
Die
Metapher ist kein Begriff. Sie ist immer vieldeutig und bildhaft
unstet. Er ist eindeutig und festgestellt; und wo nicht, muss er es
schleunigst werden, wenn er sich weiter verneh-men lassen will. Für
ernstgemeinte Philosophie, nämlich eine solche, die sich als
Wissen-schaft versteht, scheint nur er in Frage zu kommen; sie höchstens
mal als Zwischenüber-schrift.
Doch
ist es wirklich nur ein Schein. Wo von reellen Gegenständen die Rede
ist, die sich definieren und an ihrem Ort situieren lassen, ist das
Begreifen allerdings der angemessen Modus des Verstehens. So verfahren
die realen und namentlich die Naturwissenschaften. Doch dazu gehört die
Philosophie nicht. Sie beschäftigt sich nicht mit einem reellen, son-dern
mit einem schlechthin ideellen Gegenstand - der allerdings, und das
macht die Sache kompliziert, in der wirklichen Welt nicht nur wirklich
vorkommt, sondern die führende Rolle spielt; nämlich mit dem Geist, dem
Denken, dem Urteilen, dem Vorstellen, dem Wissen selbst.
Mit
dieser führenden Rolle beschäftigt sich ihrerseits eine reale
Wissenschaft: die soge-nannten Geistes- oder besser so zu nennenden idiographischen Wissenschaften.
Sie be-schreiben die Schicksale und Wirksamkeit der tatsächlichen
Vorstellungen und Meinungen der Menschen in deren geschichtlichen
Verstrickungen.
Nicht
so die Philosophie. Sie fragt nicht, welches Verhältnis die wirkliche
Welt zu den Vor-stellungen hat, sondern umgekehrt, welches Verhältnis die
Vorstellungen zu den Dingen der Welt haben - nämlich ob sie über jene gültige und sei es nur pragmatisch gültige Aussagen treffen können.
*
Die begriffliche Darstellung der Welt hat eine selbstverständliche, aber darum unausgespro-chene Prämisse. Die Welt wird vorgestellt als ein sich dehnender
Raum von definierten Be-deutungspartikeln. Ob dabei dem
Bedeutungspartikel ein bestimmtes, ebenso partikulares Phänomen
'entspricht' - und was Entsprechung hier heißen soll -, mag unentschieden blei-ben; doch dies ist der Vorstellungsrahmen; auch der Vorstellungsrahmen der auf Wittgen-stein sich berufenden 'analytischen' oder, wie sie sich selber nennt, "systematischen" Phi-losophie dieser Tage; und es ist die einzige Vorstellung, die ihre Selbstbenennung als syste-matisch irgend rechtfertigen könnte.
Der Haken ist: Ein solches logisches Bedeutungsuniversum hinge in der Luft.
Es hat nichts, das es begründet. Es kann nur so tun, als begründete es
sich 'durch sich selbst': dadurch, dass "alles passt". Aber das träfe
für das Wahnsystem eines Paranoikers so gut zu wie für die Vernunftsysteme der Begriffshuber: Es "trägt sich selbst", so verwundert sich die Phänome-ne auch die Augen reiben.
*
Dem hatte, sollte man meinen, die kritische Philosophie ein für allemal ein Ende bereitet. Ihr völlig realistischer Ausgangspunkt war, dass sich ein oder das
Vernunftsystem historisch einmal ausgebildet hatte und allgemeine
Geltung beanspruchte. Letzteres durfte es aber auf die Dauer nur, wenn
es sich als begründet rechtfertigen konnte. Sache der Philosophie war es seither, seine Gründe ausfindig zu machen und es selbst als gültig zu erweisen; oder es als reine Phantasmagorie zu verwerfen.
Das
historisch vorfindliche Vernunftsystem besteht aus einer
Mannigfaltigkeit von definier-ten Begriffen und den logischen
Schlussverfahren, durch die sie idealiter schlechthin mit einander
verknüpft sind; wobei als Aufgabe der Philosophie nur übrigbliebe, die
Art ihrer Verküpfung ausfindig zu machen - und gegebenenenfalls die Definitionen zu ajustieren.
Dies ist nun seinerseits kein 'Begriff' - in dem Sinne nämlich, dass es aus vorab gegebenen Begriffen und erwiesenen Schlussverfahren konstruiert woden wäre: Denn damit wäre das Vernunftsystem logisch 'sich selbst vorausgesetzt' - und hinge, wie gesagt, frei in der Luft.
*
Eine kritische, ihre Gründe überprüfende Philosophie kann die von Begriffen erfüllte Welt nicht als gegeben voraussetzen, sondern höchstens, sofern es gelingt, aus den Bedingungen ihre Möglichkeit verständlich machen. Sie stößt dabei schließlich, nachdem alle historisch-faktischen Bestimmungen von ihr abgezogen sind, auf das vorstellend tätige Subjekt.
Mit Begriffen kann sie nichts anfangen, denn die Bedingungen der
Möglichkeit eines Vernunft-systems soll sie ja erst erweisen! Wie ein X,
das unbestimmt und doch zur Selbstbestim-mung bestimmt sein soll, 'sich
selbst bestimmt', kann nich diskursiv in Begriffen und Logik "mit der
Klarheit und Deutlichkeit des Geometers" demonstriert, sondern allenfalls in Bil-dern anschaulich gemacht werden. Dieses sich-selber-Bilden zu Etwas... muss nicht, aber kann vorgestellt werden. Muss allerdings, wenn vorab Übereinkunft da ist, dass... am Ende das Vernunftsystem herauskommen soll.
Wo Begriffe noch nicht bestimmt sind, sondern erst noch bestimmt werden sollen, kann die Sprache nur mehr oder minder zwingende Bilder verwenden; Wortbilder, Metaphern.
*
Das
unternimmt Blumenberg nicht. Er illuminiert die Bildergeschichten der
Mythen durch - Bilder. Dies bis in die äußerste Weite und bis ins
kleinste Detail. Er türmt die Bilder zu ba-bylonischen Höhen und
verfolgt sie bis in die äußersten Verästelungen. Das ist sehr lehr-reich
- wenn man es wissen will. Ob man es wissen soll oder gar muss, bleibt
metaphorisch in der Schwebe. Der bleibende Ertrag beispielsweise seiner
voluminösen Arbeit am Mythos ist,
von den philologischen Subtilitäten abgesehen, die ja nicht jedermanns
Fall sind, dass in den Mythen Aussagen über die Welt zu finden sind, die
sich in diskursiver Sprache kaum formulieren lassen. Und so greift er
immer wieder auf metaphorische Wendungen zurück, die zufällig etwas
erhellen - nämlich wenn der Leser zufällig sowieso seiner Meinung
zu-neigt.
Mir hat namentlich ein Satz über Fichtes radikalisierte Version, den echten durchgeführten Kritizismus gefallen: ein endgültiger und "letzter
Mythos" - die "Geschichte, die von dem spielenden oder abenteuernden
oder bildnernden Ursubjekt handelt".*
Der
Schönheitsfehler ist bloß - Metaphern können den Andern bestenfalls zum
Einver-ständnis verlocken, aber, anders als die begriffliche
Demonstration, nicht zwingen. Beim anschaulichen Hervorbringen der
einen Vorstellung aus der vorangegangen ist der Zweck die Prämisse, und nur so ist die Darstellung zwingend. Nur darum kann sie auf Begriffe verzichten.
*) Hans Blumenberg, Arbeit am Mythos, Frankfurt/M, 1999, S. 295f.
13. 7. 2020
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