Mittwoch, 20. April 2022

Rembrandt und die Landschaft (II).


aus Tagesspiegel.de. 19.04.2022                 Landschaft mit Bogenbrücke, nach 1622                                              zu Geschmackssachen

Doch ein Rembrandt
Wie die Berliner Gemäldegalerie die „Landschaft mit Bogenbrücke“ als Werk des Meisters aus Amsterdam rehabilitierte. 
 
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Dreizehn Landschaftsgemälde von Rembrandt seien dokumentiert, berichtet Gary Schwartz, einer der besten Kenner des Gesamtwerks des Amsterdamer Meisters, in seinem „Rembrandt-Buch“, doch „existieren“ würden nur fünf. Die Zahlen mögen zur Zeit der Drucklegung 2006 gegolten haben, jedoch heute nicht mehr.

Nicht, dass plötzlich Rembrandt-Gemälde auf obskuren Dachböden entdeckt wurden. Nein, es sind die vorhandenen Gemälde, die Rätsel aufgeben, beinahe schon seit sie gemalt wurden und die Arbeiten von Rembrandts Hand seit jeher nicht eindeutig von jenen seiner Werkstatt zu scheiden sind.

Davon ist auch die Gemäldegalerie der Staatlichen Museen Berlin betroffen. 1986 musste sie den bis dahin unbestrittenen Publikumslibling, den „Mann mit dem Goldhelm“, als Werkstattarbeit aussondern.

Dasselbe Schicksal traf 1989 die „Landschaft mit Bogenbrücke“, ein mit knapp 30 mal 40 Zentimetern kleinformatiges Werk, das Wilhelm von Bode, der legendäre „Museumsgeneral“ und Experte in Sachen Rembrandt, 1924 und also ganz gegen Ende seiner jahrzehntelangen Tätigkeit für die Berliner Museen erworben hatte. Das Bild konnte, den damals so armen Zeiten geschuldet, nicht etwa mit Geld vergütet werden, sondern nur im Tausch gegen andere Werke der Galerie.

Der fehlte eine Landschaft, um die Berliner Sammlung abzurunden. Und Rembrandt hatte nur wenige Landschaften innerhalb seines nach wechselnder Zählung mal 250, mal auch 637 Gemälde umfassenden Œuvres geschaffen.

1989 fiel das Bild durch die Prüfung des Rembrandt Research Projects

Die „wechselnde Zählung“ ist bei Rembrandt so wichtig wie bei keinem zweiten Künstler seines Ranges. Der 1606 in Leiden geborene und in Amsterdam 1669 gestorbene Rembrandt van Rijn war über mehr als vier Jahrzehnte hinweg ein ungemein fleißiger Künstler, wovon zudem mehr als 1000 erhaltene Zeichnungen und 300 Radierungen zeugen.

Doch gerade die Gemälde pflegte er nicht immer zu signieren. Der damaligen Zeit entsprechend, unterhielt er eine Werkstatt, die Aufträge abarbeitete und seine Kompositionen wiederholte. Gerade die besten Schüler konnten sich nahezu perfekt in Rembrandts Malweise hineinversetzen.

Von der Berliner Landschaft gibt es ein solches Doppel, die motivisch äußerst ähnliche „Steinbrücke“ im Amsterdamer Rijksmuseum. Dort stand die Autorschaft des Meisters nie in Zweifel. Auch nicht, als das vor über 50 Jahren ins Leben gerufene „Rembrandt Research Project“ (RRP) durch alle Museen zog, die eigenhändige Werke zu besitzen glaubten, und Bild für Bild aus dem Korpus der Rembrandt-Originale ausschied.

Die Steinbrücke, Amsterdam

Das ist der Fall, wenn sich bei näherer und vor allem auch naturwissenschaftlicher Untersuchung gewichtige Argumente dagegen ergeben. So schrumpfte Rembrandts Œuvre bis auf einen Tiefpunkt von 250 vom RRP autorisierten Gemälden, deren Zahl durch Wiederzuschreibungen inzwischen wieder auf gut 350 gewachsen ist.

Die Argumente des RRP ließen auch das Berliner Bild in Zweifel geraten. So ist hier der Himmel viel ruhiger und kompakter als in Amsterdam, wo die farblich fein abgestufte Dramatik jene eigentümliche Stimmung erzeugt, die Rembrandts Bilder zugleich zeitlos ruhig wie spontan aufgewühlt erscheinen lässt. Dieser Unterschied schien auf den Rembrandt-Schüler Govert Flinck zu deuten, dem das Bild 1989 zugeordnet wurde.

Rembrandt hat die ursprüngliche Komposition deutlich verändert

Seit Jahren beschäftigt sich Restauratorin Claudia Laurenze-Landsberg mit dem Rembrandt-Bestand der Gemäldegalerie. Sie konnte unter Mitwirkung des Hahn-Meitner-Instituts erstmals die aufwendige Technik der Neutronen-Autoradiographie einsetzen, die bereits für die große Berliner Rembrandt-Jubiläumsausstellung von 2006 gewichtige Erkenntnisse lieferte.

Die Landschaft blieb seinerzeit unberücksichtigt, weil sie als Werkstattarbeit galt. Nun hat Niederlande-Kuratorin Katja Kleinert sie hervorgeholt und gemeinsam mit der Restauratorin den Aufbau des Gemäldes entschlüsselt.

Demnach hat Rembrandt die ursprüngliche Komposition ausweislich der Unterzeichnung deutlich verändert, und zwar so, wie er sie beim Amsterdamer Doppel quasi in einem Zug verwirklichte, das darum wohl als Variante anzusehen ist. Die dendrochronologische Untersuchung des Bildträgers Holz ergab, dass das Berliner Werk schon ab 1622 hätte gemalt sein können, das Amsterdamer hingegen nicht früher als 1638. Das ist das Jahr, unter dem das Rijksmuseum sein Gemälde führt und das wohl auch für das Berliner Bild anzunehmen ist.

Wenige Landschaften, aber die waren stilbildend

Da kommt dann wieder die altehrwürdige „Stilkritik“ ins Spiel. Schwartz urteilte 2006 zwar: „Die herkömmlichen Methoden der Kennerschaft sorgen für ein Fortbestehen der Uneinigkeit und Unsicherheit.“ Doch mittlerweile erlebt connoisseurship zumal im angelsächsischen Raum eine wahre Renaissance.

Man wird sich freilich endlos darüber austauschen können, ob die Strichführung nun Rembrandt oder gerade nicht Rembrandt ist; müßig im Grunde bei diesem Künstler, dem alle Mittel zu Gebote standen und der ein Œuvre von ungeheurer Vielfalt schuf.

Es ist erstaunlich, dass Rembrandt nur wenige Landschaften gemalt hat. Die jedoch wurden prägend für die holländische Malerei danach. Mit seiner Lichtführung lenkt er den Blick des Betrachters, ohne dass etwas Besonderes hervorgehoben würde. So bleibt beim Berliner wie beim Amsterdamer Bild die „Steinbrücke“ eher im Dunkel, während Baum und Bewuchs rechts von ihr dramatisch im Sonnenlicht aufleuchten, das von links unter die nach rechts abziehende Gewitterwolke dringt. Schwartz rühmt die Komposition als ein „Gemälde, das vor Lebendigkeit bebt“: Man kann es so ausdrücken und sich damit der sinnlichen Wirkung des Berliner Bildes zuwenden.

Mit diesem Meisterwerk ist der Berliner Rembrandt-Bestand wieder auf 20 Gemälde gewachsen, und man versteht um so mehr, warum Bode ein Leben lang hinter einer Landschaft von Rembrandt her war. 



Die allgemeine Rembrandt-Begeisterung habe ich nie verstanden; schon gar nicht, seit er stets mit Caravaggio verglichen wird. Der hat das chiaroscuro genutzt, um seinen Gegen-ständen plastische Gestalt und seinen Räumen Tiefe zu geben - und über allem als sein wichtigstes Mittel beim Bildaufbau eingesetzt. Er hat einen Stil daraus gemacht, der in ganz Europa blühte, nicht zuletzt im niederländischen Utrecht. Davon ist bei Rembrandt ledig-lich geblieben - die Rolle beim Bildaufbau. Seine Figuren sind meist so flächig wie bei seinen Zeitgenossen die Landschaften.

 
Ach so, ja - die Landschaften. Fast ist "holländische Malerei des Goldenen Zeitalters" syno-nym mit holländische Landschaftsmalerei. Aber dazu hat Rembrandt nichts Erwähnenswer-tes beigetragen.

Viel mehr gibts wohl gar nicht. Und vor allem: Es sind keine holländischen Landschaften. So wie etwa diese von Jacob van Ruisdael:

J. v. Ruisdael, Haarlem with bleaching fields in the foreground, ca.1670 

Weit und flach, wie Holland eben, ein Raum entsteht nur durch das Licht, denn an Lini-en dominiert... die Horizontale. Eine Perspektive entsteht nur in der Luft, und über allem - der Himmel. Die holländischen Himmel, die holländische Beleuchtung! Was den eben in ihrem Unabhängigkeitskrieg befangenen Niederländern an gemeinsamer Geschichte fehlte, um ihren Patriotismus zu entflammen, musste ihnen ihre Landschaft ersetzen. Und indem so die Landschaftsmalerei zu einer nationalen Sache wurde, wurde sie zugleich - zu einer ehrenwerten Gattung, die die gesamte abendländische Kunst revolutionieren sollte. Zarte Andeutungen davon finden sich auf Rembrandts Graphiken, aber die Linie ist eben nicht das geeignete Medium für die Landschaft, jedenfalls nicht für diese. Und wo er die Land-schaft in Farbe gesetzt hat, findet sich nichts davon. ...

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Dieses geschrieben habend, beeile ich mich anzufügen, dass Rembrandt als Porträtist - vor allem als sein eigener und der von Titus - selbstverständlich der uneingeholte Meister ist.




Postscriptum: Auch andere Maler haben immer wieder und mit Hingabe sich selbst porträ-tiert, da steht Rembrandt nicht allein; aber aufmerksame Beobachter haben gesehen, dass seine vielen Selbstporträts nicht, wie die von van Gogh, dem Ergründen einer zerrissenen Künstlerseele dienen, sondern Übungen in der Virtuosität des Ausdrucks sind: Übungen in dem, was an der Indiviualität des Porträts das Individuellste ist. - Man muss es nur einmal gehört haben, schon fällt's einem wie Schuppen von den Augen!
JE, 1. 11. 13



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