
aus spektrum.de, 26. 7. 2021 zuJochen Ebmeiers Realien
Lebenserwartung und Krebs
Dunkle DNA reguliert Alterungsbremse der Zellen
Lange
hat man »Junk«-DNA nicht verstanden und als vermeintlich überflüssig
angesehen. Das ändert sich langsam. Nun zeigt sich, dass sie mit darüber
bestimmt, wie oft sich das Erbgut unserer Zellen teilen kann, ohne
Schaden zu nehmen.
von Jan Osterkamp
Die lange als merkwürdig und überflüssig angesehenen »dunklen« oder »Junk«-DNA-Abschnitte des Erbgut übernehmen wichtige Aufgaben in der Zelle, wie sich in den letzten Jahren herauskristallisiert hat.
Dazu gehört offenbar auch ein Mitwirken beim Altern von Zellen und dem
gesamten Organismus, berichtet ein Team um Jiyue Zhu von der Washington
State University im Fachmagazin »PNAS«.
Die
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben die eine im nicht für
Proteine codierenden Bereich des menschlichen Erbguts liegende Sequenz
untersucht, die Region VNTR2-1. Sie reguliert wohl, wie aktiv das
Telomerase-Gen abgelesen wird – die Bauanleitung eines sehr wichtigen Enzyms, das einen großen Einfluss auf die Lebensdauer der Chromosomen und damit die Alterung von Zellen hat.
Die Telomerase verlängert die Enden der Chromosomen, die bei jeder
Zellteilung ein wenig kürzer werden, bis sie am Ende des Lebens der
Zelle nicht mehr ordentlich vervielfältigt und ohne Fehler abgelesen
werden können. Bislang war unklar, wie die Funktion dieses
unverzichtbaren Zellreparaturwerkzeugs hochgefahren oder gebremst wird,
was auch bei bestimmten Krebserkrankungen eine Rolle spielt.
Zhu
und Kollegen hatten bei Krebszelllinien von Mäusen und Menschen
verschiedene Abschnitte des nicht codierenden Erbguts mit unbekannter
Funktion versuchsweise entfernt. Dabei fiel die Region VNTR2-1 ins Auge:
Fehlt sie, so verkürzen sich die Telomere aller Zellen rascher und
lassen sie schneller altern; Tumore wuchsen dagegen deutlich langsamer.
Die Forscher machten sich nun in einer Datenbanken mit Erbgutsequenzen
von Menschen europäischer und afrikanischer genetischer Abstammung auf
die Suche nach einer Bedeutung von VNTR2-1.
Tatsächlich
ist der Abschnitt in der DNA der verschiedenen Spendern unterschiedlich
lang: Typische Sequenzen wiederholen sich zwischen 53- und 160-mal, was
die statistische Auswertung belegt. Die Länge korreliert zudem mit der
Lebenserwartung, wie eine weitere Auswertung zeigt, bei der die
Wissenschaftler die DNA von hochbetagten Erbgutspendern analysiert
haben, die zwischen 1988 und 2008 über 100 Jahre alt geworden sind. In
dieser Altersgruppe finden sich im Vergleich weniger Menschen mit eher
kurzen VNTR2-1-Sequenzen als im Rest der Bevölkerung.
>Es sei
allerdings zu früh, eindeutig zu sagen, dass ein kurzer
VNTR2-1-Abschnitt im nicht codierenden Erbgut die Lebenszeit verlängert,
sagt Zhu. Zwar sei die Telomerase in solchen Zellen weniger aktiv, dies
könne aber auch positiv sein, weil es dafür sorgt, dass die Vermehrung
von Krebszellen gebremst wird und Tumoren langsamer wachsen. Womöglich
bekommen Menschen mit weniger aktiver Telomerase also seltener oder
weniger lebensgefährliche Krebserkrankungen. Mit Blick auf die Forschung
an Krebsursachen sei jedenfalls unbedingt nötig, die lange wenig
beachtete »Junk«-DNA in den Blick zu nehmen: Auch hier könnten
Mutationen folgenschwer sein und bisher übersehene Krebsursachen lauern.
Nota. - Je älter man wird, umso größer wird das Krebs-Risiko: eine Binsenwahrheit. Aber der Zusammenhang ist weniger simpel, als wir dachten: Nicht die gealterten Zellen degenerieren, sondern die neugebildeten Zellen, die das Leben verlängern, sind anfälliger. Nichts gibts im Leben umsonst, sagte mein Deutschlehrer.
JE
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