Dies muß sich in doppelter Hinsicht zeigen, und namentlich bei kapitalistisch entwickelten Nationen, die das Geld in großem Maß erset-zen, einerseits durch Kreditoperationen, andrerseits durch Kreditgeld. In Zeiten der Klemme, wo der Kredit einschrumpft oder ganz aufhört, tritt plötzlich Geld als einziges Zahlungsmittel und wahres Dasein des Werths absolut den Waaren gegenüber. Daher die allgemeine Entwerthung der Waaren, die Schwierigkeit, ja die Unmöglichkeit, sie in Geld zu verwandeln, d. h. in ihre eigne rein phantastische Form. Zwei-tens aber: das Kreditgeld selbst ist nur Geld, soweit es im Betrage seines Nominalwerths absolut das wirkliche Geld vertritt. Mit dem Goldabfluß wird seine Konvertibilität in Geld problematisch, d. h. seine Identität mit wirklichem Gold. Daher Zwangsmaßregeln, Heraufsetzung des Zinsfußes etc., um die Bedingungen dieser Kon-vertibilität zu sichern.
Dies kann mehr oder minder auf die Spitze getrieben werden durch falsche Gesetzgebung, beruhend auf fal-schen Theorien vom Geld, und der Nation aufgedrängt durch das Interesse der Geldhändler, der Overstone und Konsorten. Die Grundlage aber ist gegeben mit der Grundlage der Produktionsweise selbst. Eine Entwer- thung des Kreditgeldes (gar nicht zu sprechen von einer übrigens nur imaginären Entgeldung desselben) würde alle bestehenden Verhältnisse erschüttern.
Der Werth der Waaren wird daher geopfert, um das phantastische und selbständige Dasein dieses Werths im Geld zu sichern. Als Geldwerth ist er überhaupt nur gesichert, so lange das Geld gesichert ist. Für ein paar Milli-onen Geld müssen daher viele Millionen Waaren zum Opfer gebracht werden. Dies ist unvermeidlich in der ka-pitalistischen Produktion und bildet eine ihrer Schönheiten. In frühern Produktionsweisen kommt dies nicht vor, weil bei der engen Basis, auf der sie sich bewegen, weder der Kredit noch das Kreditgeld zur Entwicklung kommt.
Solange der gesellschaftliche Charakter der Arbeit als das Gelddasein der Waare, und daher als ein Ding außer der wirklichen Produktion erscheint, sind Geldkrisen, unabhängig oder als Verschärfung wirklicher Krisen, un-vermeidlich.
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K. Marx, Das Kapital III, MEGA II/15, S. 511f. [MEW 25, S. 532f.]
Nota. - In der kapitalistischen Welt gibt es den Reichtum doppelt. Einmal real, in Gestalt der zum Gebrauch taug-lichen Waren, das andre Mal phantasmagorisch als Geld, das lediglich zum Tauschen zu gebrauchen ist - aber das Tauschen ist unverzichtbar. Diesen Gebrauchswert, Tauschwert zu haben, hat es unter allen Umständen, aber nicht immer im gleichen Maß. Die Ware verliert ihren Gebrauchswert jedoch, sofern ihr Tauschwert nicht realisiert wird. Daher ist seine phantasmagorische Form für den Reichtum der sicherere Hafen.
Nun kann es seinen Wert ebenfalls verlieren, zum Teil mindestens, nämlich gegenüber seinem festen Standard, dem Gold, das selber eine Ware ist. Also nicht das Geld verlöre seinen Wert, sondern die eine Währung gegen das Gold, und mithin gegen allen andern Währungen. So jedenfalls zu der Zeit, als Marx schrieb. Nach dem 2. Weltkrieg trat der Dollar an seine Stelle, weil alle Welt darauf vertraute, dass die amerikanische Zentralbank je-derzeit jede Menge jeder Währung in Gold einlösen werde. Was gottlob nie wirklich auf die Probe gestellt wurde, aber es reichte aus, dass alle dieses Vertrauen teilten: Das war so gut, als ob.
Das ist nun seit Präsident Nixon auch nicht mehr so. Solange aber der Dollar wirklich die Leitwährung war, auf die sich alle andern bezogen, änderte sich nichts. Doch nach und nach drangen andere Leitwährungen rivalisie-rend nach vorn. Inzwischen ist es das Kräfteverhältnis zwischen ihnen, das leisten muss, was einst das Gold leistete; was es nur kann, wenn alle auf seine Stabilität vertrauen, aber das tun nicht alle, mal mit, mal ohne Grund. Doch das schwindende Vertrauen ist der Verlust der Stabilität.
Darum sind Geldkrisen, beginnend als Währungskrisen, nicht nur, wie Marx sagte, unvermeidlich, sondern ge-radezu die Regel (weshalb nun das Gold auch wieder im Hintergrund eine Rolle spielt). Sie sind sogar wichtiger für das Wirtschaftsgeschehen, als es früher die Handels- bzw. Überproduktionskrisen waren. Tatsächlich werden mit Währungsspekulationen heute größere Gewinne und Verluste gemacht, als mit Warengeschäften. Der phan-tasmagorische Reichtum ist wirklicher als der wirkliche.
JE, 5. 1. 17
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