Mittwoch, 22. Juni 2022

Der Urknall als Begriff und als Vorstellung.

                       zuJochen Ebmeiers Realien

Am oberen Ende der heutigen Kosmologie sind mehrere Modelle im Wettstreit, und neue werden wohl noch hinzukommen. 

Die Modelle sind vorgestellte Bilder

Reichen die Daten und Begriffe der exakten Forschung nicht aus?

Summa aummarum ergeben sie immer nur Gleichungen. Was da als gleich gesetzt wird, geht aus den Formeln nicht hervor. Man muss sich 'ein Bild machen'. Da aber das, was dargestellt ist, nicht in jener kosmischen Mesosphäre gelegen ist, in der unsere Gattung ihre Vorstellungskraft ausbilden musste, können die Bilder, die wir uns ausmalen, das, was zu sehen wäre, wenn wir es sehen könnten, nicht wiedergeben, sondern nur symbolisch ver-schlüsselt andeuten. Man kann aus ihnen folglich keine gültige Information ablesen. Zum Beispiel können wir eine Entsteheung aus Nichts denken; aber vorstellen können wir sie nicht: So wie wir hier auf das Ausmalen verzichten, können wir da aufs Begreifen verzich-ten.

Wozu taugen sie dann? 

Sie eröffnen den Begriffsbildungen der theoretischen Physiker ein Exerzierfeld, wo dieses und jenes ausprobiert werden kann; ausprobiert nicht auf seine Stimmigkeit hin, sondern auf seine Plausibilität. Plausibilität wird zuerst angeschaut. Dann wird die Stimmigkeit durch -gerechnet. Es ist ein Glücksspiel, in dem die Vorstellung mal Triebkraft, mal Schrittmacher ist.

JE 

 

nach FAZ.NET,  8. 6. 2022

Die klassische Singularität (siehe oben)

So sähe die Entwicklung unseres Universums aus, wenn nur Einsteins Gleichungen sie regierten: Es hätte dann mit einer sogenannten Singularität begonnen, einem Zustand unendlich hoher Raumkrümmung. Wie in den folgenden Diagrammen sind von den drei Raumdimensionen nur zwei als Fläche (blau) dargestellt. Die Zeit läuft nach oben. Die Urknall-Singularität erscheint damit als unendlich scharfe Spitze, in deren unmittelbarer Nähe die Raumzeit jedoch chaotisch fluktuiert

 

Hartle-Hawking und die Erschaffung aus dem Nichts

Einen Vorschlag eines kosmischen Anfangs ohne Singularität haben 1983 Stephen Hawking und James Hartle gemacht. Sie beschrieben das Universum als Quantenobjekt, das zunächst nicht eine vierdimensionale Raumzeit umfasste, sondern einen vierdimensionalen Raum. Insofern die Zeitdimension anfangs eine Raumdimension war, wird die Frage danach, was vor dem Urknall war, so sinnvoll wie die, was südlich des Südpols ist. Das Universum entstand in diesem Ansatz also aus dem Nichts.

 

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  F.A.Z.-Graphik Piron

J. Richard Gott und das Universum, das sich selbst erschafft

Eine andere Idee, wie das Universum vor endlicher Zeit ohne Singularität begonnen haben könnte, haben J. Richard Gott und sein Mitarbeiter Li-Xin Lin an der Princeton University zuerst 1997 vorgeschlagen. Da Einsteins Gravitationstheorie Reisen zurück in die Zeit nicht grundsätzlich verbietet, könnten Teile des sehr frühen Universums in der Zeit zurückgelangt sein – unter Umständen nur winzigste Bruchteile von Sekunden – und dort ihre eigene Entstehung initiiert haben.

 

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Alles ist voller Universen

Die „Ewige Inflation“ ist derzeit die populärste Antwort auf die Frage, was vor dem Urknall war: Demnach besteht die physikalische Realität insgesamt aus einem exponentiell expandierenden Quantenfeld (grau), das an unterschiedlichen Orten spontan zerfällt und dabei unterschiedliche expandierende und manchmal auch wieder kollabierende Universen hervorbringt. Das Universum, das wir bewohnen und (teilweise) beobachten können, ist nur eines davon in diesem sogenannten Multiversum.

 

Bild: F.A.Z.-Graphik Piron 

Urprall statt Urknall

Nicht wenige Forscher meinen, das  expandierende All könnte aus dem  Kollaps eines Vorgängeruniversums  hervorgegangen sein. Der Urknall wäre  dann kein absoluter Anfang der Zeit,  sondern markierte einen Moment  des ­Zurückprallens der Raumzeit. Diese  stellen  sich die Vertreter dieser Idee  aufgrund von Quanteneffekten nämlich  als nicht beliebig komprimierbar vor.  Eine konkrete Beschreibung des Vorgangs     erhoffen sie sich von einer Theorie der  Quantengravitation, nach der noch  gesucht wird.

 

 

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Bild: F.A.Z.Graphik Piron

Roger Penrose und die ewige Wiederkehr

Roger Penrose schlug 2006 eine weitere Möglichkeit vor, sich eine seit Ewigkeit existierende Welt vorzustellen. Grundidee ist, dass für die masselose elektromagnetische Strahlung keine Zeit vergeht. Sollte alles Massenbehaftete dereinst einmal zu Strahlung zerfallen, ließe sich die dann ins Gigantische expandierte Raumzeit „konform“ umrechnen zu einem Zustand am Beginn der Zeit. In dieser „Conformal Cyclic Cosmology“ ist die Welt eine endlose Abfolge aus Expansion ins Zeitlose und Neubeginn

Bild: F.A.Z.-Grafik Piron

Auf einem normalen Billardtisch (links) laufen von leicht verschiedenen Positionen gestartete Kugeln auf vorhersehbar ähnlichen Bahnen.

 

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Führt man aber eine gekrümmte Bande ein (Mitte), gilt das nicht mehr. Das Billard wird chaotisch.

 

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Im frühsten Universum bewegt sich dessen Zustand (blauer Pfeil) in einem abstrakten Raum wie in Reflexionen an gekrümmten Banden. Dadurch kann die frühe kosmische Evolution chaotisch verlaufen. Sie ist also nicht vorher- beziehungsweise zurückberechenbar. Das Chaos regiert schon in der klassischen Theorie Albert Einsteins in unmittelbarer Nähe der Singularität, wie Wladimir Belin­ski, Isaak Khalatnikow und Jewgeni Lifschitz (BKL) bereits Ende der 1960er Jahre erkannten.



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