
aus Die Presse, Wien, 26. 4. 2020 Der präfrontale Cortex von Schizophreniepatienten kann Dopamin nicht gut regulieren
Der Biochemie hinter der Schizophrenie auf der Spur
Bei einer schizophrenen Episode überflutet
der chemische Botenstoff Dopamin das Gehirn. Doch das ist nicht ihr
alleiniger Auslöser. Forschende der Med-Uni Wien konnten zeigen, dass
auch ein für die Regulation der Dopamin-Ausschüttung verantwortliches
Hirnareal verändert ist.
von
Eigentlich kann Dopamin glücklich machen. Aber nur, wenn die Voraussetzungen stimmen. Es ist ein Nervenbotenstoff, ein sogenannter Neurotransmitter, der dafür sorgt, dass die Nervenzellen miteinander kommunizieren. Das ist vor allem für die Informationsverarbeitung im Gehirn essenziell; etwa wenn es um Wahrnehmung, Konzentration, Denkvermögen oder Motivation geht. Die Empfangsstellen, die seine Wirkung in Gang setzen, nennt man Dopaminrezeptoren.
Über die Entstehung und Ausschüttung von Dopamin weiß man längst noch nicht alles, doch bekannt ist, dass es für die Glücksgefühle die richtige Dosierung braucht. Zu wenig oder zu viel davon hat schwerwiegende Folgen. Eine krankhafte Dopaminüberproduktion ortet man beispielsweise bei schizophrenen Schüben. Die zur Behandlung eingesetzten Antipsychotika blockieren daher gezielt die Dopaminrezeptoren.
Doch warum ist der Dopaminstoffwechsel bei Schizophreniepatienten überhaupt gestört? Um mehr über die Entstehung der Schizophrenie herauszufinden, haben sich Forscherinnen und Forscher der Med-Uni Wien angesehen, was sich in den Gehirnen von Gesunden und Erkrankten abspielt, wenn sie mit diesem Zuviel an Dopamin geflutet werden. Sie fanden nicht nur eklatante Unterschiede, sondern auch konkrete Hinweise auf den Ort im Gehirn, der dafür verantwortlich zu sein scheint, dass die einen den Reiz einfach wegstecken können, während die anderen Stimmen hören oder Wahnvorstellungen erleben und andere Psychosesymptome entwickeln.
Sprachzentrum gleicht aus
„Wir haben erstmals gezeigt, dass das Auftreten dieser Phänomene daran liegen könnte, dass ein vorderer Teil des Gehirns, der präfrontale Cortex, bei Schizophreniepatienten das Dopamin nicht gut regulieren kann“, sagt Ana Weidenauer von der Forschungsgruppe von Matthäus Willeit an der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, der das Projekt geleitet hat. Die Ergebnisse wurden kürzlich im Journal Translational Psychiatry veröffentlicht.
Der präfrontale Cortex kontrolliert verschiedene Gehirnstoffwechselvorgänge wie eben auch jenen des Dopamins, darüber hinaus laufen dort Sprache, Emotionen und Gedächtnis zusammen. „Je größer das Sprachzentrum des präfrontalen Cortex ist, desto geringer ist die Dopaminausschüttung. Und bei den Schizophreniepatienten zeigen unsere Tomografiebilder, dass das Volumen dieses Teils des präfrontalen Cortex bei ihnen kleiner ist und daher weniger gut ausgleichend wirken kann.“
Weidenauer hat viel zum Dopaminstoffwechsel geforscht und ist zusammen mit ihrem Kollegen Martin Bauer Erstautorin der Studie. „Bei unseren Untersuchungen war vor allem der Vergleich zwischen Gesunden und Kranken aufschlussreich“, berichtet sie. Die Forscher haben die überschießende Dopamin-Ausschüttung bei den Gesunden durch die Gabe einer geringen Dosis Amphetamin ein Stück weit nachgeahmt. Dieses setzt ebenfalls reichlich Dopamin frei. Im Gegensatz zu den Erkrankten, deren Dopaminsystem von Natur aus übersensibilisiert ist und das daher bei Stimulation in der geschilderten Weise überreagiert, dürften sich die gesunden Probanden im Studiensetting aber wohlgefühlt haben. Bei intaktem präfrontalen Cortex entspricht das Dopamin eher seinem Ruf als Glücksbotenstoff, man fühlt sich wach, konzentriert, könnte Bäume ausreißen. Die psychotischen Symptome stellten sich bei dieser Gruppe jedenfalls nicht ein. „Daraus lässt sich schließen, dass eine hohe Dopaminausschüttung nicht alleiniger Auslöser von schizophrenen Episoden sein kann“, so Weidenauer.
Um die Messsignale nicht zu verfälschen, setzte sich die Gruppe der erkrankten Probanden aus medika-mentös noch unbehandelten Freiwilligen zusammen, bei denen die Schizophrenie erstmals aufgetreten war. „Wir haben allen Teilnehmenden ein Kontrastmittel gespritzt, das an die Dopaminrezeptoren bindet“, erläutert Weidenauer. „So wurden die Dopamineffekte in den Positronenemissionstomografie-Aufnahmen sicht- und messbar. Und wir konnten die Teilnehmergruppen vergleichen.“ Das Volumen des präfrontalen Cortex wiederum wurde im Magnetresonanztomografen bestimmt.
Zur Person
Ana Weidenauer
studierte Humanmedizin an der Med-Uni Wien und begann dort anschließend
ein PhD-Studium im Programm „Clinical Neuroscience“. Seit 2015 ist sie
in Facharztausbildung für Psychiatrie und Psychotherapie an der
Abteilung für Allgemeine Psychiatrie der Universitätsklinik für
Psychiatrie und Psychotherapie. Sie arbeitet seit 2013 in der dort
angesiedelten Psychose-Forschungsgruppe von Matthäus Willeit mit.
Nota. - Die in solchen Fällen immer angezeigte Frage, ob die Schizophrenie ein Symptom des gestörten Dopamin-Haushalts sei oder der gestörte Dopamin-Haushalt ein Symptom der Schizophrenie, hat der Be-gründer der Individualpsychologie Alfred Adler seinerzeit generell dahingehend beantwortet, dass die Bio-logie das Eine sei, doch was das Individuum daraus macht, ist ein Anderes. Ein lineares Ursache-Wirkungs-Verhältnis gibts da nicht.
JE
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