Dienstag, 10. März 2020

Ein Geschmack von Markt.

                 aus Geschmackssachen

Unter der Überschrift Das Geld muss halt irgendwohin schreibt auch FAZ [vom 14. 11. 2013] über das New Yorker Ereignis. Über Jeff Koons' Aluminiumhund zuerst. "Sofort allgemeiner Meldungsalarm: Koons habe Gerhard Richter 'vom Thron des teuersten lebenden Künstlers gestoßen', sei 'souverän vorbeigezo- gen', sein Hund liegt jetzt gut zwanzig Millionen Dollar über dem bisherigen Rekord", usw. Bemerkenswert, dass die oft blütentreibende Rede über Kunst inzwischen den Ton von Sportreportqagen angenommen habe. 

"'Koons', titelt ein Branchendienst, 'überholt Richter', der vor einem Jahr schon einen 'Fehlstart' hingelegt habe" und weiter in diesem Jargon. Habe früher die Präsenz eines Künstlers in den Museen über dessen, na ja, Bedeu- tung entschieden, so sind es heute Auktionserlöse. Allerdinga böten heute nicht nur Museen, sondern die Galeri- sten selber feste mit, 'im Auftrag meines anonym bleiben wollenden Kunden', und treiben die Preise für die von ihnen vertetenen Künstler in schwindelerregende Höhen. So kommen wir zu Bacon:

"Dass ein paar Galeristen sich in New York im Auftrag unbekannter Bieter solange mit Millionenbündeln beworfen haben, bis man fünfzig Millionen Dollar über dem Wunschergebnis lag, zeigt vor allem, dass das Kaufen von Kunst zu einem neuen Herrscherritual geworden ist: Der letzte Preisrekord für einen Bacon wurde 2008 im Dienst des russischen Oligarchen Roman Abramowitsch aufgestellt, der damals 86,2 Millionen Dollar ausgab.

War mit 86, 3 Mio. $ auch schonmal Rekordhalter: Francis Bacons Triptych, 1976

Die Bieterschlachten werden fast ausschließlich von einer neuen Finanzaristokratie betrieben, die mit sportlichem Ehrgeiz und zum Zeichen absoluter Souveränität das rare kulturelle Gut gewissermaßen als Krönung ihres ökonomischen Siegeszuges an sich bringt. Im Ritual der Bieterschlacht zeigt man, dass Geld nicht die geringste Rolle spielt – so gesehen ist es vielleicht kein Zufall, dass die Kunstmarktrhetorik ihre Metaphern im Feld von Motorsport und Adel ('vom Thron gestoßen') findet."

Doch haben die Museen, die bei solchen Beträgen nicht mithalten können, nicht wirklich Grund, darüber zu klagen, dass zeitgenössische Kunst auf diese Weise dem großen Publikum vorenthalten würde, denn sie drehen selber mit an der Spirale. "Koons’ Ballonpudel war, wie der Auktionskatalog stolz erläutert, nicht nur durch alle für die Aufladung mit Hochkulturwürden relevanten Schleusen der Museumswelt (Metropolitan, Venedig) gezerrt, sondern auch in Versailles ausgestellt worden, wo sich die Welt des Sonnenkönigs in ihm spiegelte."

(c) REUTERS

Rekord vor drei Jahren: noch ein Picasso.

"Koons’ Sammler wie der Luxusprodukteherstellers François Pinault, der zyprische Industrielle Dakis Joannou und diverse Oligarchen der osteuropäischen Medien- und Schwerindustrie", fährt Maak fort, "schätzen ganz offenbar eine Kunst, die glitzert und saftig ins Auge haut und den Sammler nicht mit übermäßig sperriger Nachdenkästhetik belästigt. Koons’ Werk entspricht dem Selbst darstellungsbedürfnis eines neuen Sammlermili- eus perfekt: Es glänzt, es ist larger than life und unfassbar teuer, es ist, was für Ludwig XV. die diamantbesetzte Krone war. Es steht im Mittelpunkt eines Oligarchenkunstsystems, das die Museumswelt, die bisher andere Bewertungskriterien hatte, gleich mitkauft, wenn etwa Koons die Privatsammlung seines Förderers Dakis Joannou im New Museum kuratieren darf, das diesen Privatinteressen bereitwillig seine Hallen überließ."

So kommt es, dass ein Machwerke wie die von Koons "mit hohem Kostenaufwand hergestellten Riesennachbil- dung des populären Billigplastikschrotts" rund um den Globus als Höhepunkt der Gegenwartskunst gelten darf. "Und wenn die einfach nicht mitmachen würden? Ohne die kulturelle Hochglanzverchromung durch Schirn, Liebieghaus, Metropolitan und Versailles wäre der Hund am Ende nur ein großes Metallding mit viel Luft drin."

Herr Maak, ich sage Ihnen, was dann wäre: Dann würde das weltweite Feuilleton beklagen, dass die Museen ihren kulturellen Auftrag verrieten, indem sie sich mit der Kunst der Vergangenheit begnügten und die Künstler der Gegenwart nicht zur Kenntnis nähmen. 


Und um das Thema abzurunden, meldet dieselbe Zeitung in derselben Ausgabe: "Eine so große Sensation wie am Abend zuvor bei Christie’s war es nicht, ein Paukenschlag aber auf jeden Fall: Der Auktionsrekord für einen Warhol ist in New York gebrochen worden - und nicht nur ein bisschen" - sondern um mehr als die Hälfte: "'Silver Car Crash (Double Disaster)' wurde am Mittwochabend bei Sotheby’s in New York für 105,4 Millionen Dollar (78,7 Millionen Euro) versteigert. Damit ist es erst das fünfte Bild in der Auktionsgeschichte, das für mehr als 100 Millionen Dollar verkauft wurde. Der Kunstmarkt ist extrem launisch und der Verkauf von 'Warhols' ist erst recht unberechenbar. Liz #1, ein buntes Porträt von Elizabeth Taylor, wurde nur Minuten nach dem Rekord-Warhol, mit 20,3 Millionen Dollar nur für das unterste der geschätzten Spanne verkauft. Am Tag zuvor hatte ein Bild des Künstlers, das an ein Werbeplakat für Coca-Cola erinnerte, bei Christie’s immerhin fast 60 Millionen Dollar gebracht, war dabei aber auch innerhalb der Erwartungen geblieben."

Der Beitrag schließt: "Andere 'Warhols' bleiben dagegen sogar liegen und finden gar keinen Käufer." - Immerhin eine Meldung über den Kunstmarkt, die auch der Normalverbraucher (wie sagt man doch gleich? Ach ja:) nach- vollziehen kann. 


14. 11. 2013

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