aus welt.de, 7. 4. 2021 zu Levana, oder Erziehlehre
Was eine strenge Erziehung mit den Gehirnen von Kindern macht.Suffren fand in Zusammenarbeit mit Medizinern des CHU Sainte-Justine Research Centres im kanadischen Montreal sowie Forschern der US-amerikanischen Stanford University heraus, dass strenge Erziehung zu kleineren Gehirnen und weniger ausgeprägten Hirnstrukturen bei Jugendlichen führen kann. Unter strengen Erziehungsmethoden verstehen die Forscher schimpfen, ständiges Ermahnen der Kinder, Strafen wie Hausarrest oder Spieleverbot, anschreien, schütteln und leichtes Schlagen wie etwa Ohrfeigen.
Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass sogar die gesellschaftlich akzeptierten Praktiken einer strengen Erziehung wie zum Beispiel wütendes Anschreien nicht nur zu psychischen Schäden bei den Kindern führen, sondern sogar Veränderungen in ihren Gehirnen hervorrufen können, wie die Studienleiterin in einem Statement der Universität erklärt.
Vorherige Studien konnten bereits nachweisen, dass Kinder, die missbraucht* wurden, über einen kleineren präfrontalen Kortex und Amygdala verfügen. Diese Hirnregionen spielen eine entscheidende Rolle bei der Verarbeitung von Emotionen. Menschen, die in diesen Arealen kleinere Strukturen aufzeigen, tendieren häufiger zu Angstzuständen und das Risiko eine Depression zu entwickeln ist höher. Die aktuelle Studie weist auf, dass sich ähnliche Befunde auch bei Kindern zeigen, die streng erzogen wurden, wenngleich sie keinerlei Missbrauch durchgemacht hatten.
Die Studie nutzte die Daten von knapp hundert Jugendlichen, die seit den frühen 2000er-Jahren im Saint-Justine-Krankenhaus in Montreal im Rahmen eines Universitätsprogramms zur Überwachung der psychischen Gesundheit regelmäßig behandelt wurden. Dabei wurden die Erziehungspraktiken und das Angstempfinden der Kinder im Alter zwischen zwei und neun Jahren jährlich durch Befragungen bewertet. Anhand dieser Daten teilten die Forscher die Kinder in verschiedene Gruppen ein – je nachdem, ob sie nach eigenem Empfinden eher einen harten oder seichten Erziehungsstil ausgesetzt waren.
Als die Kinder dann zwischen zwölf und 16 Jahre alt waren, wurden sie erneut zu ihrem Angstempfinden befragt und ihr Gehirn in einem MRT gescannt. Hierdurch zeigten sich die Unterschiede in der Größe der Hirnregionen, die bei denjenigen, die in ihrer Kindheit konsequent harten Erziehungsmethoden ausgesetzt waren, deutlich kleiner waren. Das bedeutet, dass Unterschiede in ihrem Gehirn mit der wiederholten Exposition gegenüber harten Erziehungspraktiken während der Kindheit verbunden sind.
Damit bedeutet eine strenge Erziehung für die Kinder wahrscheinlich auch ein höheres Risiko, später an einer Depression oder einer Angststörung zu leiden. Wieso das passiert und inwiefern sich die kleineren Gehirne sowie geringer ausgeprägten Hirnregionen anderweitig auf die Entwicklung der Kinder auswirken, müssen weitere Studien zeigen.
*Nota. - Im amerikanischen Sprachgebrauch bedeutet abuse nicht, wie bei uns, Missbrauch, nämlich sexueller, sondern Misshandlung aller Art; sie wird nach sexual und physical unter-schieden.
Dass übrigens Erziehung Auswirkungen aufs Gehirn hat, scheint mir wohl ihr Zweck zu sein. Genauer gesagt: Was immer Auswirkung auf die Ausbildung eines heranwachsenden Gehirns hat, wirkt 'erzieherisch'. Die Frage ist jeweils nur, was und wie. Das Besondere an obiger Meldung ist nicht, dass da Auswirkungen stattfinden, sondern dass die Auswirkung im spezifischen Fall in einem kleineren präfrontalen Cortex und kleinerer Amygdala be-steht. Dass dauerhafte Angstzustände und Stress nicht eben förderlich sind, hat man sich denken können. Na, jetzt wissen wirs.
Dass aber Erziehung 'mit' dem Gehirn dieses oder jenes 'macht', ist mehr als missverständ-lich formuliert. Es klingt, als wäre nur die eine Seite aktiv, und dann auch noch zielgenau, während die andere Seite nur leidet. Doch tut die andere Seite auch etwas; ob nun aktiv oder lediglich reaktiv, ist ein Streit um Kaisers Bart, denn auf jeden Fall tut sie das selber.
JE
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen