Fichte am Katheder zu Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik
Der Idealismus geht aus von dem
sich-Setzen des Ich, oder von der endlichen Vernunft überhaupt. Aber
wenn von einem Überhaupt die Rede ist, so ist dies ein unbestimmter
Begriff. Er geht also von einem unbestimmten Begriff aus. Nun sieht der
Idealist dem Be-stimmen der Vernunft in ihren Begrenzungen zu und lässt
durch durch das Bestimmen ein vernünftiges Individuum, ein wirkliches Vernunftwesen werden, welches etwas ganz anderes ist als der unbestimmte Begriff vom Ich.
Dieses Individuum sieht die Welt und die Dinge auch an, /
diese seine Ansicht wird auch von dem Gesichtspunkte des Idealismus
erblickt; der Idealist sieht, wie dem Individuum die Dinge werden
müssen. Die Sache ist also für das Individuum anders als für den
Philoso-phen; für das Individuum nun sind die Dinge, Menschen usw.
unabhängig von ihm vorhan-den. Der Idealist aber sagt: Dinge außer mir
und unabhängig von mir gibt es nicht. Beide sagen also das Gegenteil und
widersprechen sich doch nicht, denn der Idealist zeigt von seinem
Gesichtspunkte aus die Notwendigkeit der Ansicht der Individuen. Wenn
der Ide-alist sagt: außer mir, so heißt dies: außer der Vernunft; bei dem
Individuum heißt es: außer der Person.
_______________________________________________________________________ J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo, II. Einleitung, Hamburg 1982, S. 24f.
Nota I. - Nicht zu vergessen, dass auch der Philosoph Individuum ist. 'An die Wirklichkeit der Welt glaubt auch der idealistische Philosoph, sobald er das Katheder verlässt.'
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