
Carl Rottmann, Schlachtfeld bei Marathon zu Romantik in der Albertina.
Es
hat sich eingebürgert, von einem Zeitalter der Romantik zu reden, und
das hat auch einen guten Sinn, wenn man so eine Grenze nach
hinten, zu Rokkoko und Ancien Régime zieht. Aber diesen Sinn hat es
eigentlich nur für Deutschland, in Frankreich liegen Revolu-tion und Empire dazwischen;
so gründlich dazwischen, dass man fragen darf, ob Romantik zu
Frankreich gehört. Delacroix und seine heroische Expressivität hat mit
unsern Romanti-kern eigentlich nur die Abneigung gegen die akademische
Form gemein. Und in England ist Turner ganz von allein aus dem Rokkoko
in die Moderne geglitten.
Turner, Dolbadern Castle, 1799
Man
kann bezweifeln, dass es überhaupt einen Sinn hat, in der Malerei von
Romantik zu reden. Jedenfalls nicht in der spe- zifischen Bedeutung wie in
unserer Literatur: Die frühe Romantik in Jena hatte sich als deutsches
Echo auf die französische Revolution verstanden, und als sie sich gegen
die Aufklärung wandten, da nicht, um die Uhren zurückzustellen, son-dern
im Gegenteil: um sie zu radikalisieren und zu entspießern; nicht als
Verleugner der Vernunft haben sie angefangen, sondern als deren
Speerspitze, die Philosophie der frühen Romantik wollte die Kant'sche Kritik bis zu ihren letzten Konsequenzen
weitertreiben. 1799 war plötzlich Schluss, die Romantikergruppe
bröselte auseinander, es machte sich zu-sehends Katzenjammer breit. Eine
große Rolle hatte der Atheismusstreit um Fichte gespielt, aber der war selber nur ein Zeichen der Zeit gewesen.
Guardi, Venezianischer Hinterhof
Das
hat kein Gegenstück in der Malerei; nicht Runge, nicht Friedrich und
schon gar nicht die Nazarener passen in dieses Bild. Idyllik, gotische
Schwärmerei und deutsche Innerlich-keit sind Markenzeichen des
Biedermeiers und der politischen Restauration, denen die Ro-mantik nur
insofern den Weg bereitet hat, als sie den bis dahin geltenden Kanon des
Guten Geschmacks zerbrochen hat.* Positiv ist sie nicht geworden, aber positiv scheint die Kunst sein zu müssen, wenn sie eine bildende sein will. Eine zersetzende, sprengende Kunst ist die Malerei erst mit den Fauves und den Expressionisten geworden.
*) Die dekadente Malerei eines Fragonard, Guardi oder Füssli hatte schon gründlich vorge-arbeitet.
Dass
die Romantiker die Arabeske theoretisiert haben, ist wohl wahr - und
ein Thema für sich. Den Roman haben sie auch theoretisiert, aber dass
einer von ihnen einen bedeutenden Roman hinterlassen hätte, ist nicht
bekannt. (Ofterdingen ist weder ein Roman noch bedeutend.) Und
was die Arabeske anlangt, könnte man sich fragen, ob das nicht doch eher
eine biedermeierliche Kunstform ist. Aber dann müsste man auch gleich
die Frage stellen, was Romantik in der bildenden Kunst überhaupt
bedeuten kann, und das, ach, ist ein 'zu weites Feld'; nämlich für die
Frankfurter mit ihrem touristenträchtigen "Romantik- museum", das doch
nicht kommt.
Dass die Arabeske ihren Name dem muslimischen Bilderverbot verdankt, womit sie in den arabischen Ländern die einzige legitime Art von Bildender Kunst wurde, streift der Autor kaum am Rand. Dort wurde sie in der Tat zu eine "Verwandlung der Welt", die zu einem Ozean aus stilisierten Pflanzenranken und Koranversen zusammengepresst wurde. Bizarrerweise hat Kant die arabische Kunst als die gewissermaßen 'reinere', weil nicht an der Darstellung des Gegenstands haftende Schönheit (pulchri-udo vaga)* aufgefasst, wo sie doch dem Künstler nicht nur die Hände, sondern mehr noch die Einbildungskraft bindet. Von Perspektive, Verteilung der Massen, Hell-Dunkel, Farbe, ja nicht einmal eigentlich von der Linie (von denen es nämlich viel zu viele, nämlich nichts anderes gibt) kann die Rede sein. Es ist eine gefesselte, gewürgte, gequälte Kunst.
*) KU, A/49f.
Ist
das noch Rokkoko oder schon romantisch? Der dekadente Gefallen an den
starken Reizmitteln hat schon das Ende des Ancien Régime
geprägt: schaurig, erhaben oder pittoresk; man denke nur an Wolfs
Landsmann Heinrich Füssli, der bei den Engländern Karriere gemacht hat!
Und auf eine eigene Weise auch ironisch, ganz für bare Münze darf man
das nicht nehmen, man denke nur an Fragonards Schaukel oder an Guardis
Ansichten von Venedig; in allem klingt das Nach uns die Sintflut der
Gräfin Pompadour mit.

Doch zurück zu Caspar Wolf: Während seine französischen Vorbilder im Landschaftsbild nach dem Effekt suchten (na ja, nicht nur) und großzügig so viel hinzutaten (na schön, nicht alle), bis es "funktionierte", malt Wolf Landschaftsporträts, Stellen, die es wirklich gibt, sogar (alle?) seine Höhlenbilder. Er malt aber nicht natur- getreu, sondern er holt aus dem, was er sieht, das Ästhetische heraus. Das war zu seiner Zeit noch neu. Und schon ein bisschen romantisch...
Studie
Man muss gar nicht wissen, dass C. D. Friedrich
einer mystisch-panentheistischen Weltanschauung anhing und ihm ‘die
Natur’ als diesseitiges Antlitz Gottes galt – man sieht es ja auf seinen
Bildern. Es geht ihm offenbar nicht darum, die Natur so malen, ‘wie sie
wirklich aussieht’, und es ging ihm nicht darum, ein ‘schönes Bild’ zu
komponieren. Er will etwas zeigen, das den geschäftigen Blicken des Alltags verborgen bleibt, und die Malweise (vgl. die Lichtstudie im oberen Bild) dient dem Zweck, es auf der Leinwand sichtbar zu machen. Er malt die Natur nicht so, wie sie erscheint, sondern als etwas, das hinter ihr steht.
Darum kommen die Menschen auf seinen Bildern eigentlich nicht vor. Bei Claude erschienen sie nur als Staffage und als mythologischer Vorwand für ein triviales Landschaftsgemäde. Bei Corot
erfüllen sie später nur eine optische Funktion. Wenn auf Friedrichs
Bildern mal ein Mensch vorkommt, dann klein vor einer großen Landschaft,
reglos und von hinten: Sie ‘stehen für’ den Bildbetrachter selbst,
allein und der Natur gegenüber, und von ihr überwältigt. Und
noch lieber würzt er seine Tableaux mit verrottendem Menschenwerk, das
an unsere Vergänglichkeit erinnert.
Böhmerwald
Mit andern Worten,
Friedrich frömmelt altmodisch wie die Maler des Mittelalters. Im
neunzehnten Jahrhundert geriet er bald in Vergessenheit, und seine
Verklärung zum “deutschen” Maler im Dritten Reich hat er nicht wirklich
verdient. Aber weltanschaulich ist seine Kunst, das macht sie
fungibel, und auch für andere Zwecke als die seinen. Eine neue,
verstohlene Popularität gewann sie im Umwelt-, Ganzheits- und
Gesundheitskitsch der Achtziger Jahre, und das war so unverdient nicht.
Die heikle Nähe zum Kitsch macht freilich den besonders modernen
Reiz von Friedrichs Bildern aus: Man muss aus ironischer Distanz ‘über
sie wegsehen’, um ihre ästhetische Qualität wahrzunehmen. Man muss abstrahieren; im Anschauen reflektieren. Das Modernste an Friedrich ist etwas, das er ganz bestimmt nicht beabsichtigt hat.
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