
Dass alles, was auf der Welt geschieht, eine hinreichende Ursache hat, ist mir so selbstverständlich wie Ihnen. Doch war es den Menschen, die vor uns lebten, nicht immer selbstverständlich, und in manchen Teilen der Erde ist es das noch heute nicht. Es ist aber das, was uns im Alltagsgebrauch die Vernünftigkeit unseres ge-sellschaftlichen Verkehrs verbürgt.
Die frühen Vertreten der Familie Homo und noch heute manche Gruppen der Families H. sapiens halten da-gegen die Dinge, die ihnen in der Welt begegenen, für so beseelt, wie sie es selber sind, und das heißt: mit einem eigenen Willen begabt, was für sie aber nichts anderes bedeutet als: dass sie unberechenbar sind. Doch besänftigen und bei guter Laune halten kann man sie vielleicht; man muss es jedenfalls versuchen, etwas ande-res kommt noch nicht in Betracht.
Das ist die mentale Welt des Animismus, die seit dem triumphalen Aufstieg der Vernunft im 17. Jahrhundert untergegangen ist, jedenfalls in den westlichen Gesellschaften. Und warum? Bis in die Neuzeit hinein ist das Leben bestimmt von der Landwirtschaft. Und die hängt allerdings aber von Zufällen aller Art. Nein, objektiv betrachtet sind Wetter und Klima natürlich jederzeit determiniert durch ihre Ausgangsbedingungen. Die kön-nen aber selbst heutige Wissenschaftler nicht mit letzter Genauigkeit ausmachen, und schon gar nicht der mit-telalterliche Bauer, der bange nach jedem scheinbaren Anhaltspunkt schaut und allerlei Aberglauben erliegt.
Die Realität der westlichen Menschen ist aber der gesellschaftliche Verkehr miteinander. Den gilt es weniger kausal zu begreifen als willentlich zu lenken und bestimmen. Nicht 'die Natur' herrscht, sondern die willens-begabten Menschen. Und die wissen: Wenn ich jenes will, muss ich dieses tun. Und das ist die erfahrungsmä-ßige Grundform des Kausalitätsprinzips. Bevor man theoretisch darüber reflektieren konnte, hatte es längst praktische Gewalt über die Menschen errungen.
Und nun können wir sagen: Bei aller pragmatischer Berechtigung ist die Vorstellung von der Kausalität nicht so vernünftig, wie sie glaubt. Und als Kant sie im Gefolge von David Hume auf ihre Berechtigung überprüfte, merkte es schnell: Die Vernunft selber ist auch nicht selbstverständlicher! Sie beruht vielmehr auf Vorausset-zungen, die erst durch gründliche Reflexion bloßzulegen sind.
Kant nennt diese Voraussetzungen das Apriori und lässt es dabei bewenden. Wann und wie wir es uns zuge-zogen haben, hat er nicht mehr untersucht. Die radikale Fortsetzung der Kritischen Philosophie durch J. G. Fichte zeigt auf, dass nicht erst die Verwendung des Apriori durch die Menschen behufs ihrer Erfahrungen von ihnen selbstgemacht ist, sondern - das Apriori selbst.
Determinismus, Kausalität, Notwendigkeit, Möglichkeit, Zufall, Gesetz - das sind keine realen Sachver-halte, sondern Vorstellungen, die zweckmäßig sind, sofern man gewisse Zwecke verfolgt. Ihre Verwendung im Den-ken ist je zu rechtfertigen durch die Rechtfertigung der verfolgten Zwecke.
28. 6. 20
Nota. - Das obige Foto gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie der Eigentümer sind und seine Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Nachricht auf diesem Blog. JE
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