Peter Handermann zu Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik
Das Ich verliert sich selbst im Objekte der Anschauung in der Anschauung [sic].
Oder, wie Kant sagt: die Anschauung ist blind. Sonach in der Anschauung
schwebt mir etwas unmit-telbar vor; ich frage nicht, woher es komme. Das
Objekt ist einmal da und ist schlechthin da. Dem Anschauen wird es so,
nun kommt das Anschauen nicht zum Bewusstsein, mithin ist das Objekt auf
dem gemeinen Standpunkt unmittelbar da. So kommt das Objekt
ur-sprünglich im Bewusstsein vor. Eine Philosophie, die dies leugnet, ist
grundlos.
_______________________________________________________________________J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 83
Nota I. - Natürlich ist Anschauung überhaupt nicht an sich 'blind'. Die Wissenschaftslehre ist keine statische, dogmatische Konstruktion aus Begriffen, sondern ein dynamische Dar-stellung der Entwicklung von Vorstellungen. Gegenüber der elementaren Realität des 'Ge-fühls' ist die Anschauung nicht blind, sondern erscheint der Reflexion als 'Bild': etwas Sichtbares. Blind ist sie im Vergleich zur nächsthöheren Reflexionsstufe, dem Begriff.
7. 12. 15
Nota II. - Transzendentalphilosophie überhaupt und Wissenschaftlehre in specie ist streng phänomenal: Sie fragt nach dem Wissen und seinem Grund, und Wissen ist nichts anderes, als was 'im Bewussstsein vorkommt'. Im Bewusstsein kommen aber nur Vorstellungen vor; nicht Dinge, sondern Bilder von Dingen.
Ist das Bild elementar: "schlechthin da"?
Elementar und schlechthin da ist das Gefühl, das daraus entsteht, dass 'Dinge' oder wie immer ich es nennen mag meiner Tätigkeit Widerstand leisten. Anschauen ist der erste Schritt auf dem Wege des Begreifens: Es entwirft ein Bild, das 'ich mir' - das sich meine Einbildungkraft von der 'Ursache' des gefühlten Widerstands macht.
Davon 'erfahre' ich erst im Zustand meiner Bewusstheit: ex post, nachdem es geschehen ist, und für mich in meinem bewussten Zustand ist es allerdings elementar, nämlich das allerer-ste, das mir 'vorkommt'; mit dem Vorkommen eines Bildes beginnt mein bewusstes Sein.
Was dem voranging, habe ich nicht erfahren; ich muss (sic) es mir allerdings vorstellen - so-fern ich nämlich begreifen will; was ich aber nicht muss.
JE
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