Sonntag, 13. September 2020

Das Handeln wird, indem es angeschaut wird, zum Begriff fixiert.

 

                                                   zu Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik

Wer sich das Ich zuerst dachte, der hatte einen Begriff davon. Wie kommt dieser Begriff zustande?

Um mich selbst als mich selbst wahrnehmen zu können, müsste ich mich schon als gesetzt voraussetzen. Zu der Tätigkeit, mit der ich mich setze, ging ich über von einer Ruhe, Untä-tigkeit, die ich der Tätigkeit entgegensetze. Anders konnte man die Vorstellung der Tätig-keit nicht bemerken; sie ist ein Losreißen von einer Ruhe, von welcher zur Tätigkeit über-gegangen wird. Also nur durch Gegensatz war ich vermögend, mir meiner Tätigkeit klar bewusst zu werden und eine Anschauung derselben zu bekommen.

Handeln ist gleichsam Agilität, Übergehen im geistigen Sinne, dieser Agilität wird im Be-wusstsein entgegengesetzt ein Fixiertsein, ein Beruhen. Umgekehrt kann ich mir auch der Ruhe nicht bewusst werden, ohne dass ich mir der Tätigkeit bewusst bin. Man muss daher beide zugleich ansehen, um eine von beiden einzeln ansehen zu können. Nur durch Gegen-satz ist ein bestimmtes klares Bewusstsein möglich. Wir haben es hier aber nicht mit diesem Satze überhaupt, sondern mit dem einzelnen bestimmten Falle zu tun, der hier in Frage kommt.

Ich richte meine Aufmerksamkeit auf den Zustand der Ruhe, in dieser Ruhe wird das, was eigentlich ein Tätiges ist, ein Gesetztes; es bleibt keine Tätigkeit mehr, es wird ein Produkt; aber nicht etwa ein anderes Produkt, als die Tätigkeit selbst, kein Stoff, kein Ding, welches vor der Tätigkeit des Ich vorherging; sondern bloß das Handeln wird dadurch, dass es ange-schaut wird, fixiert. So etwas heißt ein Begriff, im Gegensatz der Anschauung, welche auf die Tätigkeit als solche geht.

In dieser in sich zurückgehenden Tätigkeit, als ruhend angeschaut, fällt Subjekt und Objekt zusammen, und dadurch entsteht das Positive, Fixierte. Dieses Zusammenfallen beider, und wie dadurch die Anschauung in einen Begriff verwandelt wird, lässt sich nicht anschauen, son-dern nur denken. Nur die Anschauung lässt sich anschauen, nicht denken; das Denken lässt sich nur denken, nicht anschauen. Jede Äußerung des Gemüts lässt sich nur durch sich selbst auffassen. Dies bestätigt die oben aufgestellte Theorie des Bewusstseins.
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J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 32f. 


Nota. - Was hier allgemein Handeln heißt, wird später als reale Tätigkeit bezeichnet werden, der im Anschauen eine ideale Tätigkeit gegenübertritt. Sie ist die Rückwendung des Tätigen gegen sich selbst, sie ist Reflexion, erst im Akt des Reflektierens wird das Ich sich zum Ob-jekt. Und wird die Tätigkeit zu einem Bild ihrer selbst: Von der Agilität als dem Modus wird abgesehen, im Bild wird festgestellt das Quale der Tätigkeit, nämlich das, um dessentwillen agiert wird. Im Begriff ist eine Absicht dargestellt. Das Ich ist nicht überhaupt Subjekt-Ob-jekt (überhaupt 'gibt es' kein Ich), sondern nur insofern, als es sich handelnd anschaut; nur als ein Subjekt-Objekt 'ist' ein Ich. 

JE

 

 

Nota.
Das obige Foto gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie der Eigentümer sind und seine Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Nachricht auf diesem Blog JE.

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