
§ 19
Die Beschränkteit des
Ich, versinnlicht und als Wahrnehmung, erscheint als Aufforderung zu
einem freien Handeln. Diese Wahrnehmung als Beschränkung unserer
physischen Kraft - vorausgesetzt, dass wir uns, uns selbst überlassen, [sic]
es wird sonach als das Bestimmende zu dieser Beschränkung eine
physische Kraft außer uns gesetzt, die durch freien Willen eines durch
diesen Willen bestimmten und charakterisierten freien Individuums
außer uns regiert werde. Das Bestimmbare davon gibt den Begriff und die
Wahrnehmung eines arti-kulierten Leibes, einer Person außer uns.
Dieser (der Leib) ist
Naturprodukt, und also, da er aus Teilen besteht, die nur in ihrer
Ver-bindung dieses bestimmte Ganze ausmachen, hat die Natur in sich
selbst das Gesetz, dass ihre Teile sich notwendig zu Ganzen, die wieder
ein einziges Ganze[s]
ausmachen, vereinen. Die Natur ist organisiert und organisierend und
wird, so wie ein vernüntiges Wesen außer mir gesetzt ist, also gesetzt.
Der Umfang dessen, was notwendig im Bewusstsein vorkom-men muss, ist
erschöpft. /
Bemerkung: Nur als organisiert und organisierend ist die Natur erfahrbar, außerdem*
wird man durch das Gesetz der Kausalität immer weiter hinausgetrieben.
Dadurch fallen die Kantischen Antinomien der Vernunft ganz weg, da sie
bloß Antinomien des freien Räson-nements sind.
Auf diese Weise haben
die alten Philosophen die Beweise für Gott aus der Welt hervorge-bracht,
aus Verzweiflung, indem sie doch einmal bei etwas stehenbleiben
wollten. -
Man muss die Vernunft als Ganzes auffassen,
dann findet kein Widerstreit statt, dann ist die Natur ganz absolut
durch sich selbst gesetzt als absolutes Sein, entgegengesetzt nur dem
ab-soluten Ich. Diese Ansicht muss eine Naturwissenschaft nehmen.
*) [=andernfalls]
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J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 239f.
Nota I. - 'Der Umfang dessen, was notwendig im Bewusstsein vorkommen muss, ist er-schöpft.' Mit andern Worten, die Grundlage, auf der ein Wissen baut, das vernünftig ist, ist hiermit gelegt. Die wirkliche Vernünftigkeit fängt an diesem Punkt an: "eine Naturwissen-schaft". Man muss allerdings die Vernunft "als Ganzes" nehmen, nämlich als Ganzes - als Subjekt - der Natur als seinem (ganzen) NichtIch entgegensetzen. So wird eine Synthesis möglich.
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J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 239f.
Nota I. - 'Der Umfang dessen, was notwendig im Bewusstsein vorkommen muss, ist er-schöpft.' Mit andern Worten, die Grundlage, auf der ein Wissen baut, das vernünftig ist, ist hiermit gelegt. Die wirkliche Vernünftigkeit fängt an diesem Punkt an: "eine Naturwissen-schaft". Man muss allerdings die Vernunft "als Ganzes" nehmen, nämlich als Ganzes - als Subjekt - der Natur als seinem (ganzen) NichtIch entgegensetzen. So wird eine Synthesis möglich.
Natur und Vernunft sind indessen Noumena. In der erfahrbaren Wirklichkeit kommen aber nur Individuen vor. Würden wir diese und ihre Wirkungen aufeiander zum Ausgangspunkt der Betrachtung nehmen, würden wir durch das Gesetz der Kausalität ins Unendliche fort-getrieben und könnten nie zu eine Synthese kommen.
17. 7. 15
Nota II. - Fichtes Naturrecht und die Sittenlehre waren bereits gedruck, als sein Vortrag nova methodo diesen Punkt erreicht hatte. Er hat sie also nachträglich desavouiert, aber erwähnt hat er es m. W. nicht. Hat er es gar nicht bemerkt?
JE
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