aus Badische Zeitung, 27. November 2020 Georg Scholz, Selbstbildnis vor Litfaßsäule
Waldkirch "entdeckte" Maler Scholz zu Geschmackssachen
Von
Wolfram Wette
Georg Scholz – ein Waldkircher Maler? Und kurze Zeit war er auch
Bürgermeister. Heute vor 75 Jahren, am 27. November 1945, starb Scholz,
nur 55 Jahre alt, im Amt. In den zehn Jahren, die er hier lebte
(1935-1945), war er nur wenigen Waldkirchern bekannt. Er selbst hatte
das so gewollt: Von den Nazis als "entartet" diffamiert und aus der
Kunstakademie Karlsruhe entlassen, fand er in Waldkirch durch
Vermittlung seines Schülers Manfred A. Schmid eine bezahlbare Wohnung,
einen Unterschlupf. Er vermied es nach Kräften, öffentlich wahrgenommen
zu werden.
Badische Kleinstadt bei Tag
Ursache dafür war die Angst vor der Geheimen Staatspolizei (Gestapo).
Wobei er auch in seiner neuen "Oase" Waldkirch nicht vor "Besuchen" und
Verhören durch die Gestapo verschont blieb. Der sensible Künstler wurde
ein schreckhafter Mensch. Nach Ende des Kriegs wurde der Anti-Nazi
Scholz durch Entscheidung der französischen Besatzungsmacht im Oktober
1945 Bürgermeister in Waldkirch. Schon nach 40 Tagen im Amt erlag er
einem Herzinfarkt – wohl eine Spätfolge der Verfolgung im Dritten Reich.
Industriebauern
Scholz, 1890 in Wolfenbüttel geboren, und seit 1925 Professor an der
Landeskunstschule Karlsruhe, wurde dort gleich 1933 von den Nazis
entlassen und somit quasi um seine Existenz gebracht.

Dieses Scholz-Bild, Fleisch und Eisen aus dem Folkwang-Museum in Essen, gilt schon seit dem Jahr 1928 als verschollen.
Nach seinem Tod im November 1945 vergingen Jahrzehnte, bis sich einzelne
Bürger wieder daran erinnerten, dass hier einmal ein Maler namens Georg
Scholz lebte. Maßgeblicher Anstoß war wohl eine Ausstellung in
Karlsruhe 1975 über den Maler Scholz und seinen Beitrag zur Diskussion
realistischer Kunst; die BZ berichtete damals im Lokalteil darüber. Es
folgten Ausstellungen in Wien (1977), London (1978/79), Paris (1979),
Chicago und Minneapolis (beide 1980).
Blick auf verschneite Gärten, 1933
Angepackt hat hier das Thema der 1983 zum Waldkircher Bürgermeister
gewählte Richard Leibinger, ein kunstsinniger Kommunalpolitiker – eine
nicht häufige Kombination. Er war schon zu Schulzeiten mit der "Neuen
Sachlichkeit" bekannt worden (siehe Interview unten). Daher erfasste er
gleich die künstlerische Bedeutung von Scholz und machte es sich fortan
zur Aufgabe, den Maler, sein Werk und sein politisches Engagement als
eine "Perle Waldkirchs" zu präsentieren. Der Gemeinderat folgte ihm
dabei, nicht immer ohne politische Vorbehalte.
Schon im September 1983 organisierte Leibinger bei der von ihm
initiierten 1. Waldkircher Kulturwoche die erste Ausstellung mit
Arbeiten von Scholz. Prof. Dr. Gerd Presler, ein profunder
Scholz-Kenner, führte dabei aus: "Für 1984 ist eine Ausstellung seiner
Zeichnungen im Guggenheim-Museum New York geplant. Wenn Waldkirch den
bedeutenden Maler und Lithographen nun ehrt, so geschieht das spät, aber
nicht zu spät."
Landschaft bei Berghausen
1984 starteten – wieder angeregt durch Leibinger – die jungen
Waldkircher Künstler Christoph Buhl, Michael Buckler und Ludwig Köhler
eine Initiative für einen Ausstellungsplatz für zeitgenössische Kunst in
Waldkirch. Der entstand in der Merklinstraße 19, einer ehemaligen
Fabrikantenvilla. Die neue städtische Kunstgalerie erhielt 1985 den
Namen "Georg-Scholz-Haus". Auf Initiative des Bürgermeisters
veranstaltete die Stadt zum 100. Geburtstag des Malers 1990 im
Scholz-Haus eine große Ausstellung, vornehmlich mit Werken aus Beständen
der Stadt und Privatbesitz der Familie Scholz. Dies beachtete die
überregionale Presse stark. Die Frankfurter Rundschau etwa bewunderte
die Energie, mit der das kleine Waldkirch Scholz feierte und dass ein
"Akzent gegen das Vergessen sozialkritischer Tendenzen" gesetzt wurde.

Nachdem das Georg-Scholz-Haus überregional bekannt wurde, kam die
Galerie Ende der 1990er-Jahre in eine Krise. Die Gemeinderatsmehrheit
fand, die Finanzen lassen es nicht mehr zu, die Einrichtung in
kommunaler Verwaltung zu belassen. Daher ging die Regie des Hauses 2003
auf das Georg-Scholz-Haus Kunstforum über, eine private Initiative.
Startprojekt war eine gemeinsame Scholz-Ausstellung mit der Stadt. 2004
wieder in New York eine vielbeachtete Ausstellung: "Neue Sachlichkeit –
New Objectivity in Weimar Germany". Georg Scholz war mit fünf Arbeiten
vertreten. Die dortigen Ausstellungsmacher zählten ihn mit Max Beckmann,
George Grosz und anderen zu den wichtigsten Vertretern der Neuen
Sachlichkeit. Seine Werke genießen heute weltweite Wertschätzung, belegt
durch beachtliche Auktionsergebnisse.
Georg Scholz, Arbeit schändet, 1921
Zum 60. Todestag, 2005, veranstalteten Stadt und Scholz Haus Kunstforum
eine beeindruckende Gedenkveranstaltung und zum 125. Geburtstag 2015 das
Elztalmuseum, zum Schluss der Amtszeit Leibingers, eine große
Ausstellung mit dem Oeuvre des Künstlers von den Anfängen bis zum
Spätwerk. In seiner Amtszeit unterstützte Leibinger zahlreiche Projekte,
wissenschaftliche Arbeiten und Publikationen. Inzwischen werden im
Elztalmuseum Arbeiten von Scholz aus dem städtischen Fundus gezeigt.
Ansicht von Grötzingen
2020 wartete das GeorgScholzHaus Kunstforum mit einer besonderen
Attraktion auf: Mit erstklassigen Reproduktionen, die der Fotograf
Roland Krieg aus Waldkirch in monatelanger Arbeit in Kooperation mit
Museen und Galerien in der ganzen Welt herstellte, konnte erstmals das
Gesamtwerk von Scholz gezeigt werden. Diese Form der Kunstpräsentation
verdient überregionale Beachtung, ebenso wie das von Krieg erstellte
Video über diese bemerkenswerte Ausstellung.
aus ebd.:
... Leibinger: Scholz zählt heute zu den
führenden Künstlern des Verismus und der Neuen Sachlichkeit. Er war 1925
maßgeblich an der von Felix Hartlaub in Mannheim begründeten
Stilrichtung der Neuen Sachlichkeit beteiligt. Bis heute ist Georg
Scholz in großen Ausstellungen mit zahlreichen Werken vertreten (zur
Zeit in München). Auch großartige Auktionsergebnisse belegen das große
Ansehen und die Bedeutung von Georg Scholz, auch in der internationalen
Kunstwelt. ...
Nota. - Ich hatte von Georg Scholz immerhin schonmal ein Bild gepostet - ohne mich freilich an den Namen zu erinnern. Er hätte es wirklich nicht verdient, vergessen zu werden.
JE
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