
Die Bedingungen der unmittelbaren Exploitation und die ihrer Realisation sind nicht identisch. Sie fallen nicht nur nach Zeit und Ort, sondern auch begrifflich auseinander. Die einen sind nur beschränkt durch die Produk- tivkraft der Gesellschaft, die andren durch die Proportionalität der verschiednen Produktionszweige und durch die Konsumtionskraft der Gesellschaft.
Diese letztre ist aber bestimmt weder durch die absolute Produktionskraft noch durch die absolute Konsumti- onskraft; sondern durch die Konsumtionskraft auf Basis antagonistischer Distributionsverhältnisse, welche die Konsumtion der großen Masse der Gesellschaft auf ein, nur innerhalb mehr oder minder enger Grenzen ver- änderliches Minimum reducirt. Sie ist ferner beschränkt durch den Akkumulationstrieb, den Trieb nach Vergrö- ßerung des Kapitals und nach Produktion von Mehrwerth auf erweiterter Stufenleiter. Dies ist Gesetz für die kapitalistische Produktion, gegeben durch die beständigen Revolutionen in den Produktionsmethoden selbst, die damit beständig verknüpfte Entwerthung von vorhandnem Kapital, den allgemeinen Konkurrenzkampf und die Nothwendigkeit, die Produktion zu verbessern und ihre Stufenleiter auszudehnen, bloß als Erhaltungsmittel und bei Strafe des Untergangs.
Der Markt muß daher beständig ausgedehnt werden, sodaß seine Zusammenhänge und die sie regelnden Bedin-gungen immer mehr die Gestalt eines von den Producenten unabhängigen Naturgesetzes annehmen, immer un-kontrollirbarer werden. Der innere Widerspruch sucht sich auszugleichen durch Ausdehnung des äußern Feldes der Produktion. Je mehr sich aber die Produktivkraft entwickelt, um so mehr geräth sie in Widerstreit mit der engen Basis, worauf die Konsumtionsverhältnisse beruhen.
Es ist auf dieser widerspruchsvollen Basis durchaus kein Widerspruch, daß Uebermaß von Kapital verbunden ist mit wachsendem Uebermaß von Bevölkerung; denn obgleich, beide zusammengebracht, die Masse des producir-ten Mehrwerths sich steigern würde, steigert sich eben damit der Widerspruch zwischen den Bedingungen, worin dieser Mehrwerth producirt, und den Bedingungen, worin er realisirt wird.
______________________________________________________
K. Marx, Das Kapital III, MEGA II/15, S. 241 [MEW 25, S. 254f.]
Nota. - Wer immer zu verstehen bereit ist, kann an dieser Stelle erkennen, was Marx meint, wenn er gelegentlich von den Gesetzen der kapitalistisch Produktionsweise als von "Naturgesetzen" redet: nämlich dies, dass sie durch Menschen nicht kontrollierbar - nein: nicht sind, sondern werden. Nämlich nicht unter kapitalistischen Bedingun-gen; diese Bedingungen könnten aber aufgehoben werden - und damit die "Natur" verändert. Anders hätte der Gebrauch dieses Ausdrucks keinen Sinn.
JE, 20. 1. 17
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen