Mittwoch, 6. April 2022

Unsere Geruchswahrnehmung ist kaum kulturell beeinflusst.

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aus Tagesspiegel.de, 4. 4. 2022                                                                                                               zu Geschmackssachen  

Allen Menschen stinkt es gleich
Pfirsich? Lecker! Käsefuß? Igitt! Weltweit zeigen Menschen gleiche Reaktionen auf bestimmte Duftnoten. Die jeweilige Kultur verändert das kaum, so eine Studie.
 
von Anja Garms

Vanille riecht gut, Schweißfuß eklig – das empfinden Menschen rund um die Welt ähnlich. Anders als oft angenommen spielen kulturelle Einflüsse beim Urteil über einen Geruch nur eine minimale Rolle, berichtet ein internationales Forscherteam im Fachmagazin „Current Biology“.

Persönliche Vorlieben seien für das Urteil entscheidender – und die chemische Struktur eines Duftmoleküls. Aus ihr lasse sich ablesen, was als duftend und was als stinkend bewertet wird.

„Wir wollten untersuchen, ob Menschen auf der ganzen Welt die gleiche Geruchswahrneh-mung haben und die gleichen Geruchsarten mögen, oder ob dies etwas ist, das kulturell erlernt wurde“, sagt Artin Arshamian vom Karolinska-Institut in Stockholm. „Traditionell wurde dies als kulturell bedingt angesehen, aber wir können zeigen, dass die Kultur nur sehr wenig damit zu tun hat.“ 

An Duftstäbchen mit verschiedenen Aromen geschnüffelt

Die Wissenschaftler ließen 253 Menschen aus zehn Regionen und Kulturen weltweit an speziellen Duftstäbchen schnuppern. Ob Stadtbewohner aus Mexiko und Nordamerika, Angehörige von Jäger-und-Sammler-Völkern aus den Regenwäldern Thailands oder Bauern aus dem Hochland Ecuadors, alle bekamen die Aufgabe, zehn Gerüche von „widerlich“ bis „köstlich“ einzuordnen.

Zwar gab es innerhalb der Teilnehmer einer regionalen Gruppe Unterschiede im Urteil über die Gerüche, aber grundsätzlich herrschte rund um den Globus Einigkeit darüber, was duftet und was stinkt. Der Aromastoff Vanillin, der nach der namensgebenden Vanille-Frucht duftet, wurde demnach am besten bewertet. Als ebenfalls beliebt erwies sich Buttersäureethylester, der fruchtig wie Pfirsich oder Ananas riecht. Isovaleriansäure, die an Käsefuß erinnert, bewerteten die meisten Teilnehmer als ekligsten Geruch.

Persönliche Vorlieben (54 Prozent) und die chemische Struktur der Duftmoleküle (41 Prozent) hatten den größten Einfluss auf das Geruchsurteil. Die Kultur hatte mit sechs Prozent kaum einen Einfluss. „Wir wissen jetzt, dass es eine universelle Geruchswahrneh-mung gibt, die von der Molekularstruktur gesteuert wird und die erklärt, warum wir einen bestimmten Geruch mögen oder nicht mögen“, sagt Arshamian. „Der nächste Schritt besteht darin, zu untersuchen, warum das so ist, indem wir dieses Wissen mit dem verknüpfen, was im Gehirn passiert, wenn wir einen bestimmten Geruch riechen.“

Duftstoffe sind immer flüchtige Substanzen. Einmal in der Nase angelangt, werden die Duftmoleküle von Rezeptoren auf den Riechzellen in der Riechschleimhaut der Nase detektiert. Der Mensch hat etwa 400 unterschiedliche Rezeptoren, die auf verschiedene chemische Strukturen ansprechen. Durch die Bindung der Duftmoleküle an ihre Rezeptoren wird ein Reiz ausgelöst, der über die Nervenbahnen ins Gehirn geleitet wird. Dort werden die Signale verarbeitet - man riecht. Häufig sind Gerüche mit Gefühlen und Erinnerungen verknüpft, so dass ein Geruch Angst oder Freude auslösen kann oder er den Riechenden etwa in die Kindheit zurückversetzt. Dem Geruchssinn wird oft eine Schutzfunktion zugeschrieben - für uns übelriechende Substanzen sind häufig giftig. (dpa)

 

aus spektrum.de, 5. 4. 2022

Menschen mögen weltweit die gleichen Düfte
Individuelle Vorlieben hin oder her - was angenehm und unangenehm riecht, darüber ist man sich global überraschend einig. Kulturelle Unterschiede spielen kaum eine Rolle.


von Lars Fischer
 
Ob ein bestimmter Geruch als angenehm empfunden wird, hängt stärker von der chemischen Struktur eines Stoffs ab als von kulturellen Faktoren. Zu diesem Ergebnis kommt eine Arbeitsgruppe um Artin Arshamian vom Karolinska-Institut in Stockholm anhand einer Untersuchung mit 225 Personen aus neun nichtwestlichen Gemeinschaften auf drei Kontinenten. Wie das Team in »Current Biology« berichtet, gab es zwar erhebliche individuelle Unterschiede, aber auch große globale Einigkeit, welche Gerüche angenehm oder unangenehm sind. Dagegen spielen unterschiedliche kulturelle Prägungen kaum eine Rolle. Am angenehmsten empfanden die Versuchspersonen Vanillin, gefolgt von dem nach Pfirsich riechenden Ethylbutyrat und dem blumig-würzig riechenden Linalool.

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Dabei war es unerheblich, ob die Beteiligten in einer Stadt wohnten oder halbnomadisch in tropischen Wäldern lebten, und die Fachleute fanden auch keine für einen Kontinent oder eine Lebensweise typische Vorliebe. Welche Gerüche Menschen bevorzugen, ist zwar überall Geschmackssache; laut der statistischen Analyse von Arshamians Team bestimmt die persönliche Vorliebe rund 50 Prozent eines individuellen Geruchs-Rankings. Aber die Analyse zeigt auch, dass die chemische Struktur – und damit das biologische Erbe der menschlichen Nasenschleimhaut – die Bewertungen zu etwa 40 Prozent bestimmt.

Diesen Befund bestätigte die Arbeitsgruppe einerseits, indem sie nachwies, dass auch Versuchspersonen aus einer westlichen Kultur, der nordamerikanischen Stadtbevölkerung, Geruch vergleichbar bewerten. Und andererseits ließ sich das globale Duft-Ranking von angenehm bis unangenehm mit Hilfe eines Computermodells vorhersagen, das Moleküle anhand chemischer und physikalischer Eigenschaften bewertet. 

 

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