Donnerstag, 12. August 2021

Landschaftsmalerei und Katastrophen.

aus Die Pressse, Wien, 10. 8. 2021                                                                                   Wilde Natur, verblassende Zivilisation (ganz zart rechts im Hintergrund): „Landschaft nach einem Gewittersturm“ vom Salzburger Maler Anton Faistenberger (1663–1708)

Der Schauer des zerstörerischen Spektakels                  

Die Akropolis, fast verschlungen von Flammen, hinterlegt mit einer blutroten Feuerwand: Der Alptraum ist auf Instagram zum (falschen) Bild geworden. Drastisch illustriert es einen der vielen "Pray for Greece"-Aufrufe angesichts der Brände in der Region. Die Flut solcher-art dramatisierter oder dramatisch realistischer Fotos speist sich ästhetisch aus der Kunstge-schichte von Umweltkatastrophen in der Malerei, einer vergleichsweise jungen.

Die Landschaft etablierte sich relativ spät, erst in der Neuzeit, als eigenständiges Bildthema. Davor lieferte sie vor allem den Hintergrund mythologischer oder religiöser Szenen. Viel-leicht diente auch Leonardo da Vincis braune Federzeichnung einer Flusslandschaft als Stu-die eines solchen Hintergrunds, wir wissen es nicht. Das kleine, in typischer Spiegelschrift am „Tag der Heiligen Maria im Schnee 1473“ datierte Blatt wird heute in den Uffizien ver-wahrt – und gilt als erste reine Landschaftsdarstellung.

Leonardo, Tag der Heiligen Maria im Schnee 1473

50 Jahre später schuf Albrecht Altdorfer dann mit seiner „Donaulandschaft mit Schloss Wörth“ das erste Landschaftsgemälde. Eine symbolisch überhöhte, poetische Natur, Kulturlandschaft im Eigensinn, zusammengesetzt aus Versatzstücken in den Ateliers. Bis die Maler tatsächlich ihre Staffeleien in die Natur schleppten, wird es noch Jahrhunderte dauern. Bis die Maler erstmals auch eine breite Käuferschaft für dieses Thema fanden – der Adel, der seine neuen Palais in der vor den Türken nun sicheren kaiserlichen Residenzstadt Wien einzurichten hatte –, wird das Barock angebrochen sein.

Altdorfer, Donaulandschaft mit Schloss Wörth

Barockes Baukastensystem

Diesem ersten Boom der Landschaftsmalerei in Österreich widmet sich derzeit eine große Ausstellung in der Residenzgalerie Salzburg. Ein seltenes Vergnügen, auf das man sich mit Geduld einlassen muss. Die hier betriebene Idealisierung der Natur, das aus flämischen, niederländischen und italienischen Vorbildern bestückte Baukastensystem, nach dem hier vorgegangen wurde, wirkt schnell redundant. Darin durchaus vergleichbar den immer gleichen (romantisierenden, heroisierenden, moralisierenden) Perspektiven, mit denen Kulturlandschaften heute in sozialen Medien gerne geteilt werden.

 

 

Bei den (wenigen) Beispielen, die schnell ins gegenwärtige Auge springen, wird diese Ähnlichkeit besonders deutlich. Sie handeln nicht zufällig von besagten Naturgewalten, wirken wie Prophezeiungen unseres heutigen schaudernden Blicks auf diese. Allen voran die quer ins Bild berstenden Stämme, die sich klagend gen Himmel windenden Äste, die der Salzburger Anton Faistenberger zur „Landschaft nach einem Gewittersturm“ bog (s. oben). Unter einer fasrigen Astbeuge zerschmilzt hauchzart im Hintergrund die Silhouette einer Fantasiestadt, die Zivilisation an sich, mit der blassblauen Atmosphäre. Vorne die Wucht der Natur, hinten schwindendes Abendland, Pathos ohne Ende – das generierte schon um 1700 einige „Likes“.

Rubens, Gewitterlandschaft

Die berühmteste Gewitterlandschaft des Barock entstand 80 Jahre davor und ist ebenfalls in Österreich zu finden. Sie bildet zur Zeit den düsteren Auftakt zur Sonderausstellung „Höhere Mächte“ im Wiener Kunsthistorischen. Der erste von vier Sälen behandelt dort Darstellungen der Naturgewalten: Rubens' mächtig dunkle „Gewitterlandschaft“, am Rande nur mythologisch verbrämt mit der Szene, in der Philemon und Baucis, das einzige Menschenpaar, das den unerkannt auf Erden wandelnden Göttern Jupiter und Merkur Gastfreundschaft gewährt hatte, verschont bleiben. Während die biestige Restwelt in stürmischen Fluten von dannen gespült wird, entwurzelte Bäume, orkanartige Wolkenbrüche inklusive. Als „Seelenlandschaft“ Rubens' hat der frühere Leiter der KHM-Gemäldegalerie, Stefan Weppelmann, das frisch restaurierte Gemälde einst bezeichnet. Jedenfalls ist es ein sehr sinistres Spektakel magisch verdichteter Elemente.

„Schrei“ nach dem Vulkanausbruch?

Der Schauer, der einen angesichts des ästhetischen Spektakels mancher zerstörerischer Naturgewalten erfassen kann, war schon immer bildwürdig. Denke man nur an das eigene, sehr beliebte Genre der nächtlichen Bilder des ausbrechenden Vesuvs (ebenfalls zu sehen in der Residenzgalerie). Oder an Munchs „Schrei“, bei dem die Wissenschaft seit Jahren diskutiert, ob ihm ebenfalls ein Vulkanausbruch zugrunde liegt.

Jean-Baptiste Genillion (1750-1829), Ausbruch des Vesuvs

Der intensive rote Himmel, den Munch auch in seinem Tagebuch beschrieb, könnte eine Folge des enormen Ausbruchs des indonesischen Krakatau 1883 gewesen, der das Klima der gesamten Welt damals erkalten ließ. Es könnte aber auch, sagen Gegenstimmen, vergleichsweise schlichte „Perlmuttwolken“ gewesen sein, die Munch zehn Jahre später in diese außerordentliche Sensitivität versetzten, einen „gewaltigen, unendlichen Schrei durch die Natur“ gehen zu hören. Oder besser: zu sehen.

Residenzgalerie Salzburg, „Natur wird Bild“, bis 31. 1. 2022, tägl. außer Di. 10–17h. KHM, „Höhere Mächte“, bis 15. 8., tägl. 10–18h, Do.–21h.

Anton Faistenberger: „Fischer am Bergbach“, Ölgemälde auf verzinkter Eisenplatte, um 1700.  

Nota. - Ich werde im Lauf der Zeit sicher noch öfter Gelegenheit haben, Ihnen ein garantiert allererstes reines Laandschaftsbild vorzustellen.

Mit dem Einbruch der Katastrophe in die Landschaft wird mehr diese als jene zum Bildtthema. Wohl verschafft das zerstörerische Spektakel der Landschaftsmalerei ein weiteres Publikum, doch auf dem Weg der Entbindung des Ästhetischen ist es ein retardierendess Moment - und zugleich doch ein Übergang vom Rokkoko zur pp. Romantik.

JE

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