aus nzz.ch, 18. 1. 2022 zu Levana, oder Erziehlehre
... Neuen Wind hat auch Bernhard Gademann gebracht, seitdem er die Schulleitung von seinem Vater übernommen hat. Er und sein Leitungsteam wollen kein Internat betreiben, in dem die Kinder einer zahlungskräftigen Kundschaft auf optimale Leistung getrimmt werden. «Generell müssen Schulen weg von der Idee, dass Wissen allein eine gute Ausbildung ausmacht», fordert Gademann. Maximal individuelle Erziehung statt Drill und Prüfungen bis zum Abwinken, so lautet das Motto. «Wir bauen in unseren Klassenzimmern gezielt die Silos ab, in denen an öffentlichen Schulen immer noch unterrichtet wird, und versuchen Verknüpfungen zu schaffen.»
Das Institut auf dem Rosenberg zeichnet laut dem Direktor aus, dass die Schulleitung und Lehrpersonen mutig genug sind, um die Frage anzugehen, wie die Ausbildung aussehen müsste, die Schülerinnen und Schüler effektiv auf die Zukunft vorbereitet. «Wir fokussieren uns darauf, dass unsere Schüler kreativ lernen, dass sie miteinander lernen, dass sie vernetzt denken», sagt der Direktor. Angestrebt werde eine hochmoderne Erziehung.
Gademann hat gut reden. Kann er doch aus einer Position der finanziellen Stärke argumentieren und handeln. Rund 140 000 Franken müssen die Eltern pro Schuljahr hinblättern. Das ist mehr als doppelt so viel wie das renommierte Eton College, wie die Zeitung «The Guardian» schreibt.
«Wir sind privilegiert, und das sollen unsere Schüler auch wissen», gesteht er ein. In einer der Jugendstilvillen hängt denn auch ein Poster, auf dem gross die Zahl 0,0045 Prozent steht. Dies ist die Prozentzahl der Weltbevölkerung, welche die finanziellen Mittel hat, das Internat auf dem Rosenberg zu besuchen.
«Unter der Prozentzahl steht, dass Privileg immer auch Verantwortung bedeutet», erklärt Gademann. «Diese Aussage ist für uns ganz wichtig.» Die Studierenden nähmen nach ihrer Ausbildung im Institut auf dem Rosenberg in ihren Heimatländern häufig Schlüsselpositionen ein. «Dafür wollen wir ihnen hier vermitteln, was Verantwortung bedeutet», so Gademann. Die Studierenden werden geformt für künftige Führungsaufgaben in ihrem Familienunternehmen oder in anderen Bereichen wie Investment, Kunst oder Philanthropie.
Zu den Privilegien der Absolventinnen und Absolventen gehört neben den exklusiven Schulanlagen auch, dass sie mit dem firmeneigenen Auto zu Trainings, Einkäufen, Impfterminen und ähnlichen Anlässen chauffiert werden. Der Service zum Abholen am Flughafen Zürich ist selbstverständlich.
Das Sportangebot umfasst über vierzig verschiedene Kurse von Fussball über Tennis bis zu Golf. Zu den Höhepunkten zählen die regelmässigen Ski-Weekends im Winter. Das Mittagessen, zu dem sich alle Studierenden, Lehrer sowie das Direktoren-Ehepaar in einem grossen Saal treffen, wird von fleissigem Personal serviert. Insgesamt kümmern sich 140 Angestellte rund um die Uhr um das Wohl der 230 Kinder.
Der Alltag auf dem Rosenberg, wo jeder Studierende sein individuell auf ihn abgestimmtes Unterrichtsprogramm erhält, lässt sich also kaum mit der Realität an einer normalen Kantonsschule vergleichen. Die maximale Klassengrösse beträgt acht Schüler, so dass garantiert ist, dass jeder Absolvent eine optimale Betreuung erhält.
Allerdings stellt Gademann infrage, ob an den öffentlichen Gymnasien tatsächlich die vielbeschworene Chancengleichheit herrscht. Mittlerweile ist es seiner Meinung nach oft eine Frage des Wohnorts geworden oder eine Frage der finanziellen Voraussetzungen, ob Eltern ihrem Kind den Besuch einer Mittelschule ermöglichen können. «Zum Teil wird der Unterricht auch ausgelagert. Offiziell sind es zwar Hausaufgaben, doch Mami oder Papi müssen dabeisitzen und helfen oder privat für Prüfungsvorbereitung sorgen. Das ist nicht fair», kritisiert er.
Gademann erführe gerne, was ein Schuljahr an einem kantonalen Gymnasium den Steuerzahler tatsächlich kostet. «Ich wage zu behaupten, dass das von unserem Preis gar nicht so weit entfernt ist. Bei uns sind ja noch die Unterkunft, die Verpflegung dabei und Wochenendprogramme», meint er.
Der Director General des Instituts auf dem Rosenberg kritisiert die öffentliche Schule nicht per se. Dort gebe es sehr viele Lehrpersonen und Schulleiter, denen die Herausforderungen sehr wohl bewusst seien. Ihnen fehle es auch nicht an Interesse und Motivation. «Doch sie fühlen sich oft allein gelassen und hilflos. Sie würden gerne einen Unterschied machen, sind aber so gefangen in der Vorstellung, was Schule sein soll», merkt er an. Dieses Bildungskonzept sei inzwischen mehr als 150 Jahre alt. Damals habe man im Zuge der Industrialisierung und der Militarisierung dafür sorgen müssen, dass die Menschen zu einer Bildung kämen. Auf dieses veraltete Konzept könnten weder private noch öffentliche Schulen setzen.
«Unsere Erkenntnis ist, dass sich das, was wir auf dem Rosenberg machen, grundsätzlich an jeder öffentlichen Schule umsetzen liesse», sagt Gademann und schlägt eine Brücke zum öffentlichen Schulwesen. Die ETH Zürich und die Industriefirmen, mit denen das Privatinstitut für Creative Lab und Future-Park zusammenarbeitet, würden gerne auch mehr mit Schulen zusammenarbeiten. Es gebe keinen Grund, warum dies an einer öffentlichen Schule nicht auch der Fall sein sollte. «Doch man muss den Mut haben, die Tür aufzumachen und die Leute in diesen Institutionen anzusprechen, sie zu begeistern», fordert Gademann.
Er ist denn auch interessiert an einem stärkeren Austausch mit den öffentlichen Bildungsinstitutionen. Gademann schätzt die Chancen dafür besser ein als in der Vergangenheit. «Mein persönlicher Eindruck ist, dass sich die Wahrnehmung verändert», sagt Gademann. «Das hat auch damit zu tun, dass in der Schweizer Bevölkerung das Misstrauen gegenüber Privatschulen stetig abnimmt. Mittlerweile wird erkannt, dass Privatschulen eine interessante Perspektive für das ganze Bildungssystem bieten können.»
Allerdings gibt es noch einiges zu tun, und das auch in der engeren Umgebung. Zum 125-Jahr-Jubiläum des Instituts veröffentlichte das St. Galler Kulturmagazin «Saiten» einen Beitrag mit dem Titel «Im Pelzmantel des Schweigens». Es wurde das Bild einer Eliteschule gezeichnet, die praktisch keine Beziehung zur St. Galler Bevölkerung hat. «An den Anblick von adretten Mädchen in hochhackigen Schuhen und jungen Schnöseln in Krawatte hat man sich im Quartier längst gewöhnt», frotzelte der Autor.
Bernhard
Gademann unternimmt einiges, um dieses Image zu korrigieren und den
«Pelzmantel des Schweigens» zu lüften. So lädt er immer wieder
Medienvertreter ein und ist mit Interviews in Magazinen wie «Stern»,
«Gentlemen’s Quarterly» oder «Forbes» präsent. Doch gewisse Grenzen
werden dabei nicht überschritten. «Diskretion ist insofern wichtig, als
wir die Privatsphäre unserer Schüler schützen möchten. Es ist jedoch
kein Abschotten oder Geheimhalten», sagt Gademann. ...
Nota. - Wenig informativ, werden Sie sagen, und da haben Sie Recht. Wenn genügend Geld da ist, ist manches möglich - manchmal sogar das Richtige.
Der springende Punkt sind aber die 140 000 Schweizer Franken pro Jahr - und die Behaup-tung, dass Öffentliche Schulen nicht viel billiger seien.
Das ist glaubwürdig. Doch bei den öffentlichen Schulen sind Kosten enthalten, die bei Privatschulem entfallen: Bei ihnen muss eine gewaltige Bürokratie - von den Ministerien hinab bis in die Kommunen - unterhalten werden, die bei den Privaten von einem Unter-nehmer und seiner Crew ersetzt werden.
Wenn die Schulen aber in ihrem Gros öffentlich kontrollierbar, nämlich öffentlich bestallten Gremien gegenüber verantwortlich sein sollen, dann... geht's nicht billiger. Die Kontrolle durch staatliche Instanzen bekommen die Privaten ganz umsonst, und selbst die ist man-chen von ihnen schon zuviel. Aber en Gros ist sie unverzichtbar in einem Staat, der das Gemeinwesen zu repräsentieren beansprucht. Genauer gesagt: die Ausnahmestellung der Privatschulen ist nur möglich, weil und solange sie Ausnahmen sind. Weil nämlich der Staat die 140 00 Franken für die Schüler, deren Eltern sie nicht selber aufbringen können, aus dem Steueraufkommen Aller bestreitet. Dass davon ein großer Teil statt für die Bildung der Kinder für den Unterhalt der Staatsbediensteten draufgeht, müssen sie in Kauf nehmen.
Ein Gemeinwesen, das so eingerichtet ist, dass es Schulen braucht, muss Schulen als einen unvermeidlichen Notbehelf mit sich schleppen - man kann's ihm nicht vorwerfen. Es darf aus dem unvermeidlichen Notbehelf nur kein Ideal machen wollen und nach einer Schul-form suchen, wie sie sein müsste; sie muss nämlich immer nur unter fehlerhaften Bedingun-gen sein.
JE
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