Montag, 30. August 2021

Auf das Vernunftwesen kann nicht anders eingewirkt werden als durch seinen Leib

  Pankration                          zu Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik
 
§ 6. Fünfter Lehrsatz
 
Die Person kann sich keinen Leib zuschreiben, ohne ihn zu setzen als stehend unter dem Einfluss einer Person außer ihr, und ohne ihn dadurch weiter zu setzen.

Beweis

I. Die Person kann zufolge des zweiten Lehrsatzes sich gar nicht setzen, sie setze denn, dass eine Einwirkung auf sie geschehen sei. Das Setzen einer solchen Einwirkung war ausschlie-ßende Bedingung aller Bewusstseins / und der erste Punkt, an den das ganze Bewusstsein angeknüpft wurde. Diese Einwirkung wird gesetzt als die bestimmte Person, das Individu-um als solches, denn das Vernunftwesen kann sich, wie gezeigt worden, nicht etwa als Ver-nunftwesen überhaupt, es kann sich nur als Individuum setzen. Eine von ihm gesetzte Ein-wirkung auf sich selbst ist daher notwendig eine auf das Individuum, weil es für sich nichts anderes ist noch sein kann, als ein Individuum.

Es ist auf ein Vernunftwesen gewirkt heißt, gleichfalls nach den oben angeführten Bewei-sen, so viel: Seine freie Tätigkeit ist zum Teil und in einer gewissen Rücksicht aufgehoben. Erst durch diese Aufhebung wird für die Intelligenz ein Objekt, und sie schließt auf etwas, das nicht durch sie da ist.

Es ist auf das Vernunftwesen als Individuum gewirkt, heißt sonach: eine Tätigkeit, die ihm als Individuum zukommt, ist aufgehoben. Nun ist die umfassende Sphäre seiner Tätigkeit als Individuum sein Leib; die Wirksamkeit in diesem Leibe demnach das Vermögen in ihm, durch den bloßen Willen Ursache zu sein, müsste gehemmt, oder kürzer, es müsste auf den Leib der Person eingewirkt sein.

Man nehme demzufolge an, dass eine in der Sphäre der an sich möglichen Handlungen der Person liegende Handlung aufgehoben, für den Augenblick unmöglich gemacht sei, so wäre die geforderte Einwirkung erklärt.
_____________________________________________________________________________________
J. G. Fichte, Grundlage des Naturrechts nach Prinzipien der Wissenschaftslehre, SW Bd. III, S. 61f.

 

Nota. - Noch so eine Pedanterie? Nein. Es wird gezeigt, dass körperlicher Zwang nicht den freien Willen aufhebt, sondern den Leib daran hindert, dem Willen zu folgen. Der Leib kann allerdings nicht gezwungen werden, etwas anderes zu tun, als indem der Willen ge-beugt wurde.
JE, 2. 4. 19
 
 
 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen