Montag, 13. Juni 2022

Absolute Fülle.

                                                                 zu Philosophierungen

Absolut ist der Ursprung des Ich, insofern er Mangel ist. Das ist nicht das Fehlen einer Be-stimmung, sondern deren akuten Negation. Insofern ist er unerschöpflich.

Die Umkehrung des Mangels kann nur als Fülle absolut sein. Eine Fülle setzt Etwas voraus, das sie füllt. Ein absoluter Raum? Der ist nur absolut, sofern er keine Grenzen hat. Ohne die kann er aber nicht gefüllt sein. Es bliebe in jedem Moment ein unerfüllter Rest. Gäbe es aber einen letzten Moment, dann wäre die Zeit endlich. Dann wäre der Raum irgendwann durchmessen und nicht absolut.

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Bei Hegel endet die Rundreise des Geistes beim Absoluten Wissen. Irgendwann ist die Zeit erfüllet, und er soll der Vorstellung zugeneigt haben, dies geschähe in Preußen und an sei-ner neuen hauptstädtischen Universität. 

Könnte er sich aber auch einen Kreislauf vorgestellt haben - die ewige Wiederkehr dessel-ben?

Sein Ausgangspunkt war kein Mangel, sondern eine Überfülle. Das Sein hält es mit sich al-lein nicht aus und gebiert als seinen Gegensatz das Nichts, und aus ihrem Widerstreit gehen alle Bestimmungen hervor. Das Absolute Wissen ist die schließliche Aufhebung aller Wider-sprüche. Und nun das ganze nochmal von vorn?

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Der erste, der das absolute Sein als Überfülle aufgefasst hat, die aus sich hinausquillt, war Plotin.* Das Sein kam ihm als Einheit und Inbegriff der platonischen Ideen vor. Plato hatte Heraklit mit Parmenides vereinigt; aber nicht ausgesöhnt: Seinen Ideen kam mehr ontisches Gewicht zu als dem Werden, dem herakliteischen Rest. Allerdings standen sie als mannigfal-tige unter dem eleatischen ontos on

Dieses setzt nun Plotin als Eines; alles Mannigfaltige ist gegenüber dem seienden Einen mindergewichtig. Warum das eine, ruhende Sein aber aus und über sich hinausgeht, wird nicht recht einsichtig. Als "Emanation" hat E. Lask dieses ontische Phänomen bezeichnet, aber es scheint weniger durch immanente Genesis zu geschen als vielmehr durch die höhere Qualität der Wahrnehmung, in der das Sein erscheint. Dem Mannigfaltigen wird in der ge-genständlichen Welt durch prâxis begegnet, den höheren Seinsstufen dagegen durch sich verdichtende theoría: Betrachtung

Dieser geniale Kunstgriff, Ontologie mit Noetik zu vermengen, machte ihn fast ein Jahr-tausend lang zum beherrschenden Philosophen der Christenheit - allerdings mit dem Schön-heitsfehler, dass seine lateinisch überlieferten Schriften als authentische Wiedergabe der Leh-re Platos missverstanden wurde. Er erleichterte aber den Feldzug der aristotelischen Schola-stiker, die im Namen des Nominalismus den platonischen Ideenrealismus überwanden und mit der Erkenntnis der Individualität alles Wirklichen die moderne Wissenschaft möglich gemacht haben. 

Die Fülle des Wirklichen ist allerdings absolut, nämlich unermesslich, und die Idee des Einen entsteht nicht aus seiner theoría, sondern aus der Reflexion auf die eigene prâxis. Und diese geht nicht aus jener, sondern jene aus dieser hervor.

*) Anaximanders Apeiron ist selber das Werden und von sich wohl ununterscheidbar.

 

Nota. Das obige Foto gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie der Eigentümer sind und seine Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Nachricht auf diesem Blog.JE

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