Montag, 13. Dezember 2021

Fichtes Wendung.

tenor                                      aus Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik

Fichtes philosophische Laufbahn zerfällt - das ist das treffende Wort - in die ursprüngliche Wissenschaftslehre, die als echter durchgeführter Kritizismus die Kant'sche Transzendental-philosphie vollenden sollte, und eine transzendentaldogmatische Hybride, die er nach dem Atheismusstreit gelehrt hat. Das Kuriosum: Er hat bis ans Lebensende darauf bestanden, allezeit Dasselbe vertreten zu haben. Und tatsächlich findet man in seinem Werk keine Stel-le, wo er an dem entscheidenden Punkt - dem realen Absoluten - einfach kehrtgemacht hätte. So dass zu vermuten ist, der Ansatz zur späteren dogmatischen Wende sei in der ur-sprünglichen, transzendentalen Wissenschaftslehre irgendwo bereits angelegt gewesen.

Dem Antiaufklärer und Glaubensphilosophen Friedrich Heinrich Jacobi kommt das Ver-dienst zu, den Finger haargenau auf den wunden Punkt gelegt zu haben: Es war seine Auf-fassung von der Vernunft, die Fichte gegen die Einrede des Dogmatikers wehrlos gemacht hat. Richtiger gesagt, es war der Mangel an einer Auffassung der Vernunft, denn er hatte deren zwei zur selben Zeit. Und da er es - unbegreiflicher Weise - nicht bemerkte, musste er sich nicht "aus Freiheit" zwischen ihnen entscheiden. So konnte ihm die Entscheidung von Jacobi... eingeredet werden. 

Auf dieser Seite finden sie Fichtes Schwanken durch eine Reihe von 'Stellen' dokumentiert. Es wird Ihnen auffallen, dass eine 'Stelle' des Inhalts: Was ist die Vernunft und wo kommt sie her? fehlt. So eine Stelle gibt es bei Fichte nicht. Die Vernunft ist der einzige thematisch und in systematischer Absicht gebrauchte Begriff, den Fichte nicht aus dem (dreifachen) Grundsatz der Wissenschaftslehre herleitet. Er macht zwar jede Menge Angaben über die Vernunft, aber sie selbst macht er nicht zum Gegenstand. 

Nun würde es schwerfallen, von der Vernunft zu reden, ohne sich ihrer bereits zu bedienen; aber was taugte die Transzendentalphilosophie, wenn sie damit nicht zurechtkäme?

Einleitung zu Fichtes schwankende Vernunft



Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen