aus spektrum.de, 8. 1. 2022
Hirnentwicklung zuJochen Ebmeiers Realien;
Mit weniger Ionenkanälen zu mehr Grips?
Menschliche
Neurone haben deutlich weniger ionendurchlässige Poren als andere
Säugetiere. Womöglich konnte unser Gehirn so mehr Energie in die
Kognition investieren.
von Anna Lorenzen
Nervenzellen
brauchen Ionenkanäle, damit sie eintreffende Signale in elektrische
Impulse umwandeln können. Die Poren in der Membran lassen geladene
Teilchen wie Natrium- oder Kaliumionen kontrolliert in die Zelle hinein-
oder aus ihr hinausfließen. Wissenschaft-ler vom Massachusetts Institute
of Technology (MIT) in Cambridge, USA, haben nun eine überraschende Eigenheit des menschlichen Gehirns entdeckt:
Unsere Neurone haben deutlich weniger der winzigen Kanäle als die
anderer Säugetiere. Die Arbeitsgruppe um Mark Harnett glaubt, dass
dieser Umstand überhaupt erst die hohe Rechenleistung des menschlichen
Denkorgans ermöglicht haben könnte.
Die
Forscherinnen und Forscher untersuchten die Nervenzellen in
Hirnschnitten von zehn verschiedenen Säugetieren – angefangen bei der
Etruskerspitzmaus, dem kleinsten Säuger der Welt, über Ratten, Kaninchen
und Makaken bis hin zum Menschen. Bei den menschli-chen Präparaten
handelte es sich um Gewebe, welches Epilepsiepatienten im Zuge eines
chirurgischen Eingriffs operativ entfernt worden war. Das Team maß mit
Hilfe hauchdün-ner Pipetten die elektrischen Eigenschaften der
Pyramidenzellen in der Hirnrinde. Darüber konnte es auf die Menge an
Ionenkanälen rückschließen.
Bei allen untersuchten Tierarten zeigte sich ein durchgehendes Prinzip: Die Dichte an Ionenkanälen eines Neurons steigt mit zunehmender Größe der Nervenzelle. Im winzigen Gehirn der Etruskerspitzmaus, das mit sehr kleinen Neuronen vollgepackt ist, befinden sich mehr Nervenzellen in einem bestimmten Hirnvolumen als beim Kaninchen, das viel größere Neurone hat. Da letztere jedoch mehr Ionenkanäle aufweisen, ist die Dichte der Kanäle pro Gewebevolumen bei beiden Arten trotzdem gleich.
»Es scheint, als würde der Kortex versuchen, die Anzahl an Ionenkanälen pro Hirnvolumen und somit die Energiekosten über alle Arten konstant zu halten«, sagt Harnett. Nur der Mensch fällt hier aus der Reihe. Die Wissenschaftler fanden bei unserer Spezies deutlich weniger Ionenkanäle, als es nach diesem Prinzip zu erwarten gewesen wäre. Sie vermuten, dass das menschliche Gehirn so mehr Energie in komplexere Verbindungen oder höhere Feuerraten investieren kann. »Wenn das Gehirn Energie spart, indem es die Dichte an Ionenkanälen reduziert, kann es mehr Energie für andere neuronale Prozesse aufbringen«, sagt der Neurowissenschaftler.
Nota. - Der Verständlichkeit halber: Nicht 'dasGehirn spart', sondern in deer Evolution der menschlichen Gattung haben sich an einem bestimmten Punkt jene Individuum bei der Fortpflanzung besser bewährt, die zufällig und ausnahmsweise - das nennt man eine Muta-tion - nicht den überkommenen Normen entsprachen, sondern an diesem einen Punkt aus der Reihe tanzten. Das Gehirn selber dürfte dabei kaum eine Rolle gespielt haben: Auszu-denken war das ja wohl nicht.
JE
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