ruhrnachrichten aus Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik
Die
ganze Wissenschaftslehre steht unter dem doppelten Vorzeichen, dass erstens Begriffe
ohne Anschauung leer und zweitens Anschauungen ohne Begriffe blind sind.
Fichte will nun nicht aus (von wem?)
vorgegebenen Begriffen ein System konstruieren, son-dern uns
veranlassen, in der Vorstellung fortschreitend vom Bestimmbaren zum
Bestimm-ten überzugehen: Das Bestimmte ist ein Begriff, nur was bestimmt wurde, kann begriffen werden; doch ohne Anschauung - das Bestimmbare - ist nichts da, was zu bestimmen wäre.
Die
ganze Wissenschaftslehre ist ein ewiges (sic) Hin und Her zwischen
beiden Polen. Es soll aus einer Vorstellung die daraus folgende
entwickelt werden, doch dazu muss sie erst bestimmt und begriffen werden; nun wird die zum Begriff bestimmte Vostellung fortbe-stimmt: durch Entgegensetzen. Und so ins Unendliche fort. Und auf jeder Etappe bleibt ein toter Begriff zurück als das Bild von der lebendigen Vorstellung, die in ihm gefasst wurde.
Die Wissenschaftslehre muss, wie jede Rede, diskursiv verfahren, weil wir Menschen nun eben in der Zeit leben. Das macht ihre Darstellung unvermeidlich schief. Sie will zeigen, dass, um zu dieser Vorstellung zu kommen, ich mir jene Vorstellung zuvor schon gemacht haben muss. Was als eine logische Dependenz gemeint ist, wird erzählt wie eine zeitliche Folge.
Tatsächlich ist aber das System der sich wechselseitig bestimenden Begriffe nichts anderes als das, was im Verkehr der Reihe vernünftiger Wesen zu einer intelligiblen Welt gebildet wird. Und dies allerdings - in der Zeit. In der Zeit bleiben vom tätigen Vorstellen nur die Gedächtnisspuren im Speicher. Von dort können sie aufgerufen werden als die mehr oder minder vollständigen und mehr oder minder anschaulichen Erinnerungen an die einmal le-bendig vorgestellten Bilder. Kein Wunder, dass es in der Reihe vernünftiger Wesen immer wieder Streit über ihre Genauigkeit gibt.
Man kann dann in den Büchern nachschlagen, wie die Alten die Begriffe verwendet haben, oder heute bei Google. Man kann sich in zuverlässiger Runde einstweilen auf diesen oder jenen Gebrauch einigen. Wo die Kritik allerdings radikal sein will, wird sie zu den Vorstel-lungen selbst zurückgehen müssen.
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