W. Busch aus
Unter dem Stichwort Geschmackszentrum erfolgreich ausgetrickst berichteten manche Medien dieser Tage über die Forschungen von Thierry Thomas-Danguin vom Centre des Sciences du Goût de l’Alimentation in Dijon. Dies hier aus scinexx:
...Die
Wissenschaftler untersuchten, wie bestimmte Aromastoffe unseren
geschmacklichen Eindruck von einem Nahrungsmittel manipulieren können.
In einem Experiment ließen sie Probanden dafür Vanillepudding probieren,
der aus unterschiedlichen Schichten mit variie-rendem Salzgehalt und
zugesetzten Aromen bestand. Denn auch in Süßspeisen sorgt eine Prise
Salz für einen intensiveren Geschmack.
Dabei
zeigte sich, dass Schinkenaroma die Creme offenbar salziger machte,
obwohl der Aromastoff selbst gar kein Salz enthielt. Tatsächlich hielten
manche Testesser eine Pudding-variation sogar für geschmacklich
identisch mit einer traditionell hergestellten Creme, in der 40 Prozent
mehr Salz verarbeitet worden war. Eine andere Mischung von Aromastoffen
be-einflusste in einem weiteren Versuch mit Käse sowohl die Salz- als
auch die Fettwahrneh-mung der Teilnehmer.
Für
das Team war damit klar: Mithilfe von Aromen lässt sich das menschliche
Gehirn leicht austricksen. Bestimmte aromatische Bestandteile können
demnach einen Mangel an Salz, Zucker oder Fett geschmacklich
kompensieren. Doch welche Aromastoffe sind im Detail nötig, um einen
fehlenden Geschmack möglichst gut zu ersetzen?
Um
das herauszufinden, entwickelten die Forscher einen speziellen
Gaschromatographen. Dieser ist in der Lage, einzelne Aromamoleküle aus
Lebensmitteln zu isolieren. Auf diese Weise konnten Thomas-Danguin und
seine Kollegen zum Beispiel untersuchen, welche Komponenten zum süßen
Geschmack eines Fruchtsaftes beitragen. Dafür konfrontierten sie
Probanden zunächst mit dem vollen Aroma eines Saftes. Anschließend
leiteten sie die isolierten Aromabestandteile einzeln in die Nase der
Versuchsteilnehmer und fragten sie, ob das jeweilige Aroma zur
wahrgenommenen Süße beitrage. ...
*
Es irritiert, dass sowohl die vulgären
Freuden und Leiden unseres Gaumens als auch die sublimsten Leistungen
unserer ästhetischen Urteilskraft unterm Namen Geschmack in einen Topf geworfen werden: hier das grob Sinnliche, da das Höchstgeistige!
Und umgekehrt: Über Geschmack lasse sich
nicht streiten, heißt es, wenn es um die Schönheiten der Kunst und der
Natur geht, aber bei den Signalen, die von den Reizungen unserer
Geschmacksknospen auf der Zunge an die Nervenzellen in unserm Gehirn
gehen, hat man doch was Handfestes, das ich messen und lokalisieren
kann!
Versuche, das Kunsturteil auf elementare
physiologische Prozesse zurückzuführen, hat es immer wieder mal gegeben.
Das war immer gequält und verrenkt und hat zum Verständnis von Garnix
beigetragen.
In Dijon gingen sie - mit kommerziellem
Hintergedanken - andersrum vor, und heraus kam: So simpel wie mit
Hunger und Durst, Frieren und Schwitzen ist es mit dem Schmecken im Mund
ja gar nicht. Auch da kann man sich täuschen und kann sich allerhand einbilden! Das allerunterste Erkenntnisvermögen, wie Alexander Gottlieb Baumgarten
meinte, ist der Ge-schmack ja wohl doch nicht, und der Gourmet hat mit
dem sophistiziertesten Kunstrichter mehr gemein, als jener wahrhaben
mag.
JE 7. 9. 16
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