Dienstag, 1. Dezember 2020

Kannten Sie Georg Scholz auch noch nicht?

 aus Badische Zeitung, 27. November 2020                              Georg Scholz, Selbstbildnis vor Litfaßsäule

Waldkirch "entdeckte" Maler Scholz                              zu Geschmackssachen

Von Wolfram Wette

Georg Scholz – ein Waldkircher Maler? Und kurze Zeit war er auch Bürgermeister. Heute vor 75 Jahren, am 27. November 1945, starb Scholz, nur 55 Jahre alt, im Amt. In den zehn Jahren, die er hier lebte (1935-1945), war er nur wenigen Waldkirchern bekannt. Er selbst hatte das so gewollt: Von den Nazis als "entartet" diffamiert und aus der Kunstakademie Karlsruhe entlassen, fand er in Waldkirch durch Vermittlung seines Schülers Manfred A. Schmid eine bezahlbare Wohnung, einen Unterschlupf. Er vermied es nach Kräften, öffentlich wahrgenommen zu werden. 

Badische Kleinstadt bei Tag

Ursache dafür war die Angst vor der Geheimen Staatspolizei (Gestapo). Wobei er auch in seiner neuen "Oase" Waldkirch nicht vor "Besuchen" und Verhören durch die Gestapo verschont blieb. Der sensible Künstler wurde ein schreckhafter Mensch. Nach Ende des Kriegs wurde der Anti-Nazi Scholz durch Entscheidung der französischen Besatzungsmacht im Oktober 1945 Bürgermeister in Waldkirch. Schon nach 40 Tagen im Amt erlag er einem Herzinfarkt – wohl eine Spätfolge der Verfolgung im Dritten Reich.
 
Industriebauern

Scholz, 1890 in Wolfenbüttel geboren, und seit 1925 Professor an der Landeskunstschule Karlsruhe, wurde dort gleich 1933 von den Nazis entlassen und somit quasi um seine Existenz gebracht.
 
https://ais.badische-zeitung.de/piece/0b/d2/61/5b/198336859-h-720.jpg
Dieses Scholz-Bild, Fleisch und Eisen aus dem Folkwang-Museum in Essen, gilt schon seit dem Jahr 1928 als verschollen.
 
Nach seinem Tod im November 1945 vergingen Jahrzehnte, bis sich einzelne Bürger wieder daran erinnerten, dass hier einmal ein Maler namens Georg Scholz lebte. Maßgeblicher Anstoß war wohl eine Ausstellung in Karlsruhe 1975 über den Maler Scholz und seinen Beitrag zur Diskussion realistischer Kunst; die BZ berichtete damals im Lokalteil darüber. Es folgten Ausstellungen in Wien (1977), London (1978/79), Paris (1979), Chicago und Minneapolis (beide 1980). 

Blick auf verschneite Gärten, 1933

Angepackt hat hier das Thema der 1983 zum Waldkircher Bürgermeister gewählte Richard Leibinger, ein kunstsinniger Kommunalpolitiker – eine nicht häufige Kombination. Er war schon zu Schulzeiten mit der "Neuen Sachlichkeit" bekannt worden (siehe Interview unten). Daher erfasste er gleich die künstlerische Bedeutung von Scholz und machte es sich fortan zur Aufgabe, den Maler, sein Werk und sein politisches Engagement als eine "Perle Waldkirchs" zu präsentieren. Der Gemeinderat folgte ihm dabei, nicht immer ohne politische Vorbehalte.


 
Schon im September 1983 organisierte Leibinger bei der von ihm initiierten 1. Waldkircher Kulturwoche die erste Ausstellung mit Arbeiten von Scholz. Prof. Dr. Gerd Presler, ein profunder Scholz-Kenner, führte dabei aus: "Für 1984 ist eine Ausstellung seiner Zeichnungen im Guggenheim-Museum New York geplant. Wenn Waldkirch den bedeutenden Maler und Lithographen nun ehrt, so geschieht das spät, aber nicht zu spät."

 Landschaft bei Berghausen

1984 starteten – wieder angeregt durch Leibinger – die jungen Waldkircher Künstler Christoph Buhl, Michael Buckler und Ludwig Köhler eine Initiative für einen Ausstellungsplatz für zeitgenössische Kunst in Waldkirch. Der entstand in der Merklinstraße 19, einer ehemaligen Fabrikantenvilla. Die neue städtische Kunstgalerie erhielt 1985 den Namen "Georg-Scholz-Haus". Auf Initiative des Bürgermeisters veranstaltete die Stadt zum 100. Geburtstag des Malers 1990 im Scholz-Haus eine große Ausstellung, vornehmlich mit Werken aus Beständen der Stadt und Privatbesitz der Familie Scholz. Dies beachtete die überregionale Presse stark. Die Frankfurter Rundschau etwa bewunderte die Energie, mit der das kleine Waldkirch Scholz feierte und dass ein "Akzent gegen das Vergessen sozialkritischer Tendenzen" gesetzt wurde.
 

Nachdem das Georg-Scholz-Haus überregional bekannt wurde, kam die Galerie Ende der 1990er-Jahre in eine Krise. Die Gemeinderatsmehrheit fand, die Finanzen lassen es nicht mehr zu, die Einrichtung in kommunaler Verwaltung zu belassen. Daher ging die Regie des Hauses 2003 auf das Georg-Scholz-Haus Kunstforum über, eine private Initiative. Startprojekt war eine gemeinsame Scholz-Ausstellung mit der Stadt. 2004 wieder in New York eine vielbeachtete Ausstellung: "Neue Sachlichkeit – New Objectivity in Weimar Germany". Georg Scholz war mit fünf Arbeiten vertreten. Die dortigen Ausstellungsmacher zählten ihn mit Max Beckmann, George Grosz und anderen zu den wichtigsten Vertretern der Neuen Sachlichkeit. Seine Werke genießen heute weltweite Wertschätzung, belegt durch beachtliche Auktionsergebnisse.
 Georg Scholz, Arbeit schändet, 1921
 
Zum 60. Todestag, 2005, veranstalteten Stadt und Scholz Haus Kunstforum eine beeindruckende Gedenkveranstaltung und zum 125. Geburtstag 2015 das Elztalmuseum, zum Schluss der Amtszeit Leibingers, eine große Ausstellung mit dem Oeuvre des Künstlers von den Anfängen bis zum Spätwerk. In seiner Amtszeit unterstützte Leibinger zahlreiche Projekte, wissenschaftliche Arbeiten und Publikationen. Inzwischen werden im Elztalmuseum Arbeiten von Scholz aus dem städtischen Fundus gezeigt.

Ansicht von Grötzingen
 
2020 wartete das GeorgScholzHaus Kunstforum mit einer besonderen Attraktion auf: Mit erstklassigen Reproduktionen, die der Fotograf Roland Krieg aus Waldkirch in monatelanger Arbeit in Kooperation mit Museen und Galerien in der ganzen Welt herstellte, konnte erstmals das Gesamtwerk von Scholz gezeigt werden. Diese Form der Kunstpräsentation verdient überregionale Beachtung, ebenso wie das von Krieg erstellte Video über diese bemerkenswerte Ausstellung. 

aus ebd.:

... Leibinger: Scholz zählt heute zu den führenden Künstlern des Verismus und der Neuen Sachlichkeit. Er war 1925 maßgeblich an der von Felix Hartlaub in Mannheim begründeten Stilrichtung der Neuen Sachlichkeit beteiligt. Bis heute ist Georg Scholz in großen Ausstellungen mit zahlreichen Werken vertreten (zur Zeit in München). Auch großartige Auktionsergebnisse belegen das große Ansehen und die Bedeutung von Georg Scholz, auch in der internationalen Kunstwelt. ... 

 

Nota. - Ich hatte von Georg Scholz immerhin schonmal ein Bild gepostet - ohne mich freilich an den Namen zu erinnern. Er hätte es wirklich nicht verdient, vergessen zu werden.

JE

 

 

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