
aus nzz.ch, 2. 7. 2021 Im Gehirn implantierte Elektroden können die Aktivität einzelner Neuronen messen.
Forscher haben herausgefunden, wie unser Hirn Zeit abspeichert
Menschliches
Erleben ist undenkbar ohne die zeitliche Dimension. Patienten mit
Epilepsie helfen Forschern, eines der Geheimnisse um unser Gedächtnis zu
lüften.
von Eveline Geiser
Die meisten von uns können vergangene Begebenheiten vor ihrem inneren Auge aufleben lassen. Gerade bedeutende Ereignisse, wie etwa den ersten Schultag, erinnern wir als zu-sammenhängende Abfolge von Ereignissen. Psychologen nennen dies das episodische Gedächtnis.
In diesem Teil des Gedächtnisses speichern wir Sinneseindrücke mit einer bestimmten zeitlichen und oft auch räumlichen Struktur. Wir sehen zum Beispiel, wie sich der Vater langsam von uns entfernt, während wir ihm zum Abschied zuwinken und uns in Richtung Schulhaus bewegen. Wie unser Gehirn diese Dimensionen erfasst und repräsentiert, dem sind Forscher langsam auf der Spur.
Die Entdeckung der sogenannten Ortszellen, welche die räumliche Struktur des episodi-schen Gedächtnisses abbilden, wurde 2014 mit dem Nobelpreis für Medizin gewürdigt. Dass nicht nur die räumliche, sondern auch die zeitliche Struktur einer Erinnerung durch spezifische neuronale Aktivität repräsentiert wird, das zeigten Forscher kurz darauf in Tierversuchen. Bereits zwei voneinander unabhängige Forschergruppen in den USA und den Niederlanden haben nun Belege für solche Aktivität auch im menschlichen Gehirn vorgelegt. Die Ergebnisse wurden im «Proceedings of the National Academy of Sciences» («Pnas») und vor kurzem im «Journal of Neuroscience» publiziert
Die meisten von uns können vergangene Begebenheiten vor ihrem inneren Auge aufleben lassen. Gerade bedeutende Ereignisse, wie etwa den ersten Schultag, erinnern wir als zu-sammenhängende Abfolge von Ereignissen. Psychologen nennen dies das episodische Gedächtnis.
In diesem Teil des Gedächtnisses speichern wir Sinneseindrücke mit einer bestimmten zeitlichen und oft auch räumlichen Struktur. Wir sehen zum Beispiel, wie sich der Vater langsam von uns entfernt, während wir ihm zum Abschied zuwinken und uns in Richtung Schulhaus bewegen. Wie unser Gehirn diese Dimensionen erfasst und repräsentiert, dem sind Forscher langsam auf der Spur.
Die Entdeckung der sogenannten Ortszellen, welche die räumliche Struktur des episodi-schen Gedächtnisses abbilden, wurde 2014 mit dem Nobelpreis für Medizin gewürdigt. Dass nicht nur die räumliche, sondern auch die zeitliche Struktur einer Erinnerung durch spezifische neuronale Aktivität repräsentiert wird, das zeigten Forscher kurz darauf in Tierversuchen. Bereits zwei voneinander unabhängige Forschergruppen in den USA und den Niederlanden haben nun Belege für solche Aktivität auch im menschlichen Gehirn vorgelegt. Die Ergebnisse wurden im «Proceedings of the National Academy of Sciences» («Pnas») und vor kurzem im «Journal of Neuroscience» publiziert
Messungen direkt im menschlichen Hirn
Das
episodische Gedächtnis wird durch den Hippocampus ermöglicht. Da diese
Hirnstruk-tur im Zentrum des menschlichen Schädels liegt, kann neuronale
Aktivität nur schwierig ge-messen werden. Für die neuen Studien konnten
die Forscher Patienten mit Epilepsie zur Teilnahme an einem Experimenten
gewinnen. Diese Personen mussten sich Elektroden in den Hippocampus
implantieren lassen, damit der Ursprung der epileptischen Krämpfe
eruiert werden konnte.
In
der neuen Arbeit aus den Niederlanden präsentierten die Forscher den
Patienten auf einem Bildschirm eine Serie von Bildern und hielten sie
dazu an, sich deren Reihenfolge – ähnlich der bildlichen Erinnerung an
ein Erlebnis – genau zu merken. Die Serie wurde bis zu 60 Mal
wiederholt. Dabei wurde sporadisch das Erinnern der Reihenfolge getestet
– und zwar indem der Patient sich für das richtige von zwei Bildern
entscheiden musste.
Während
dieser Gedächtnisaufgabe zeichneten die Forscher über die implantierten
Elek-troden die Aktivität von je 5 bis 15 Neuronen auf. Danach
errechneten sie mithilfe des als «spike sorting» bekannten Verfahrens
die Aktivität der einzelnen Neuronen – die sogenann-ten
Aktionspotenziale. Mit einer statistischen Analyse fanden die Forscher
heraus, dass ein bestimmtes Muster an neuronaler Aktivität den
zeitlichen Verlauf der erinnerten Bildse-quenz abbildet – und zwar
unabhängig vom Inhalt der repräsentierten Bilder.
In
einer nächste Studie wollen die Forscher neben der zeitlichen auch die
räumliche Dimen-sion des Erinnerns in der neuronalen Aktivität isolieren.
Laut Leila Reddy, der Erstautorin der Untersuchung, war dies bei Tieren
bereits gelungen. So konnten bei Nagern gleichzeitig die
Aktivierungsmuster der Zeit- und der Ortszellen gemessen werden.
Gleichzeitig fanden sich auch Zellen, die sowohl die räumliche als auch
die zeitliche Dimension des Erinnerns abbildeten.
Allerdings sind sich Wissenschafter uneinig, wie diese zeitliche neuronale Repräsentation interpretiert werden soll.
Einige Forscher weisen darauf hin, dass der Begriff Zeitzellen
unglücklich gewählt sei. Denn zumindest im Tierexperiment würden diese
Zellen – je nach Situation – auf zeitliche sowie auf räumliche Aspekte
des Erlebens reagieren. Auch sei noch unbekannt, ob diese Zellverbände
bereits genügten, um unser Zeitempfinden zu wecken, oder ob noch andere
neuronale Mechanismen dazu notwendig seien.
Doch
ein erster Schritt ist getan, um zu ergründen, wie das Gehirn Raum und
Zeit zu einem kohärenten Erleben zusammenwachsen lässt. Auch wenn ein
Nobelpreis für die Entdeckung der Zeitzellen noch weit entfernt liegen
dürfte, die Wissenschaft ist einer zentralen Grundlage unseres Erlebens
auf der Spur.
Nota. - Ach, wie enttäuschend! Nach Frau Geisers Überschrift habe ich prompt erwartet, wir würden erfahren, wie die Zeit in unser Gehirn hinein kommt und dort "ab"gespeichert wird. Das wäre eine Sensation gewesen, denn nach Einstein 'gibt es' objektiv keine Zeit im Unterschied zum Raum. Man würde eher vermuten, dass Signale (welche aber?) aus dem Raum-Zeit-Kontinuum in irgendwelchen (?!) Sinneszellen amkommen und zu den Neuro-nen (welchen, wo?) weitergeleitet und von denen (wie?) in Raum- und Zeiteinheiten zerlegt würden - ehe sie "ab"gespeichert werden können. Man würde dann sagen: Das Gehirn in-terpretiert.
Auch nach Kant wird eine ungeteilte Wirklichkeit in zweierlei Modi angeschaut. Wenn die Hirnforschung uns zeigen könnte, wie - d. h. wo - das geschieht, wäre auch das eine Sen-sation. Aber dazu kein Wort.
Die genannten Untersuchungen liefern vermutlich noch gar kein Material, das eine solche Frage überhaupt schon erlauben würde. Ich vermute außerdem, dass es die Mitarbeiter des beteiligten Instituts selber waren, die ihre Resultate für die Öffentlichkeit so aufgebauscht haben, dass Frau Geiser ihnen auf den Leim gegangen ist.
JE
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