Sonntag, 16. Januar 2022

Man altert, weil man zur Arterhaltung nichts mehr beizutragen hat.

Silhouette und Schatten der Beine eines alten Mannes, der am Stock geht

aus spektrum.de, 10. 1. 2022                                                                                                      zuJochen Ebmeiers Realien;

Man wird älter
Wodurch erlahmt mit der Zeit unsere Vitalität? Warum werden manche Tiere uralt? Und wozu ist ein langes Leben überhaupt gut?


von Michael Springer

Für die Alternsforschung muss oft der Fadenwurm herhalten. Kaum ein Tier ist erfolg-reicher. Unzählige Arten solcher Nematoden bevölkern die Erde, viele machen sich als Parasiten in Pflanzen und Tieren breit, und einige besiedeln den menschlichen Darm. Wie schwinden die Lebensgeister dieser Helden der Evolution?

An der Universität Köln hat sich ein Team von Medi­zinforschern um David Vilchez den Modellorganismus Caenorhabditis elegans vorgenommen, um herauszufinden, was gealterte Vertreter dieses Fadenwurms physiologisch von ihren jüngeren Artgenossen unterscheidet. Dabei spielt die Aktivität des Proteins Ubiquitin eine entscheidende Rolle; es ist, wie sein Name sagt, in den Zellen praktisch aller Organismen allgegenwärtig (»ubiquitär«). In C. elegans bewerkstelligt es den Abbau zweier Proteine namens IFB-2 und EPS-8, die bei Übermaß die Muskeln und den Darm eines ausgewachsenen Wurms beeinträchtigen kön-nen. Bei alten Nematoden scheint dieser Abbau, die Ubiquiti­nierung, zu erlahmen, so dass die schädlichen Proteine überhandnehmen.

1/2022 Dieser Artikel ist enthalten in Spektrum der Wissenschaft 1/2022

Aber warum ist das überhaupt so? Eine biologische Erklärung für das Phänomen des Alterns besagt: Die Evolution selektiert zwar Gene, die für die Ontogenese und sexuelle Fortpflanzung eines jungen Organismus vorteilhaft sind – und das ist bei den für die erwähnten Proteine codierenden Genen tatsächlich der Fall –, doch später dürfen dieselben Gene mit ihren Proteinen durchaus bleibenden Schaden anrichten. Und auch die Schadens-regulation durch Ubiquitinierung kann im Alter ruhig erlahmen, denn der Organismus hat seine evolutionäre Fortpflanzungsaufgabe ja schon erfüllt. Also ist Altern, biologisch gesehen, der späte Preis für jugendliche Fitness.

Genug von faden Würmern, die höchstens ein paar Wochen lang leben. Wenden wir uns einem wahren Methusalem der Meere zu. Der Felsenbarsch Sebastes aleutianus vermag in extremen Fällen mehr als 200 Jahre durchzuhalten. Wie und warum er das schafft, fragte sich ein Team von US-Biologen um Peter H. Sudmant von der University of California in Berkeley.

Zurückgezogenheit als Erfolgsrezept

Es gibt durchaus Felsenbarsch-Arten, die es nur auf 20 Jahre bringen. Was unterscheidet sie von unserem Rekordhalter? Sie leben gefährlicher, treiben sich in seichten Salzwassertüm-peln herum und sterben öfter eines gewaltsamen Todes als S. aleutianus. Der lebt sehr zu-rückgezogen und bevorzugt Felsnischen in größerer Tiefe, aus denen er sich kaum je her-vorwagt. Außerdem verfügt er über ein ausgezeichnetes DNA-Reparatursystem. Das be-wahrt ihn viel besser als die kurzlebigeren Barschspezies vor der Akkumulation schädlicher Genvarianten. Vor allem solch genetischer Müll ist für den biologischen Alterungsprozess bei Tieren ausschlaggebend, deren Lebensspanne sich nach Jahren bemisst und nicht nach Wochen.

Warum nur belohnt die Evolution einen alten Knacker mit derart effektiven lebensverlän-gernden Maßnahmen? Der Hauptgrund ist eine Laune der Natur: Der langlebige Barsch verfügt über eine mit dem Alter wachsende Fortpflanzungskraft. Ein 150-jähriger Felsen-barsch vermag mehr als eine Million Nachkommen pro Jahr zu produzieren. Also ist ein langes Leben für die Art von Vorteil.

Wie man an den gegensätzlichen Beispielen von Wurm und Fisch sieht, korreliert das tierische Lebens­alter mit der sexuellen Fitness. Bei uns Menschen fällt die reproduktive Phase recht kurz aus. Wir können die biologische Programmierung freilich überlisten, indem wir bei gesunder Ernährung und sportlichem Lebenswandel ein möglichst langes, produktives und fürsorg­liches Alter genießen. Wie ein Elefant, vielleicht.

 

Nota. - Das Leben sei der Güter höchstes, heißt es seit bald drei Generationen. Was aber ist Leben? Stoffwechsel und Fortpflanzung, muss der Naturwissenschaftler achselzuckend ein-räumen. Sind das Zwecke, um die es sich zu leben lohnt?  Ich für mein' Teil habe mich meines Wissens bislang nicht fortgepflanzt und werde es aus Altersgründen wohl kaum noch tun. Vom Standpunkt des Lebens könnte ich ausgemustert werden, und hätte man's vorher gewusst, hätte es auch gleich geschehen können.

Aber ich habe doch noch ein Werk zu... na ja, vollenden wird wohl nicht gehen, aber noch ein bisschen abzurunden, damit man's besser versteht und hütet. Zum Glück bin ich kein naturverliebter Darwinist, sonst müsste ich trübselig werden.

JE

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