aus Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik.
Es entsteht also eine Veränderung im Zustande des Ich. /
Es sind sonach vorhanden zwei Gefühle A und B (bloße Gefühle der
Beschränktheit); was nach dem vorigen Paragraphen aus dem Gefühle
überhaupt, und hier aus dem Gefühle A erfolgt, das muss auch in dem
Gefühle B erfolgen. Da aber die Gefühle A und B verschieden sind, so
muss auch alles, was aus ihnen erfolgt, verschieden sein. Dies eröffnet
uns eine wichtige Aussicht, welche sich uns über das Innere des
menschlichen Geistes mehr verbreitet [sic].
Vor der Hand ists uns um die Vereinigung dieser verschiedenen Gefühle im Bewusstsein zu tun. Dies wird uns weiter führen.
Oben Paragraph 6 hatten
wir eine ähnliche Frage aufgeworfen: wie das Mannigfaltige des Gefühls
auf einander bezogen und unterschieden werden könne. Dies hat die
materiale Schwierigkeit gelöst, nicht aber die formale: Worin werden
denn die zwei Zustände verei-nigt? Wenn ich sage: Das Gefühl A, beziehe
ich mich auf meinen ganzen Zustand; so B. Mein Zustand ist in A und B
ganz, nur dass jetzt ein A, dann ein B abgerechnet ist, dann habe ich
einen Faden, woran ich A und B festhalte. Aber woran halte ich diesen
Faden fest? Wir ha-ben ein was, aber kein wie, das diesen Zustand festhält.
Man sehe die Vereinigung an als die Vereinigung der entgegengesetzten Gefühle A und B, oder als entgegengesetzte Zustände an [sic]. Das ganze System der Sensibilität
kann nicht gefühlt werden, denn sie ist nichts Positives, sondern
lediglich ein Verhältnis. Aber schon oben haben wir gefunden, dass die
Tätigkeit des Ich nur angeschaut werden kann als ein Übergehen vom
Bestimmbaren zum Bestimmten. Man kann daher auch sagen, in Absicht des
Ich ist nichts anschaubar als das Übergehen.
Also jenes Übergehen,
das nicht gefühlt werden kann, weil es nichts Positives ist, müsste etwa
angeschaut wer-den; wir wissen aber noch nicht, wie oder ob eine solche
Anschauung möglich sei. Wir wissen nur, dass sie nicht gefühlt werden
könne. Doch aber muss, wenn der Übergang da sein soll, dieser für das
Ich da sein. ___________________________________________________
J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 88f.
Nota I. - "Nichts Positives, sondern lediglich ein Verhältnis": Dies ist festzuhalten. Nichts Positives, sondern lediglich ein Verhältnis ist das System der Sensibilität. Das bezieht sich auf unsere tatsächliche Sinnlichkeit. In der Tat fühlen wir nicht unsere Gesamtbefindlich-keit, sondern immer nur das, was sich daran ändert und aus dem Verhältnis als Einzelnes heraustritt.
Nichts Positives, sondern nur ein Verhältnis ist aber 'das Ganze' überhaupt. Das Ganze sei mehr als die Summe seiner Teile, heißt es seit Aristoteles. In seiner organologischen, fast animistischen Vorstellungswelt hat er zwischen Realem und Idealem nicht unterschieden. So aber Fichte: Idealiter ist 'das Ganze' nicht mehr als die Summe seiner Teile, sondern etwas an-deres; nämlich ein Verhältnis - kein Was, sondern ein Wie. Als solches 'erscheint' es erst auf einer höheren Reflexionsebene; 'mehr' ist ein völlig unpassender Ausdruck.
19. 1. 16
Nota - Das obige Bild gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie der Eigentümer sind und ihre Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Ihre Nachricht auf diesem Blog. JE
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