
Das Beschriebene ist
nur ein Wollen, und eben in der Synthesis durch die Beziehuung des Seins
aufs Denken und umgekehrt wird es ein Wollen - das will dem Menschen
auch nicht ein. Wenn man ihn fragen würde: Willst du oder kannst du
wollen: Jeder wird sich alles ent-reißen lassen, nur seine Persönlichkeit
nicht. Aber das Wollen ist doch nur Erscheinung; es ist genau das, was
oben geschildert worden ist, die Identität von Sein und Denken; diese
ganze Wechselwirkung und nichts anderes ist das Wollen. Der Anfang des
Bewusstseins und der eigentliche Mittelpunkt, an den das Übrige
angeknüpft wird, ist Wollen. -
Aber haben wir uns
nicht verirrt? Der Begriff der Aufforderung ist analysiert worde. Wir
sind aber aufs Zweite gekommen, wir haben geredet von etwas anderem.
Aber wir haben gefunden: Der Begriff der Aufforderung ist nicht das
Erste, sondern das Wollen. Das Be-wusstsein hebt von keinem Momente an,
es ist Wollen. An diesen Moment des Willens wird durch die bloße
Erscheinung das Übrige angeknüpft.
Das Deliberieren,
Herausgreifen kommt vor, aber es ist etwas zur wirklichen Bestimmung
meiner Hinzugesetztes, wobei das letztere dem Wollen vorausgegangen
sein soll. (Man könnte den Transzendentalen Idealismus einteilen in
Idealismus des äußern und innern Sinnes, oder des Raums und der Zeit.)
Kurz, in dem Fortgange des Bewusstseins scheint uns das, das den Willen
bedingt, in uns selbst zu liegen; bei dem Anfange der Individualität
scheint diese außer uns in einer fremden Vernunft zu liegen.
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J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 187
Nota I. - "Aber
das Wollen ist doch nur Erscheinung" - Erscheinung wessen? Einer
Sub-stanz, eines Wesens? Das Wort gebraucht er sonst nicht. Was bedeutet
es hier? Der ganze Abschnitt ist dunkel. Fast möchte man es dem
Protokollanten anlasten, der Fichtes Rat nicht gefolgt wäre und bloß
Worte mitgeschrieben hätte, ohne auf den Sinn zu achten. Das ist sonst
allerdings nicht seine Art, und vielleicht hat er sich vergeblich um
einen mitteilba-ren Sinn bemüht? - "Der Anfang des Bewusstseins und der eigentliche Mittelpunkt", das ist das Wollen, eben noch "nur Erscheinung", auch.
21. 2. 17
Nota II. - Ob ichs heute besser verstehe? Ich versuchs mal.
Reales Wollen ist Wollen von diesem oder jenem. Wollen-überhaupt, reines Wollen, ist le-diglich Noumenon und wird bloß 'zur Erklärung' herbeigezogen: zum Verständnis dessen, was es bedeuten kann - als Sinnbestimmung. Es ist der in der sinnlichen Welt handeln Müs-sende, der eine Sinnbestimmung braucht, um entscheiden zu können, wie er handeln soll.
Im 'Zweckbegriff', den er in Folge der Aufforderung deliberierend sucht, erscheint ihm das Wie aber vorgegeben - so zwar, dass er auswählen kann, aber doch nur aus dem, was er fin-det. So herum erscheint ihm sein wirkliches Wollen lediglich als die "Erscheinung" eines ideal vorgegebenen Begriffs. Und nun muss es ihm vorkommen, als ob er 'immer schon' gewollt hat und nur noch nicht wusste, was.
Und der transzendentalen Betrachtung kam es von vornherein so vor.
JE
Nota. Das
obige Foto gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie
der Eigentümer sind und seine Verwendung an dieser Stelle nicht
wünschen, bitte ich um Nachricht auf diesem Blog. JE
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