
aus FAZ.NET, 24.06.2020 Hokusais „Große Welle
vor Kanagawa“, als Holzschnitt erstmals publiziert 1830
Japanische Kunst in Hamburg
Kunst kommt von Kopieren
Missverstandene Meisterschaft: Eine Hamburger Ausstellung widmet sich dem japanischen Kunstprinzip der Wiederholung.
Von
Andreas Platthaus
Im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe wird seit einigen Jahren mit Stiftungsgeld die Ostasien-Sammlung des Hauses wissenschaftlich neu erschlossen, und das gibt immer wieder Anlass für kleinere Ausstellungen. So auch jetzt für „Copy & Paste – Wiederholung im japanischen Bild“. Wie jeder weiß, der sich für die Kunst des Fernen Ostens interessiert, ist das dortige Verständnis von Meisterschaft nicht primär an Originalität gebunden, sondern an Perfektion – gerade auch im Nachempfinden kanonisch anerkannter Vorbilder.
Im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe wird seit einigen Jahren mit Stiftungsgeld die Ostasien-Sammlung des Hauses wissenschaftlich neu erschlossen, und das gibt immer wieder Anlass für kleinere Ausstellungen. So auch jetzt für „Copy & Paste – Wiederholung im japanischen Bild“. Wie jeder weiß, der sich für die Kunst des Fernen Ostens interessiert, ist das dortige Verständnis von Meisterschaft nicht primär an Originalität gebunden, sondern an Perfektion – gerade auch im Nachempfinden kanonisch anerkannter Vorbilder.
Das bezeichnet einen großen Unterschied zwischen westlicher und östlicher Ästhetik. Was macht das Museum daraus? Nichts. Es versammelt rund 75 Objekte, die die japanische Reproduktionsfaszination belegen sollen, und füllt einige weitere Vitrinen mit kommerziellem Tinnef, um die These speziell am Beispiel der Beliebtheit des Hokusai-Motivs der „Großen Welle vor Kanagawa“ zu illustrieren. Abgesehen davon, dass man Gleiches mit der Mona Lisa oder den Engelchen der Sixtinischen Madonna – also ähnlich im weltweiten Bildgedächtnis verankerten westlichen Meisterwerken – machen könnte, hat etwa die simple Übernahme des berühmten Vorbilds auf einem Vivienne-Westwood-Kleid weder handwerklich noch kulturell etwas mit japanischer Kultur zu tun. Und massenhaft angefertigte Souvenirartikel erheben auch in Japan keinen Anspruch auf künstlerische Qualität.

Von Hokusai hatte er das Wellenschlagen gelernt: Hiroshiges Holzschnitt des Naruta-Strudels aus dem Jahr 1854.
Die Große Welle als Paradebeispiel der Schau, mit dem man – auch als Plakatmotiv – ein breites Publikum ins Haus zu locken hofft, taugt also in Form ihrer vielen Vermarktungen nicht zur Illustration des Themas. Und die Gegenüberstellung von Utagawa Kunisadas – wunderbaren – Vorzeichnungen mit den danach angefertigten Drucken trägt ebenfalls nicht zum Begreifen japanischen Kunstverständnisses bei: Das genaue Kopieren nach Bildvorlagen betrieben ja europäische Radierer oder Holzschneider genauso, nur waren das meist die Künstler selbst. Originell wäre gewesen, in der Ausstellung etwas über jene japanischen Schnitzer und Drucker zu erzählen, die dank der strengen Zensurbestimmungen in der Edo-Zeit jeweils auf den Blättern vermerkt werden mussten, also leicht zu identifizieren sind. Doch man verharrt bei dem westlichen Schöpferideal, also den Zeichnern.
Bleibt gar nichts von „Copy&Paste“? Doch, denn dank des reichen Nachlasses des Japan-Sammlers Gerhard Schack, der nach dessen Tod im Jahr 2007 ins Museum für Kunst und Gewerbe gelangte, sind auch Werke aus Japan zu sehen, die Schacks Freund Horst Janssen als Vorlagen zu eigenen Arbeiten gedient haben. Auf geradezu surrealistische Weise wird in einer Janssen-Zeichnung aus einem exakt von ihm kopierten japanischen Krustentier eine Damenfrisur. Das hat zwar gar nichts mehr mit dem Grundthema von „Copy & Paste“ zu tun, ist aber reines Sehvergnügen. Wie auch Utagawa Kuniyoshis famoser Holzschnitt „Krakeleien an einer Speicherwand“ aus dem Jahr 1848, der seinen größten Witz aus einem Wortspiel des japanischen Titels zieht, das den Betrachtern enthüllte, dass es sich bei den angeblichen Kritzeleien um kunstvoll karikierte Stars des damaligen Theaterbetriebs handelt. Nur was ist daran Wiederholung? Das Verhältnis zwischen Original und Abbild ist hier einmal mehr wieder Variation, ganz wie im Falle des Janssen-Bilds.

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