Montag, 4. April 2022

Deine Augen sind Fallgruben.

 
aus Süddeutsche.de, 1. 4. 2022                                                                                                  zu  Jochen Ebmeiers Realien

Wie Fotos die Illusion von Wahrheit erzeugen
Ein Bild lässt eine Nachricht glaubhafter wirken - selbst wenn es irrelevant ist. Dafür ist ein psychologischer Mechanismus verantwortlich, der dem Gehirn die Verarbeitung von Informationen erleichtert.

Von Sebastian Herrmann

... Psychologen treibt deshalb schon lange die Frage um, unter welchen Bedingungen sich Informationen jenseits der reinen Fakten wahr anfühlen - und verwenden dabei für ihre Studien gerne das Wort "Truthiness". Eine besonders überzeugende Kraft üben Bilder aus, wie gerade erst wieder Psychologen um Daniel Derksen von der Simon Fraser University in einer Studie demonstrieren. Solange ein Foto nur zum Thema passt, steigert dies die "Wahrheitlichkeit" einer Aussage. Wichtige Informationen muss das Bild hingegen nicht transportieren.

Die Psychologen haben diesen Zusammenhang untersucht, indem sie teils absurde Quizfragen zur Bewertung vorlegten. Zum Beispiel mussten die Probanden beurteilen, ob Milch von Nilpferden pink gefärbt sei oder nicht. Präsentierten die Forscher die Fragen zusammen mit dem Foto eines der Tiere, hielten die Befragten die Aussage mit höherer Wahrscheinlichkeit für zutreffend. Dabei ließ sich aus dem Bild keinerlei relevante Information ableiten: Darauf war lediglich ein Nilpferd zu sehen, das im Wasser steht und dabei aussieht, wie Nilpferde nun einmal aussehen, die im Wasser stehen. Über die Farbe der Milch, mit der die Tiere ihre Jungen säugen, ließ sich aus dem Foto gar nichts ableiten.

Der gleiche Zusammenhang ist aus vielen weiteren Studien für andere Bereiche bekannt. Zeugenaussagen wird eher geglaubt, wenn diese mit irgendeinem Foto garniert werden. Nonsens-Behauptungen über Neurowissenschaften wirken glaubwürdiger, wenn man sie mit inhaltsleeren Bildern von Gehirnen serviert. Das Gleiche gilt für Behauptungen über Personen. Diese wirken seriöser, wenn sie mit Foto übermittelt werden. Aktuell in Pandemie- und Kriegszeiten gilt vermutlich: Das Bild einer FFP2-Maske oder eines zerschossenen Panzers mag wenig bis keine Informationen über einen konkreten Vorfall transportieren, erhöht aber die Glaubwürdigkeit der damit illustrierten Aussagen.

Treibende Kraft ist die sogenannte kognitive Verarbeitungsflüssigkeit: Ein Bild hilft, eine Aussage mental leichter zu verdauen und sich eine Aussage vorzustellen - selbst wenn das Foto keine Information transportiert. Alleine diese geistige Leichtigkeit erzeugt gute Gefühle. Und was sich gut anfühlt, kann selbst Spitzenpolitiker überzeugen.

 

Nota. - Die Augen sind unsere wichtigste Verbindung zur Welt. Nirgends zeigt sich die Conditio humana unverkenntbarer: Sie können staunen, und das ist eigentlich unsere produktivste Fähigkeit, denn sie ist die Voraussetzung von Allem.

Zum Beispiel, wenn ich ein Bild sehe, auf dem ich nichts erkenne. Dann arbeitet es in meinem Kopf, ratatat ratatat. Nicht so allerdings, wenn ihm ein Wort zuvorkommt. Das Wort bedeutet etwas, anders würde ich es gar nicht als ein solches erkennen, und es bedeu-tet immer dieses oder das andere. Bei einem Bild muss ich nach der Bestimmung suchen: muss begreifen. Das kostet Mühe. Doch eben, wo Begriffe fehlen, da stellt ein Wort zur rechten Zeit sich ein; und gern auch zu unrechter Zeit.
JE

 

 

Nota. Das obige Foto gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie der Eigentümer sind und seine Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Nachricht auf diesem Blog. JE

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