Samstag, 21. März 2020

Die erste geschichtliche Tat.

ippm                                                                     aus Marxiana 

[28] Wir müssen bei den voraussetzungslosen Deutschen damit anfangen, daß wir die erste Voraussetzung aller menschlichen Existenz, also auch aller Geschichte konstatieren, nämlich die Voraussetzung, daß die Menschen imstande sein müssen zu leben, um »Geschichte machen« zu können. Zum Leben aber gehört vor Allem Essen und Trinken, Wohnung, Kleidung und noch einiges Andere. 

Die erste geschichtliche Tat ist also die Erzeugung der Mittel zur Befriedigung dieser Bedürfnisse, die Produk- tion des materiellen Lebens selbst, und zwar ist dies eine geschichtliche Tat, eine Grundbedingung aller Ge- schichte, die noch heute, wie vor Jahrtausenden, täglich und stündlich erfüllt werden muß, um die Menschen nur am Leben zu erhalten. Selbst wenn die Sinnlichkeit, wie beim heiligen Bruno,* auf einen Stock, auf das Mi- nimum reduziert ist, setzt sie die Tätigkeit der Produktion dieses Stockes voraus.

Das Zweite ist, daß das befriedigte erste Bedürfnis selbst, die Aktion der Befriedigung und das schon erwor- bene Instrument der Befriedigung zu neuen Bedürfnissen führt – und diese Erzeugung neuer Bedürfnisse ist die erste geschichtliche Tat.

*) Bruno Bauer  
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Marx/Engels [u.a.], Die Deutsche Ideologie, MEW 3, S. 28


Nota. - Das Manuskript der Deutschen Idologie ist unredigiert der nagenden Kritik der Mäuse überantwortet wor- den, andernfalls hätten wir es hier nicht mit zwei, sondern nur mit einer ersten geschichtlichen Tat zu tun. Nicht formal-, sondern materiallogisch betrachtet, haben wir es auch so nur mit einer zu tun, denn die Erfindung eines Werkzeugs zur Befriedigung eines bestimmten Bedürfnisses befriedigt es virtuell dauerhaft und ruft ipso facto ein neues Bedürfnis hervor. Im historischen Verlauf betrachtet, ist es wirklich dasselbe Ereignis. War die Gattungs- geschichte bis dahin ein passives Naturgeschehen von Anpasung und Auslese, wird sie von hier an dynamisch und zur historischen Geschichte.

Dies ist das Entscheidende: Die Fähigkeit, vorgegebene Bedürfnisse aus eigenem Vermögen zu befriedigen, begrün- det zugleich das Vermögen, neue Bedürfnisse zu kreieren. Es ist die erste geschichtliche Tat, weil damit die Familie Homo ihre Gattungs geschichte zu ihrem eigenen Werk macht. Es ist der Moment, wo 'das Ich sich selbst setzt', wo nämlich Homo sapiens zum Subjekt wird.
JE.




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