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aus Tagesspiegel.de, 4. 4. 2022 zu Geschmackssachen
Vanille riecht gut, Schweißfuß eklig – das empfinden Menschen rund um die Welt ähnlich. Anders als oft angenommen spielen kulturelle Einflüsse beim Urteil über einen Geruch nur eine minimale Rolle, berichtet ein internationales Forscherteam im Fachmagazin „Current Biology“.
Persönliche
Vorlieben seien für das Urteil entscheidender – und die chemische
Struktur eines Duftmoleküls. Aus ihr lasse sich ablesen, was als duftend
und was als stinkend bewertet wird.
„Wir wollten untersuchen, ob Menschen auf der ganzen Welt die gleiche Geruchswahrneh-mung haben und die gleichen Geruchsarten mögen, oder ob dies etwas ist, das kulturell erlernt wurde“, sagt Artin Arshamian vom Karolinska-Institut in Stockholm. „Traditionell wurde dies als kulturell bedingt angesehen, aber wir können zeigen, dass die Kultur nur sehr wenig damit zu tun hat.“
An Duftstäbchen mit verschiedenen Aromen geschnüffelt
Die Wissenschaftler ließen 253 Menschen aus zehn Regionen und Kulturen weltweit an speziellen Duftstäbchen schnuppern. Ob Stadtbewohner aus Mexiko und Nordamerika, Angehörige von Jäger-und-Sammler-Völkern aus den Regenwäldern Thailands oder Bauern aus dem Hochland Ecuadors, alle bekamen die Aufgabe, zehn Gerüche von „widerlich“ bis „köstlich“ einzuordnen.
Zwar
gab es innerhalb der Teilnehmer einer regionalen Gruppe Unterschiede im
Urteil über die Gerüche, aber grundsätzlich herrschte rund um den
Globus Einigkeit darüber, was duftet und was stinkt. Der Aromastoff
Vanillin, der nach der namensgebenden Vanille-Frucht duftet, wurde
demnach am besten bewertet. Als ebenfalls beliebt erwies sich
Buttersäureethylester, der fruchtig wie Pfirsich oder Ananas riecht.
Isovaleriansäure, die an Käsefuß erinnert, bewerteten die meisten
Teilnehmer als ekligsten Geruch.
Persönliche Vorlieben (54 Prozent) und die chemische Struktur der Duftmoleküle (41 Prozent) hatten den größten Einfluss auf das Geruchsurteil. Die Kultur hatte mit sechs Prozent kaum einen Einfluss. „Wir wissen jetzt, dass es eine universelle Geruchswahrneh-mung gibt, die von der Molekularstruktur gesteuert wird und die erklärt, warum wir einen bestimmten Geruch mögen oder nicht mögen“, sagt Arshamian. „Der nächste Schritt besteht darin, zu untersuchen, warum das so ist, indem wir dieses Wissen mit dem verknüpfen, was im Gehirn passiert, wenn wir einen bestimmten Geruch riechen.“
Duftstoffe sind immer flüchtige Substanzen. Einmal in der Nase angelangt, werden die Duftmoleküle von Rezeptoren auf den Riechzellen in der Riechschleimhaut der Nase detektiert. Der Mensch hat etwa 400 unterschiedliche Rezeptoren, die auf verschiedene chemische Strukturen ansprechen. Durch die Bindung der Duftmoleküle an ihre Rezeptoren wird ein Reiz ausgelöst, der über die Nervenbahnen ins Gehirn geleitet wird. Dort werden die Signale verarbeitet - man riecht. Häufig sind Gerüche mit Gefühlen und Erinnerungen verknüpft, so dass ein Geruch Angst oder Freude auslösen kann oder er den Riechenden etwa in die Kindheit zurückversetzt. Dem Geruchssinn wird oft eine Schutzfunktion zugeschrieben - für uns übelriechende Substanzen sind häufig giftig. (dpa)
Menschen mögen weltweit die gleichen Düfte
Individuelle Vorlieben hin oder her - was angenehm und unangenehm riecht, darüber ist man sich global überraschend einig. Kulturelle Unterschiede spielen kaum eine Rolle.
von Lars Fischer

Dabei war es unerheblich, ob die Beteiligten in einer Stadt wohnten oder halbnomadisch in tropischen Wäldern lebten, und die Fachleute fanden auch keine für einen Kontinent oder eine Lebensweise typische Vorliebe. Welche Gerüche Menschen bevorzugen, ist zwar überall Geschmackssache; laut der statistischen Analyse von Arshamians Team bestimmt die persönliche Vorliebe rund 50 Prozent eines individuellen Geruchs-Rankings. Aber die Analyse zeigt auch, dass die chemische Struktur – und damit das biologische Erbe der menschlichen Nasenschleimhaut – die Bewertungen zu etwa 40 Prozent bestimmt.
Diesen Befund bestätigte die Arbeitsgruppe einerseits, indem sie nachwies, dass auch Versuchspersonen aus einer westlichen Kultur, der nordamerikanischen Stadtbevölkerung, Geruch vergleichbar bewerten. Und andererseits ließ sich das globale Duft-Ranking von angenehm bis unangenehm mit Hilfe eines Computermodells vorhersagen, das Moleküle anhand chemischer und physikalischer Eigenschaften bewertet.
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