Beate Güldner aus Marxiana
Die Erzeugung der Bedürfnisse ist der "Grund", das Materiale der reellen Geschichte; der "Grund", das Materiale, der 'Stoff' der ökonomischen Form bestimmung ist hingegen die Entscheidung darüber, welches Bedürfnis gelten soll: nämlich in der Gesellschaft.
Das ist ein faktisches Ereignis, das der "Formbestimmung" zu Grunde liegt: und der "Grund" kommt als solcher im Prozess der Formbestimmung nicht vor - weil er sie ja eben "begründet"; kommt also in der Darstellung der Formbestimmung ebenfalls nicht vor; Formbestimmung = Kategorien.
Also kann der
"Stoff" des ökonomischen Prozesses in der "dialektischen", nämlich
kate-gorialen Darstellung gar nicht auftreten: Er liegt außerhalb ihrer
"Grenzen".
Das Erzeugen des Bedürfnisses ist die "reale" Tätigkeit; das Bestimmen, 'was', bzw. 'wieviel' das Befürfnis gelten soll - also nach dem "an-sich"-Setzen des Bedürfnisses sein Bestimmen als ein solches - das ist die reflektierende, die "ideale" Tätigkeit.
Und in dieser "materialistischen" Darstellung liegt es unterm Auge, dass es sich "in Wirk-lichkeit" nur um ein und dieselbe Tätigleit handelt: Bedürfnis ist "Wert"-Bestimmung, "Wert"-Setzung: 'was' ('wieviel') das 'Ding' mir, nämlich meinem Zweck, "wert" ist, aber sobald ich in Gesellschaft existiere, 'setze' ich nicht allein: Die "Dinge" sind nun nicht schon "meine"; ich kann sie nur in Gesellschaft aneignen, und meine Zeit ist nicht nur
"meine": Auch sie muss ich mir in der und durch die Gesellschaft erst
aneignen; ich bin nur mittelbar Eigentümer sowohl der 'Dinge' als auch meiner selbst, d. h. meiner Zeit. D. h. ich bin be-herrscht - sei es durch Personen, sei es durch den allgemeinen Zusammenhang zwischen den Personen.
14. 9. 87
Nachtrag I. - Der
Versuch, die Begriffe des einen philosophischen Systems wörtlich und
unvermittelt in ein anderes philosophisches System zu übersetzen, wird
immer ein wenig belustigen. Aber wie soll man anders anfangen, wenn man
die Vermutung einer logischen Verwandtschaft überprüfen will? Es ist ja
klar, dass auch die größte Passgenauigkeit gege-benenfalls nur sozusagen gilt; aber das wäre die Spur, die weiter zu verfolgen ist.
20. 11. 16
Nachtrag II. - Zur Erläuterung: 'Das Bedürfnis' kommt nationalökonomisch vor als 'Ge-brauchswert'. Doch wenn man genauer hinschaut, kommt es nationalökonomisch nicht vor. Nämlich nie in concreto. Es reicht aus, 'dass eines da ist', denn sonst gibts keine Nachfrage und keinen Markt und keine Ökonomie. Denn als Nachfrage kommt es lediglich in abstrac-to vor. Wie aber kommt es in abstracto vor? Als Tausch wert.
Der Gebrauchswert kommt nur als Tauschwert vor? Ganz richtig; nämlich in der Abstrak-tion. Jedenfalls in der bürgerlichen Gesellschaft, von der die Politische Ökonomie das theo-retische Modell entwerfen wollte. Es läuft darauf hinaus, dass einen Tauschwert nur das hat, was einen Gebrauchswert hat - und wenn der davon gemachte Gebrauch ein rein phantas-magorischer ist: denn sonst gäbe es keine Nachfrage, keinen Preis und - keinen Tauschwert. Doch nicht alles, was einen Gebrauchswert hat, hat einen Preis und also Tauschwert. Die Luft, die ich atme, beispielsweise noch nicht. Und daher kommt sie in der Politischen Öko-nomie auch nicht vor.
Bedürfnis kommt in der Politischen Ökonomie nur vor, insofern nur das einen Tauschwert bekommt, was einen Gebrauchswert hat, weil es ein solches bedient. Darüber hinaus bleibt es gänzlich unbestimmt; es gibt eins, und damit basta, denn auf die besondere Bestimmtheit des Bedürfnis kommt es gar nicht an, sondern lediglich auf den Betrag von Tauschwert, den es anbieten kann. Nachfrage ist nicht Qualität eines Bedürfnisses, sondern Quantität eines Angebots - an Geld. Denn das Bedürfnis, das etwas gelten will, muss sich als Geldmenge darstellen können: Nachfrage auf dem Markt.
Summa: Der Gebrauchwert-überhaupt, dem ein Befürfnis-überhaupt gälte, wäre der Wert. Doch das ist eine Abstraktion von den wirklichen Bedürfnissen und den ihnen entsprechen-den Gebrauchswerten in concreto. In der Realität der bürgerlichen Gesellschaft gibt es sie nur als je bestimmte Quanten von Tauschwert, die auf dem Markt angeboten werden.
Klingt das gewunden und gequält? Nun ja; es ist aber der einzige Zusammenhang, in dem die auch von Marx beibehaltene Trilogie von Wert-Gebrauchswert-Tauschwert einen intel-ligiblen Sinn behält, denn in der bürgerlichen Realität tritt 'der Wert' nur als Tauschwert "in Erscheinung". Das müsste man sonst für eine bloße Hegel'sche Schleifspur halten, die er sich vom Rock zu bürsten vergessen hat.
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