attisch, ca. 630 v. Chr zu Philosophierungen
Es gibt eine Mode in der zeitgenössischen Philosophie, die nennt sich die systematische, sie
kommt aus Amerika und knüpft an die "analytische" Philosophie
Wittgensteins an. Deren Kernaussage ist in etwa: Alle Probleme der
früheren Philosophie kamen daher, dass die Be-griffe nicht eindeutig
genug bestimmt waren; eigentlich bestehen sie nur in Missverständnis-sen,
die sich bei sorgfältigem Wortgebrauch vermeiden ließen.
Das klingt blöde und ist es auch, aber seinen derzeit weltweiten Erfog verdankt es dem Um-stand, dass es nicht nur blöde ist. Die 'künstliche Intelligenz' ist ein Begriff, der ihr Recht zu geben scheint.
Intelligenz
ist, was der IQ-Test misst - das ist ein pragmatischer Begriff, der in
neun von zehn Kommunikationssituationen ausreichen dürfte. Aber bei
der künstlichen Intelligenz vermutlich nicht. Der IQ-Test legt zugrunde
eine Menge von Leistungen, die einer im täg-lichen Leben erbringen muss,
wenn er als 'intelligent' gelten soll. Wo es um künstliche
In-telligenz geht, geht es aber nicht um das tägliche Leben. Sondern zum
Beispiel um die Meisterschaft im Go-Spiel. Das ist etwas, das auch für
unsere natürliche Intelligenz an der Grenze liegt. Mit andern
Worten: beim Vergleich von natürlicher und künstlicher Intelligenz geht
es darum, welche die engeren und welche die weiteren Grenzen hat.
Das klingt, als ginge es um die Menge
der Probleme, die zu lösen sind. Die Leistungs fähig-keit des menschlichen Gehirns ist, so muss man annehmen, begrenzt: Erstens durch die
Verschaltungen, die zwischcn den Neuronen möglich sind. Faktisch wird es nicht möglich sein zu berechnen, wie viele das sind, faktisch dürften sie "so gut wie unendlich" sein. Aber eben nur so gut wie. Theoretisch, nach dem Begriff,
sind sie es nicht. Und ob in dieser Hin-sicht das künstliche Gehirn dem
menschlichen überlegen ist, ist eine rein technologische Frage, die sich
im Lauf der Zeit von allein zugunsten der KI entscheiden wird.
Nun
kann man einwenden: Aber die KI kann ihre Problem nur 'erfinden' aus
dem Fundus der Daten, die ihr eingegeben wurden und die sie aufgrund
ihres Programms ermitteln konnte. Das mögen unvorstellbar viele sein;
aber erfinden kann sie nichts.
Kommt
sogleich der Einwand: Der Mensch kann sich auch nichts andres
einbilden, als was in seinem Erfahrungsschatz schon irgendwann mal
vorgekommen ist.
Eben das wird be-stritten - allen Ernstes mit dem Hinweis auf einen Umstand, den schon Kant in Erwägung zog: Im "Spiel der Einbildungskraft" beruft er sich auf den Traum; was nur philogogisch von Interesse wäre, wenn nicht die Hirnphysiologie heute ebendort ansetzte: "Ich vertrete die These, dass die vorgeburtliche Phase des Menschen
entscheidend ist für die Prägung des visuellen Systems. Das Sehsystem
ist das einzige, das vor der Geburt nicht gereizt wird. Da-mit es aber
gleich nach der Geburt funktionieren kann, wird das visuelle System im
Gehirn mit Hilfe von Träumen gleichsam eingefahren. Mehr als 50 Prozent
der Zeit verbringen Kinder im Mutterleib in der Traumphase. Es hat dann
keinen evolutionären Grund gege-ben, die Träume nach der Geburt wieder
abzuschaffen", sagt Ernst Pöppel.
Es geht um Einbild ung.
Sind deren Möglichkeiten wirklich ohne Grenzen? Dann wäre die
menschliche Intelligenz der künstlichen theoretisch doch überlegen.
Praktisch würde sie freilich bei jedem möglichen Wettbe- werb vor ihr
schlappmachen; wie oben im Go-Spiel.
Mit andern Worten: Ob menschliche oder künstliche Intelligenz überlegen ist, ließe sich schlechterdings nicht beurteilen.
Wenn wir nämlich nach dem Menge der Einfälle fragen. Haben wir es aber nicht mit der Frage nach der Qualität der Einfälle zu tun?
Das ist offenbar nicht eine Frage des Auszählens, sondern der Urteilens. Die Frage ist hier: Kann künstliche Intelligenz urteilen? - Natürlich; sofern ihr Urteilsmaßstäbe einprogram-miert wurden - womöglich so, dass sie subtilere Maßstäbe daraus selber destillieren kann. Aber kann sie letztendlich urteilen, auch über das, was ihr einprogrammiert wurde? Klipp und klar gesagt: Kann sie gut und böse unterscheiden?
Kann sie nicht.
Das
ist nämlich der springende Punkt bei der Abwägung von menschlicher und
künstlicher Intelligenz. Menschliche Intelligenz kann nicht nur, sondern
sie kann nicht anders.
Zur Erläuterung noch dies: Bei der Fähigkeit, gut und böse zu unterscheiden, der Fähigkeit zu werten, geht es nicht um das rein technische Urteil: Wie kann ich meinen Zweck errei-chen? Es geht um das allerpraktischste Urteil: Welchen Zweck will ich erreichen? Wir unter-scheiden uns von den Tieren nämlich in dere Hauptsache dadurch, dass wir auch Zwecke verfolgen, die nichts mit unserer Erhaltung - Selbst- und Arterhaltung - zu tun haben, son-dern nur um ihrer selbst willen gewählt werden können; können, wenn man es kann. Es ist eigentlich die ästhetische Urteilskraft.
Nachtrag. - Das ist viel zu kleinteilig argumentiert. Der - wie soll ich anders sagen? - sub-stantielle Unterschied ist, dass die künstliche Intelligenz keine Möglichkeit hat, die Daten, die sie selber generiert, von den Daten zu unterscheiden, die 'ihr gegeben' wurden. Sie kann sich nicht von 'der Welt' - von irgendeiner Welt - unterscheiden. Und daher kann sie sich nicht von 'sich-selbst' unterscheiden. Sie kann höchstens unterscheiden, was 'schon da war', von dem, 'was dazugekommen ist'. Das ist sowas wie der dimensionale Unterschied von post hoc und propter hoc. Es fehlt die Reflexivität. Reflexivität ist die Fähigkeit, 'sich' von 'dem Andern' zu unterscheiden - als das Andere des Andern. Der Grund ist einfach. Sie ist nie 'unter Anderen', sondern allenfalls unter ihresgleichen.
Merke: Natürlich Intelligenz 'kommt vor' als Ingediens eines Organismus, in dem sie einem räumlich-zeitlichen Leib zugehört, der mit der ganzen übrigen räumlich-zeitlichen Welt in einem Wechselverhältnis steht. Anschauen ohne Begriffe wäre blind, aber begreifen ohne Anschauung ist leer.
JE
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