Lothar Sauer aus Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik
Die Bestimmung des Menschen fährt fort:
Diese [innere] Stimme also
kündigt mir gerade das an, was ich suchte; ein ausser dem Wissen
Liegendes, und seinem Seyn nach von ihm völlig Unabhängiges.
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J. G. Fichte, Die Bestimmung des Menschen, SW II, S. 248
Ich ahne es schon: Es wird doch wieder nur etwas sein, das er sich, um in seiner Sprache zu bleiben, eingebildet hat. Denn was er wissen konnte, reichte ihm ja nicht aus. Es war nur ein Bild. Nur ein Nach bild. Jetzt entwirft er sich ein Vor bild, aus freien Stücken. Und das wäre sicherer?
- Die Bestimmung des Menschen war, wie überhaupt die mit den Rückerinnerungen
einge-leitete Wendung in Fichtes Philosophie, die Antwort auf Friedrich
Heinrich Jacobis Beitrag zum 'Atheismusstreit', der 1799 unter dem Titel
Jacobi an Fichte in Hamburg erschienen war. Und dessen entscheidender, schon einleitend ausgesprochener
Vorwurf gegen die Wis-senschaftslehre war eben der gewesen: sie
verwandele alles Seiende in bloßes Wissen, ein bloßes Bild ohne alle
Realität, in ein Schema ohne Wesen.
Philosophisch hat er nichts dage-gen einzuwenden, für ihn ist Fichte der
radikaler Vollender des Vernunftsystems, das Kant unfertig gelassen
hatte. Aber gegen dieses System wendet er ein, was Fichte gegen den
'Dog-matismus' (dessen einzig reine Form für ihn die Lehre Spinozas war)
eingewendet hatte: Da-nach könne und wolle er nicht leben.
Jacobis Antwort ist der Sprung aus dem Wissen der Philosophen in den Glauben. 'Glauben' heißt auch, nach 'Zweifel' und 'Wissen', der dritte Abschnitt der Bestimmung des Men-schen, in dem wir uns hier befinden.
14. 4. 14
Nota II. - Dass die philosophische Lehre Fichte vor 1800 und seit 1800 nicht ganz dieselbe ist, fällt dem Leser ins Auge. Er selber beharrte aber bis zu seinem Lebensende darauf, er habe stets und immer dasselbe gelehrt. Dass da ein Problem zu lösen war, war mir bewusst. Aber es konnte sein, dass es sich nur um einen Unterschied in der Darstellungsweise han-delte, der "dialektisch aufzulösen" war.
Dass da mehr im Busche war, hatte mir bei meinem obigen Eintrag schon gedämmert. Dass es aber ein Bruch und ein Rückfall aus der kritischen in eine dogmatische Philosophie war, wurde mir erst durch die eingehende Beschäftigung mit der Wissenschaftslehre nova metho-do klar, die ich kurz darauf begann.
JE
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