Mittwoch, 24. März 2021

Das Vernunftwesen hat Realität nur als Leib.

smash-images                          zu Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik
 
d. Mein Leib muss der Person außer mir sichtbar sein, ihr durch das Medium des Lichts er-scheinen und erschienen sein, so gewiss sie auf mich wirkt: wodurch der erste und mindeste Teil unserer Frage beantwortet wäre. Nun soll, nach der notwendigen Voraussetzung, diese Erscheinung so sein, dass sie schlechterdings nicht zu verstehen und zu begreifen ist, außer durch die Voraussetzung, ich sei ein vernünftiges Wesen; dass sonach dem anderen angemu-tet werden könne: So wie du diese Gestalt erblicktest, musstest du / sie notwendig für die Repräsentation eines vernünftigen Wesens in der Sinnenwelt halten, wenn du selbst ein ver-nünftiges Wesen bist. -

... Ich kann die Erscheinung eines menschlichen Leibes nicht begreifen außer durch die An-nahme, dass er der Leib eines vernünftigen Wesens sei, heißt daher: Ich kann bei Aufsamm-lung der Teile seiner Erscheinung nicht eher stille stehen, bis ich auf den Punkt gekommen bin, dass ich ihn als den Leib eines vernünftigen Wesens denken muss.

Ich will diesen genetischen Beweis strenge führen, d. i. ich will die Hauptmomente dessel-ben angeben. Ausführlich kann er hier nicht dargestellt werden. Er allein bildet eine eigene Wissenschaft, die Anthropologie.
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J. G. Fichte, Grundlage des Naturrechts nach Prinzipien der Wissenschaftslehre, SW Bd. III, S. 76f.
 



Nota. - Im Gefühl - in den Meldungen, die mir meine Sinneszellen machen - sammle ich ohnehin immer nur Mannigfaltiges; 'Teile' - von was? Von einem mutmaßlichen Ganzen, aber ob sie das sind, liegt nicht an ihnen selbst, sondern an der Vorstellung, die ich mir von diesem 'Ganzen' selbst gemacht habe, landläufig: vom Begriff. Ein Ganzes ist ein solches nicht an sich, sondern im Hinblick auf das, was ich mit ihm anzufangen können denke; nicht einmal 'will'; denn ob ich es will, muss ich erst noch entscheiden. Die Ganzheit liegt im Zweckbegriff.

So weit, so gut. Das haben wir uns denken können, bevor wir aus der Transzendentalphilo-sophie zur Rechtsphilosophie übergegangen sind. Die Frage ist nicht, ob wir aus den Bil-dern einzelner Körperteile - Arme, Beine, Rumpf und Kopf - die Gestalt eines vernünftigen Wesens zusammensetzen können; sondern - ob wir den Begriff eines vernünftigen Wesens haben. Und den haben wir spätestens, seit er uns bis zum Rechtsbegriff geführt hat.

Man kann es drehen und wenden, wie man will: Der springende Punkt ist, ab welchem 'Punkt' - logisch? historisch? - wir die Reihe vernünftiger Wesen nicht mehr nur als trans-zendentale Bedingung, sondern als faktisch gegeben annehmen können. Dann ist das Ver-nunftwesen apriori deduziert - und muss nicht von jedem Einzelnen aposteriori rekonstru-iert werden. Aber ich fürchte, ich wiederhole mich. F. hat sich davor nicht geürchtet.
JE

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