Sonntag, 7. März 2021

Das Ästhetische und das außer-sich-Sein.

 

Botticelli, Bildnis eines jungen Mannes mit einem Medaillon; um 1480                                                                       z

Dass Kunst kulturgeschichtlich zu identifizieren ist und nicht vorderhand ästhetisch (oder etwa sozialökonomisch), nämlich als das, was Künstler machen, sage ich seit geraumer Zeit. Künstler sind ein Berufsstnd, der sich in seiner Gesellschaft rechtfertigt durch das, was er macht: Um das Ästhetische kommen wir also nicht herum. Wie aber entwickelt das Ästhe-tische in der Arbeitsgesellschaft, deren Negation es in gewisser Weise doch ist, eine solche Bedeutung, dass es einen gesellschaftlichen Stand und gar einen milliardenschweren Kunst-markt nähren kann?

"Kunst entzweit den Menschen", hieß es bei Schiller, nämlich mit sich selbst. Das liegt nicht daran, dass sie von Angehörigen eines besondern Standes gemacht wurde, sondern an ihrer ästhetischen Qualität. 

Was ist das Spezifikum des Ästhetischen, nämlich das, was es zur Arbeitsgesellschaft in Ge-gensatz, doch in ihr zugleich zu einer Geltung bringt, die über sie hinausweist? Es ist dieje-nige Qualität an einer Erscheinung, die das Individuum der Arbeitsgesellschaft veranlassen kann, aus sich heraus zu gehen. Nämlich vom Tauschwert abzusehen und momentan jen-seits des Verwertungsprinzips zu treten.

Doch das bringt den Gesellschaftsstand der Künstler wieder ins Spiel. Einerseits glitzert er durch den Anschein der Bohème, mit einem Bein außerhalb der bürgerlichen Werteordnung zu stehen, und andererseits dementiert er das, indem sein anderes Bein in einem Kunstmarkt steckt, auf dem ein Jüngling mit Medaillon achtzig Millionen Euro einbringt, weil er von Botticelli gemalt wurde.

 

 

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