aus Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik
Das endliche
Vernunftwesen kann nicht noch andere Vernunftwesen außer sich annehmen,
ohne sich zu setzen als stehend mit denselben in einem bestimmten
Verhältnissse, welches man das Rechtsverhältnis nennt.
Beweis
1. Das Subjekt muss
sich von dem Vernunftgwesen, welches er zufolge des vorigen Be-weises
außer sich angenommen hat, durch Gegensatz unterscheiden.
Das Subjekt hat sich jetzt gesetzt als ein solches, das den letzten Grund von etwas, das in ihm ist,
in sich selbst enthalte (dies war die Bedingung der Ichheit, der
Vernünftigkeit über-haupt); aber es hat ein Wesen außer sich gleichfalls
gesetzt als den letzten Grund dieses in ihm Vokommenden.
Es soll sich von diesem Wesen unterscheiden können, inwiefern der Grund desselben in ihm, und inwiefern er außer ihm liege. Der Grund des Wirksamkeit des Subjekts liegt zu-gleich in dem Wesen außer ihm und in ihm selbst
der Form nach, oder darin, dass über-haupt gehandelt werde. Hätte jenes
nicht gewirkt und dadurch das Subjekt zur Wirksamkeit aufgefordert, so
hätte dieses selbst auch nicht gewirkt. Sein Handeln als solches ist
durch das Handeln des Wesens außer ihm bedingt. Es ist auch der Materie
nach bedingt; es ist dem Subjekt die Sphäre seines Handelns überhaupt
angwiesen.
Aber innerhalb dieser
ausgewiesenen Sphäre hat das Subjekt gewählt, die nächste
Grenzbe-stimmung seines Handelns sich selber absolut gegeben; von der
letzten Bestimmung seiner Wirksamkeit liegt ganz allein in ihm der Grund. Isofern kann es sich als absolut freies We-sen, als alleinigen / Grund von etwas setzen, von dem freien Wesen außer ihm sich ganz abtrennen und eine Wirksamkeit nur sich zuschreiben.
Innerhalb des Kreises,
von dem Grenzpunkte des Wesens außer ihm, X, bis zum Grenzpunk-te seines
eigenen Produktes, Y, hat es gewählt unter den Möglichkeiten, die hier
liegen: Aus diesen Möglichkeiten, die alle es hätte wählen können,
konstituieret es seine Freiheit und Selbstständigkeit.
_______________________________________________________________________J. G. Fichte, Grundlage des Naturrechts nach Prinzipien der Wissenschaftslehre, SW Bd. III, S. 41f.
Nota. - Es geht hier an die Konstrukion des Rechtsbegriffes aus der Fiktion des Natur-rechts
im Unterschied zu den historisch gewachsenen 'positiven' Rechten der
Völker, die Krieg und Gewaltherrschaft nicht ausschalten können noch
wollen. Fichte geht nicht aus von einer ursprünglichen Gemeinschaft, sondern legt dem Recht im Gegenteil den Gegen-satz zu Grunde: Die Wissenschaftslehre ist nicht 'überhaupt' eine Anthropologie, sondern die Anthropologie des bürgerlichen Menschen.
Vernünftigkeit als Entwerfen von gemein-samen Zwecken hat überhaupt nur
Sinn unter Voraussetzung eines ursprünglichen Nicht-übereinstimmens. (Man sollte annehmen, er käme von hier zu der Unterscheidung von Privatheit und Öffentlichkeit; das geschieht leider nicht.)
JE, 4. 2. 19
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