zu Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik
3. Diejeinige Vorstellung hat Realität, welche aus dem Gefühl notwendig erfolgte, wenn dies Kausalität hätte
(nach dem Obigen). Nun soll hier eine Ortsbestimmung im Raume objekti-ve
Gültigkeit haben (sie soll so bestimmt sein, weil ich so bestimmt
bin), ich müsste sonach mich im Raume fühlen, aber der Raum wird nicht
gefühlt, er ist Form der Anschauung; und doch soll es so sein. Demnach
müsste beides vereinigt sein, / es müsste ein Drittes geben, welches zwischen beiden in der Mitte läge.
So etwas kennen wir
schon. In dem besondren Gefühle wird nach dem Obigen ein System der
Sensibilität überhaupt vorausgesetzt, durch die Beziehung auf welches
das besondre Ge-fühl erst ein besonderes wird. Das System ist das
Bestimmbare zum Besondren, welches in dieser Rücksicht das Bestimmte
ist. Aber ein solches Gefühl ist das Gefühl der Begrenzt-heit, und jenes
System [ist]
das System der Begrenzbarkeit. Begrenztheit ist aber nichts ohne das
Streben, und das Gefühl der Begrenzbarkeit ist auch nichts ohne Gefühl
des Strebens überhaupt. So etwas muss gesetzt werden, wenn ein
objektives Vorstellen zustande kommen soll, alles dies aber ist nur fürs
Gefühl. So gewiss Anschauung sein soll, muss Gefühl sein.
Das fühlende und das
anschauende Ich ist eins und dasselbe, beide Zustände sind notwen-dig
vereinigt. Aber in wiefern das Ich sich als anschauend setzt, setzt es
sich ganz als an-schauend, und wiefern es sich als fühlend setzt, setzt
es sich ganz als fühlend. Der unteil-bare Zustand des Ich ist zweierlei,
und darum kommt er in doppelter Rücksicht vor. Fühlen des Fühlens und
Anschauen des Anschauens sind vereinigt. Darauf kommt alles an. Der
Vereinigungspunkt liegt im Wesen der Tätigkeit des Ich.
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J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 118f.
Nota I. - Da steht es ja: Der Zustand des Ich ist die Vereinigung von Gefühl und Anschau-ung;
Anschauung ist Reflexion, und in der Reflexion ist es, dass ein
Denkzwang 'gemerkt' wird. Der Versuch, den Denkzwang vorab noch einmal
extra ins Gefühl einzugemeinden, war ganz überflüssig.
15. 11. 16
Nota II. - Unmittelbar betrachtet, ist der Zustand des Ich keine Vereinigung, sodern eine Einheit. Betrachtet werden kann es allerdings nicht unmittelbar. Betrachtung - Anschauung - ist sekundär, ist mittelbar, ist reflexiv. Gefühl und Anschauung werden erst durch die Re-flexion - hier: des kritischen Philosophen - in dem Einen und Ganzen Ich unterschieden. Und so erst wird auch aus dem einen Ich das Ich als Subjekt der Vernunft einerseits, und die empirische Person andererseits. Es 'setzt sich' ganz sei's als fühlend, sei's ganz als an-schauend. Das Gefühl liegt voll und ganz auf der einen Seite, weshalb die Transzendental-philosophie es auch nicht weiter zu bestimmen braucht. Zu bestimmen hat sie lediglich die andere Seite: alles, was aus der Anschauung folgt.
Nicht unterscheidbar sind beide Seiten allerdings in der lebendigen Tätigkeit selbst, die sich so ein weiteres Mal als der Realgrund aller Ichheit behauptet.
JE
Nota. Das obige Foto gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie der Eigentümer sind und seine Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Nachricht auf diesem Blog. JE
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