zu Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik
Besteht mein Leib aus zäher haltbarer Materie und hat er sie Kraft, alle Materie in der Sin-nenwelt zu modifizieren /
und sie nach meinen Begriffen zu bilden, so besteht der Leib der Person
außer mir aus derselben Materie, und sie hat dieselbe Kraft. Nun ist mein
Leib selbst Materie, also ein möglicher Gegenstand der Einwirkung des
andern durch bloße physische Kraft; ein möglicher Gegenstand, dessen
freie Bewegung er geradezu hemmen kann.
Hätte er mich für bloße Materie gehalten und er hätte auf mich einwirken wollen, so würde er so auf mich eingewirkt haben, gleicher Weise wie ich auf alles, was ich für bloße Materie halte, einwirke. Er hat nicht so gewirkt, mithin
nicht den Begriff der bloßen Materie von mir gehabt, sondern den eines
vernünftigen Wesens, und durch diesen sein Vermögen be-schränkt. Und erst
jetzt ist der Schluss vollkommen berechtigt und notwendig: Die Ursache der oben beschriebenen Einwirkung auf mich ist keine andere als ein vernünftiges Wesen.
Es ist hiermit das Kriterium der Wechselwirkung vernünftiger Wesen als solcher augestellt. Sie wirken notwendig unter der Voraussetzung auf einander, dass der Gegenstand ihrer Einwirkung einen Sinn habe; nicht wie auf bloße Sachen, um einander durch physische Kraft für ihre Zwecke zu modifizieren.
____________________________________________________________________
J. G. Fichte, Grundlage des Naturrechts nach Prinzipien der Wissenschaftslehre, SW Bd. III, S. 68f.
Nota. - Mal sehen, wie er uns den Sinn erläutern wird. -
Dass
der Leib aus zäher haltbarer Materie besteht, wussten wir - aber bloß
aus Erfahrung; aus den Voraussetzungen abgeleitet war es noch nicht, das musste der Transzendentalphi-losoph noch erledigen. (Nie
vergessen: Die Transzendentalphilosophie kehrt die Betrach-tungsweise
um; nicht aus Ursachen konstruiert sie Wirkungen, sondern aus Folgen
er-schließt sie Bedingungen. Da aber auch sie diskursiv verfahren muss,
sieht es aus wie eine verkehrte Kausalität.)
Überflüssig ist es auch sachlich nicht, denn der Begriff des Leibes muss bestimmt werden - artikuliert; zähe, halt- bare Materie -, um aus ihm sachlich fortbestimmen zu können; und zwar in diesem Fall negativ: Der eine ist so wenig bloße Materie wie der andere und können einander als solche nicht behandeln, weil sie sich selbst nicht als solche behandeln können.
Nun ja, auch das hatten
wir in der Abstraktion bereits; aber eben nur im Begriff. Dabei darf F.
es nicht belas- sen, weil er uns zu Folgerungen für die Sinnenwelt führen will. Und es sieht so aus, als kämen wir auf diese Weise auch der ausgefallenen Idee von den 'zwei Or-ganen' näher.
11. 4. 19
Nota II. - Hier begegnen wir wieder der bei Fichte beliebten Fünfer-Figur: Es ist das Schema der Vermittlung.
Auf das Ich geschieht keine Einwirkung von außerhalb, das ist ein kanonische Satz. Doch auf die wirklich lebenden Personen geschieht gar allerhand Einwirkung von außen; mehr selbst, als dem freien Willen recht sein kann.
Auf den beiden Außenposten haben wir zwei freie, nämlich als vernünftig vorausgesetzte Iche. In der Mitte ein neutrales Medium, das lediglich überleitet. Immernoch muss das Fremde - die andere Willensbestimmung - vom freien Ich assimiliert und zu seinem Eignen gemacht werden. Es ist eine selbstbestimmbare Vermittlungsinstanz zwischen der intelli-giblen und der sinnlichen Welt; das gesamte System der Sensibilität, wo die Gefühle ent-stehen, die angeschaut und bestimmt werden können. Hier wird Sinnliches zu Intelligiblem und Intelligibles zu Sinnlichem umbestimmt.
JE
Nota. Das
obige Foto gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie
der Eigentümer sind und seine Verwendung an dieser Stelle nicht
wünschen, bitte ich um Nachricht auf diesem Blog. JE
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen