteher der Tuchmacherzunft, 1662                                                                                              zu Geschmackssachen

Kommentar zu einem Bericht der Neuen Zürcher vom 20. 12. 2014 über eine Austellung in London.   

Ich bin kein Rembrandt-Vergötzer, das wissen Sie. Dass er mit seinen Porträts in fast unheimlicher Weise der Beste ist, habe ich auch gesagt und muss es nicht zurücknehmen. Und wenn der rauhe und zugleich intimisti-sche (weil nicht auf das Publikum schielende) Zug des Spätwerks auch wirklich eine neue Note hineinbingt - ich mag auch von dem andern, das ich auch noch schrieb, immer nichts zurücknehmen:

"Damit es nicht übersehen oder als bloßer Coup de chapeau abgetan wird, diesmal gleich am Anfang: Unter der Porträtisten (denen, von denen ich was kenne) ist Rembrandt uneingeholte Spitze. Kein Sujet ist so einzig und untypisch wie ein Menschengesicht - und zwar durch alle 'Rollen' hindurch. Das muss der Maler gesehen haben, bevor er den Pinsel führt. Das ist Kunst.
 
Berühmt ist Rembrandt aber als Hell-Dunkel-Maler, und das habe ich nie verstanden, und seit er immer wieder mit Caravaggio verglichen wird, schon gar nicht. Bei Caravaggio waren Licht und Schatten zu allererst ein Mit-tel zur naturalistischen Wendung gegen den gezierten Manierismus seiner Zeit. Seine Gegenstände - Menschen wie Dinge - waren nicht nur volkstümlich; sie gewannen durch Licht und Schatten Profil und Plastizität, sie wurden wieder lebendig und echt. Und das Licht erlaubte ihm, die von den Manieristen verschmähte Perspektive triumphal wiederherzustellen, und zwar nicht einfach durch Linien und Winkel, sondern indem er die Räume durch Licht und Schatten aufbaute: Sie konnten jetzt tief werden. Er hat die abendländische Malerei revolutio-niert wie keine andere Einzelperson; für ein halbes Jahrhundert gab es nur noch Caravaggisten.

Nichts davon bei Rembrandt. Bei ihm dienen Hell-Dunkel gerademal dem Bildaufbau.* Tiefe des Raumes? Ach, alles flach. Auch und gerade die Menschen sind flach! Was bei den Porträts nicht stört und nichteinmal auffällt, nimmt seinen szenischen Darstellungen alles Leben und - ja, das Wort muss gesagt werden - allen Ausdruck. Während die zeitgenössischen holländischen Landschaftsmaler die Linearperspektive durch Luft- und Farbperspektive ersetzten, um die Aufmerksamkeit von den Gegenständen abzuziehen und auf die ästhe-tische Gesamterscheinung zu lenkenverbannt Rembrandt die Perspektive gerade dort, wo sie immer hinge-hören wird - aus der Darstellung des wirklichen Lebens.

Ja ja, das ist sehr schematisch gesagt und man könnte es auch feinsinniger formulieren, aber dann würde es im allgemeinen Lobgesang untergehen." 

*) Und als optischer Effekt.

20. 12. 14
Selbstporträt mit Kreisen, 1665-69


Junges Mädchen am Fenster, 1645


Frau badet im Bach, 16


Titus am Schreibtisch


Frau mit Straußenfeder


Die Verschwörung der Bataver unter Claudius Civilis .


  Die Anatomie des Dr. Joan Deyman, 1656

Rembrandt – The Late Works. National Gallery, London. Bis 18. Januar 2015. Anschliessend im Rijksmuseum Amsterdam. Katalog £ 19.95.

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