aus spektrum.de, 22. 7. 2021 zuJochen Ebmeiers Realien
Als
der große alte Mann der britischen Physik, Lord Kelvin, im Jahr 1900
auf die Erkenntnisse der Physik aus dem vergangenen Jahrhundert
zurückblickte, sprach er von zwei Wolken, die über den wichtigsten
Theorien der Physik lägen. Eine dieser Wolken, so Kelvin, sei die Frage
der Bewegung der Erde durch den Äther, die schon wenige Jahre später
zur Formulierung der Relativitätstheorie führen würde. Die zweite Wolke
sah Kelvin bei der Frage, wie viel Energie nötig ist, um eine
bestimmte Menge eines Gases um eine bestimmte Temperatur zu erwärmen
[1]. Die Entwicklung der statistischen Mechanik hatte es ermöglicht,
große Teile der Wärmelehre durch die Mechanik von Molekülen zu
erklären, aber zur Wärmekapazität von Gasen und zur Abstrahlung von
Energie durch warme Körper lieferte die Theorie regelmäßig falsche
Ergebnisse. Hinter dieser zweiten Wolke sollten Erkenntnisse
auftauchen, aus denen sich mit der Quantenmechanik die zweite zentrale
Idee der modernen Physik entwickeln würde.
Wie die
Relativitätstheorie war auch die Quantenmechanik kein Geistesblitz aus
heiterem Himmel. Auch an ihrem Anfang standen Fragen, auf die die
Physik keine Antworten mehr fand. Die Entstehung der Quantentheorien
ist aber weniger geradlinig als die der Relativitätstheorie, mit weitaus
mehr beteiligten Forschern, unterschiedlicheren Vorläufern, mehr
Teilgebieten und resultierenden Einzeltheorien [1, 2]. Es gibt nicht
eine kontinuierliche Entwicklung, die man verfolgen könnte, um die
wichtigsten Inhalte der Quantentheorien im historischen Ablauf
kennenzulernen. Dieses Kapitel wird daher eher schlaglichtartig auf die
entscheidenden Durchbrüche eingehen, die für die Entstehung der
grundlegenden Quantentheorie, der Quantenmechanik, wichtig waren. Dabei
werden wir auch die wichtigsten Personen kennenlernen, die im
Zusammenhang mit der Quantenmechanik bis heute am häufigsten zitiert
und am meisten missverstanden werden. Besonders wichtig dafür sind die
Besonderheiten, die die Erkenntnisse der Quantenmechanik von den
Erfahrungen unseres Alltags unterscheiden.
3.1 Die Entstehung der Quantenmechanik und der Abschied vom festen Ort
Mit
der von Kelvin angesprochenen Frage, wie viel Energie man braucht, um
Materie zu erwärmen, ist natürlich auch die Überlegung verbunden, wie
viel Energie ein so erwärmter Körper wieder abgibt und in welcher Form
das geschieht. An dieser Stelle tauchte erstmals die Idee auf, dass sich
in der Physik kleinster Teilchen der Materie einige Dinge ganz anders
abspielen könnten, als wir das aus der Welt normal großer Objekte
kennen.
Wenn
in einer Schmiede ein Stück Eisen erhitzt wird, beginnt es irgendwann,
rötliches Licht abzustrahlen, und man bezeichnet es als rotglühend.
Erhitzt man es weiter, wird es irgendwann weißglühend: Die Strahlung
wird insgesamt intensiver, enthält aber auch mehr Licht kürzerer
Wellenlängen, und zum roten Licht kommen gelbe und schließlich auch
blaue Anteile hinzu. Zum noch wesentlich heißeren Draht einer Glühlampe
hin verstärkt sich dieser Effekt immer mehr. Wenn sich das
geschmiedete Eisen etwas abkühlt und nicht mehr glüht, gibt es immer
noch Strahlung ab, was man leicht spüren kann, wenn man sich mit der
Hand nähert. Diese Strahlung enthält aber kein sichtbares Licht mehr,
sondern nur noch die langen Wellenlängen des Infrarotbereichs, die
unsere Augen nicht sehen können. Je heißer ein Material, desto mehr
Wärmestrahlung gibt es ab, und desto mehr kurze Wellenlängen kommen zu
dieser Strahlung hinzu.
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Ende des 19. Jahrhunderts gelang es vor allem Wilhelm Wien an
der PhysikalischTechnischen Reichsanstalt, diese Temperaturen und die
dazugehörenden Spektren mit hoher Genauigkeit zu messen. Farbige oder
spiegelnde Oberflächen verändern die Spektren etwas. Um diese Effekte
auszuschließen, verwendet man für ein ungestörtes Ergebnis die Strahlung
aus gleichmäßig heißen Hohlräumen, weshalb man von Hohlraumstrahlung
oder Schwarzkörperstrahlung spricht.
Schwierig wurde es, als man
versuchte, die Wärmestrahlung wie andere Wärmeeffekte durch
statistische Mechanik zu erklären. Stellt man sich die
elektromagnetischen Wellen wie die Schwingungen einer Gitarrensaite
vor, dann passen rein geometrisch auf eine gleich lange Saite mehr
Wellen, je kürzer die Wellenlänge ist. Versetzt man also eine große
Zahl von Saiten zufällig in irgendwelche Schwingungen, müsste man
insgesamt mehr kurze als lange Wellen erhalten. Das Gleiche beobachtet
man zunächst auch bei der Wärmestrahlung: Bei kurzen Wellenlängen wird
mehr Energie abgegeben als bei langen. Ab einem gewissen Punkt steigt
die abgestrahlte Energie aber nicht immer weiter an, sondern fällt ab
einer gewissen Wellenlänge wieder ab. Je niedriger die Temperatur,
desto größer die Wellenlänge, bei der die Strahlung abfällt, sodass das
glühende Eisen zwar noch rotes, aber kein blaues Licht ausstrahlt
(siehe Abb. 3.1, in dieser Leseprobe nicht enthalten). Für diese
experimentelle Beobachtung liefert die einfache Vorstellung von Wellen
auf einer Saite keine Erklärung – und die bis dahin üblichen
Vorstellungen der statistischen Mechanik auch nicht.
Letztlich
war es der Berliner Physikprofessor Max Planck, dem es 1900 gelang,
die Wärmestrahlung in einer einheitlichen Formel zu beschreiben, aus
der sich die Spektren, wie in Abb. 3.1 dargestellt, berechnen lassen.
Plancks Strahlungsgesetz basiert nicht wie die Relativitätstheorie auf
gewagten Annahmen, sondern beschreibt zunächst einmal präzise die
Ergebnisse der damals bekannten Messungen. Spannend wurde es aber bei
der Interpretation, was Plancks Berechnung eigentlich bedeutet. Sein
Strahlungsgesetz ist nämlich tatsächlich aus der statistischen
Betrachtung von Wellen abzuleiten. Der revolutionäre Gedanke dabei ist,
dass die ausgesandte Strahlung sozusagen aus kleinen Päckchen besteht,
deren Energie von der Wellenlänge abhängt. Je kürzer die Wellenlänge,
desto mehr Energie hat eines der entstehenden Wellenpäckchen. Für
Päckchen mit langen Wellenlängen ist in der Regel immer genügend
Energie vorhanden. Je nach Temperatur des strahlenden Körpers reicht
aber ab einer gewissen Wellenlänge die abgegebene Energie nicht mehr
aus, um weitere Wellenpäckchen zu bilden, sodass die Spektren zu
kürzeren Wellenlängen hin steil abfallen, wie es die Messungen ergeben
hatten. Für Planck und seine Zeitgenossen in der Physik war das ein
höchst befremdliches Ergebnis. Sollte das Licht Energie tatsächlich in
Paketen transportieren, die durch die Wellenlänge genau festgelegt
sind? Das klang bedenklich nach der alten Vorstellung von
Lichtteilchen, die uns schon in Abschn. 2.1 begegnet ist und die Thomas
Young 80 Jahre zuvor zu Grabe getragen hatte. Für diese Wellenpakete,
also die teilchenartigen Eigenschaften von Licht, etablierte sich
später der Begriff »Quanten«.
Quarkstückchen
Die Lichtpakete oder Quanten, die sich aus Plancks Strahlungsgesetz ergeben, sind weder elektrisch positiv noch negativ geladen, sondern neutral – es handelt sich einfach um elektromagnetische Wellen, wie zum Beispiel Licht, Mikrowellen oder Röntgenstrahlung. Ein Esoterikanbieter aus dem Rheinland behauptet jedoch, sogenannter Elektrosmog bestehe aus positiv geladenen Planck’schen Quantenteilchen, die die Gesundheit zerstörten. Zum Schutz dagegen verkauft der Anbieter Quantenkraftsteine, knapp handtellergroße, bunte Objekte, die laut Produktbeschreibung aus gepresstem Holz bestehen und vom Nutzer am Körper getragen werden sollen. Der Preis eines solchen Quantenkraftsteins, der negativ geladene Quantenteilchen enthalten soll, liegt bei 800 EUR [3].
Zu den ersten Wissenschaftlern, die die
Vorstellung von Lichtquanten nicht nur als Rechenmodell in Erwägung
zogen, gehörte Albert Einstein. Schon als unbekannter
Patentamtsmitarbeiter hatte er mehrere Veröffentlichungen zum
Strahlungsgesetz und seiner Interpretation geschrieben. 1905, im
gleichen Jahr wie die spezielle Relativitätstheorie, erschien seine
Theorie zum sogenannten Fotoeffekt, für die er viele Jahre später den
Nobelpreis bekommen würde. Beim Fotoeffekt geht es darum, dass Licht
Elektronen aus der Oberfläche von Metallen herauslösen kann, vor allem
wenn es sich um sehr kurzwelliges UVLicht handelt. Einstein erklärte
den Zusammenhang mit der Wellenlänge dadurch, dass jedes Elektron immer
nur die Energie eines einzelnen Lichtquants aufnehmen kann und somit
nur kurzwellige Lichtquanten mit ihrer höheren Energie in der Lage
sind, Elektronen aus der Bindung an das Metall herauszureißen. Die
Messungen, die Einsteins Theorie zum Fotoeffekt möglich machten,
stammten übrigens ausgerechnet vom späteren EinsteinHasser und
»deutschen Physiker« Philipp Lenard [1].
Bis zu diesem Punkt beschränkte sich die Vorstellung von
Quanten darauf, dass die Energie elektromagnetischer Wellen aus
irgendeiner Form von Paketen besteht. Für das Alltagsleben und die
meisten physikalischen Berechnungen jener Zeit spielte das keine Rolle,
weil die einzelnen Energiepakete winzig klein sind. Für Energien des
Alltags von typischerweise einigen Joule (ein Joule ist etwa die
Fallenergie eines Päckchens Butter, das aus 40 cm Höhe auf den Boden
klatscht) ist es unerheblich, dass das der Energie von zehntausend
Milliarden von Milliarden Lichtquanten des sichtbaren Lichts
entspricht. Die Energien einzelner Quanten sind so klein, dass wir sie
ebenso wenig wahrnehmen können wie die einzelnen Atome, aus denen wir
und alle unsere Alltagsobjekte bestehen.
Nach dem Planck’schen
Strahlungsgesetz und dem Fotoeffekt konnte man die Quanteneffekte noch
als rein rechnerische Eigenschaften des Lichts ansehen. Der
entscheidende Schritt zur Quantenmechanik als einer eigenen Theorie mit
umfassenderem Erklärungsanspruch war die Beschreibung des Atoms, und
die zentrale Rolle dabei spielte Niels Bohr.
Literatur
1. Mehra J, Rechenberg H (1982) The historical development of quantum theory, Bd 1. Springer, New York
2. Hund F (1975) Geschichte der Quantentheorie. Bibliographisches Institut, Mannheim
3. Edinger E (2015) Enki Quantenkraftstein Energiespender und Beschützer. http://enkiinstitut.eu/enkiquantenkraftstein.html. Zugegriffen: 23. Mai 2016
Aus aktuellen Büchern: Leseprobe von
Nota. - Jetzt weiß ich also wieder ein bisschen mehr. Aber da ichs auch wieder nicht wirk-lich verstanden habe, werde ich es nicht lange behalten. Doch spektrum lässt mich nicht im Stich.
JE
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