Montag, 5. April 2021

Gott und die Welt?

4ever                                   aus Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik  

Kant hatte die Objektivität der Welt in der apriorischen Anschauung vom Raum begründet, Fichte gründet sie unmittelbar im Ich. Kant konnte die Objektivität der Gottesvorstellung nicht im Raum begründen, Fichte will sie wiederum unmittelbar im Ich begründen: im Ge-fühl des Strebens. Doch im Gefühl des Strebens kann er lediglich die Idee eines Zwecks-überhaupt, Zwecks der Zwecke, eines absoluten Wozu usw. begründen, die qua Idee ein bloßes Noumenon, eine Fiktion darstellt, von der 'gar nicht vorgegeben wird, dass ihr etwas Wirkliches entspreche'.
 

Er will* aber auf die Vorstellung Gottes als ein Bild des Sittengesetzes hinaus. Da müsste zur Objektivität der Idee vom Zweck-an-sich noch etwas Subjektives hinzutreten, das nicht notwendig, sondern willkürlich wäre; er sagt es selbst: eine "moralische Bildung", etwas Hi-storisches, Zufälliges. - Seine Argumentation wäre schlüssiger geblieben, wenn er auf diesen Beisatz verzichtet hätte; aber zur Idee Gottes hätte sie dann nicht gereicht.

16. 7. 17 
 
 
*) Nämlich in Über den Grund unseres Glaubens an eine göttliche Weltregierung. Er kon-struiert dort die Vorstellung von einem vernünftigen Endzustand einer "moralischen Welt-ordnung", wo alle sittlichen Zwecke verwirllicht sind, und die dem reellen sittlichen Han-deln hic et nunc 'notwendig' als ein ebenso reeller Zweck vorauszusetzen sei. In einem sol-chen wäre indes die Vernunft abgeschlossen. Das kann er sich aber im Ernst doch nicht vorgestellt haben! Vernunft ist ja nun kein Faktum - Sachverhalt, Zustand, Götzenbild -, sondern ist nur in aktualem Vollzug: während des tätigen Sich-selbst-Setzen eines vernünf-tigen Wesens.

Und damit wäre im Zustand der moralischen Weltordnung ja wohl Schluss. Käme die Ver-nunft zu einem Schluss, wäre sie aus und vorbei, und alles vernünftige Handeln vorher wäre entwertet und ad absurdum geführt. 

Es ist gut möglich, dass F. eine solche mystisch-romantische Idee undeutlich im Sinn hatte. Sie lag dort in ständigem Streit mit seinem Entschluss zum kritischen und 'transzendentalen' Philosophieren. Der auf jenen Aufsatz folgende Atheismusstreit hat Fichte schließlich dahin gebracht, das kritische Prinzip fallenzulassen und zu dogmatischer Predigt überzugehen


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