aus spektrum.de, 10. 1. 2022 zuJochen Ebmeiers Realien;
Man wird älter
Wodurch erlahmt mit der Zeit unsere Vitalität? Warum werden manche Tiere uralt? Und wozu ist ein langes Leben überhaupt gut?
von Michael Springer
Für
die Alternsforschung muss oft der Fadenwurm herhalten. Kaum ein Tier
ist erfolg-reicher. Unzählige Arten solcher Nematoden bevölkern die Erde,
viele machen sich als Parasiten in Pflanzen und Tieren breit, und
einige besiedeln den menschlichen Darm. Wie schwinden die Lebensgeister
dieser Helden der Evolution?
An der Universität Köln hat sich ein Team von Medizinforschern um David Vilchez den Modellorganismus Caenorhabditis elegans vorgenommen, um herauszufinden, was gealterte Vertreter dieses Fadenwurms physiologisch von ihren jüngeren Artgenossen unterscheidet. Dabei spielt die Aktivität des Proteins Ubiquitin eine entscheidende Rolle; es ist, wie sein Name sagt, in den Zellen praktisch aller Organismen allgegenwärtig (»ubiquitär«). In C. elegans bewerkstelligt es den Abbau zweier Proteine namens IFB-2 und EPS-8, die bei Übermaß die Muskeln und den Darm eines ausgewachsenen Wurms beeinträchtigen kön-nen. Bei alten Nematoden scheint dieser Abbau, die Ubiquitinierung, zu erlahmen, so dass die schädlichen Proteine überhandnehmen.

Aber warum ist das überhaupt so? Eine biologische Erklärung für das Phänomen des Alterns besagt: Die Evolution selektiert zwar Gene, die für die Ontogenese und sexuelle Fortpflanzung eines jungen Organismus vorteilhaft sind – und das ist bei den für die erwähnten Proteine codierenden Genen tatsächlich der Fall –, doch später dürfen dieselben Gene mit ihren Proteinen durchaus bleibenden Schaden anrichten. Und auch die Schadens-regulation durch Ubiquitinierung kann im Alter ruhig erlahmen, denn der Organismus hat seine evolutionäre Fortpflanzungsaufgabe ja schon erfüllt. Also ist Altern, biologisch gesehen, der späte Preis für jugendliche Fitness.
Genug
von faden Würmern, die höchstens ein paar Wochen lang leben. Wenden
wir uns einem wahren Methusalem der Meere zu. Der Felsenbarsch Sebastes aleutianus vermag in extremen Fällen mehr als 200 Jahre durchzuhalten. Wie
und warum er das schafft, fragte sich ein Team von US-Biologen um Peter
H. Sudmant von der University of California in Berkeley.
Zurückgezogenheit als Erfolgsrezept
Es
gibt durchaus Felsenbarsch-Arten, die es nur auf 20 Jahre bringen. Was
unterscheidet sie von unserem Rekordhalter? Sie leben gefährlicher,
treiben sich in seichten Salzwassertüm-peln herum und sterben öfter eines
gewaltsamen Todes als S. aleutianus. Der lebt sehr
zu-rückgezogen und bevorzugt Felsnischen in größerer Tiefe, aus denen er
sich kaum je her-vorwagt. Außerdem verfügt er über ein ausgezeichnetes
DNA-Reparatursystem. Das be-wahrt ihn viel besser als die kurzlebigeren
Barschspezies vor der Akkumulation schädlicher Genvarianten. Vor allem
solch genetischer Müll ist für den biologischen Alterungsprozess bei
Tieren ausschlaggebend, deren Lebensspanne sich nach Jahren bemisst und
nicht nach Wochen.
Warum nur belohnt die Evolution einen alten
Knacker mit derart effektiven lebensverlän-gernden Maßnahmen? Der
Hauptgrund ist eine Laune der Natur: Der langlebige Barsch verfügt über
eine mit dem Alter wachsende Fortpflanzungskraft. Ein 150-jähriger
Felsen-barsch vermag mehr als eine Million Nachkommen pro Jahr zu
produzieren. Also ist ein langes Leben für die Art von Vorteil.
Wie
man an den gegensätzlichen Beispielen von Wurm und Fisch sieht,
korreliert das tierische Lebensalter mit der sexuellen Fitness. Bei uns
Menschen fällt die reproduktive Phase recht kurz aus. Wir können die
biologische Programmierung freilich überlisten, indem wir bei gesunder
Ernährung und sportlichem Lebenswandel ein möglichst langes, produktives
und fürsorgliches Alter genießen. Wie ein Elefant, vielleicht.
Nota. - Das Leben sei der Güter höchstes, heißt es seit bald drei Generationen. Was aber ist Leben? Stoffwechsel und Fortpflanzung, muss der Naturwissenschaftler achselzuckend ein-räumen. Sind das Zwecke, um die es sich zu leben lohnt? Ich für mein' Teil habe mich meines Wissens bislang nicht fortgepflanzt und werde es aus Altersgründen wohl kaum noch tun. Vom Standpunkt des Lebens könnte ich ausgemustert werden, und hätte man's vorher gewusst, hätte es auch gleich geschehen können.
Aber ich habe doch noch ein Werk zu... na ja, vollenden wird wohl nicht gehen, aber noch ein bisschen abzurunden, damit man's besser versteht und hütet. Zum Glück bin ich kein naturverliebter Darwinist, sonst müsste ich trübselig werden.
JE
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